# taz.de -- Kommentar Schuld der Linken: Die Stunde der Vereinfacher
       
       > Konservative wollen der deutschen Linken die brutalen Krawalle in die
       > Schuhe schieben. Das ist billig. Denn es ist nicht links, Kleinwagen
       > anzuzünden.
       
 (IMG) Bild: Bilder, die Konservative und Rechte gerne instrumentalisieren: Ausschreitungen Vermummter
       
       Die Autowracks in Hamburgs Straßen rauchen noch, schon schlägt die Stunde
       der Vereinfacher. Manche geben sich große Mühe, der deutschen Linken – wer
       immer das auch sein möge – die Schuld an den brutalen Krawallen
       zuzuschieben. Klar habe die Randale mit Politik zu tun, twitterte zum
       Beispiel Jens Spahn, die konservative Nachwuchshoffnung der CDU.
       Schließlich hätten Teile der SPD linke Gewalt systematisch verharmlost.
       
       Auch öffentliches Nachdenken über die Polizeistrategie wird im Moment gerne
       diffamiert. „Nur schäbig“ sei die Kritik von Grünen und Linken an der
       Polizei, findet Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Der FDP-Politiker und
       Vizepräsident des EU-Parlaments Alexander Graf Lambsdorff wiederum wirft
       einem Grünen-Politiker auf Twitter vor, die Hamburger Polizei zu
       beschimpfen. Dabei hatte jener lediglich geschildert, wie er von einem
       Polizisten erst beleidigt und dann getreten worden war.
       
       Zum liberal-konservativen Schwarz-Weiß-Denken muss man zunächst etwas
       Banales feststellen: Die Gewalttäter, die Teile der Stadt in Angst
       versetzten, Mülltonnen abfackelten, Geldautomaten aufbrachen und Polizisten
       mit Steinen bewarfen, sind nicht links. Manche von ihnen nennen sich
       vielleicht so, aber sie pervertieren eine politische Verortung, die sich
       traditionell an der Seite der Schwachen sieht. Diese Typen wollen nicht
       protestieren, sie haben kein politisches Anliegen. Sie wollen Randale – und
       machten die Stadt zu ihrem lebensgefährlichen Abenteuerspielplatz.
       
       Es ist nicht links, Kleinwagen von Familien anzuzünden. Es ist nicht links,
       einen Drogeriemarkt zu plündern, der für Flüchtlinge sammelte. Es ist auch
       nicht links, eine Kitaleitung so zu verängstigen, dass sie die Eltern
       aufforderte ihre Kinder abzuholen – weil für ihre Sicherheit nicht mehr
       garantiert werden könne. Kauder und Spahn liegen deshalb falsch. Wer so
       tut, als stünden gewaltbereite Linksradikale und angereiste Hooligans für
       einen seriösen Teil des politischen Spektrums, kocht sein eigenes,
       populistisches Süppchen auf den Feuern der Barrikaden.
       
       ## Stimmt es, dass ein Polizist einen Grünen tritt?
       
       Und ja, selbstverständlich muss es möglich sein, weiterhin Kritik zu üben.
       Viele PolizistInnen leisteten und leisten in Hamburg Großartiges – das
       stellen Politiker aller Farben und die Kanzlerin zu Recht fest. Aber war es
       klug von der Polizeiführung, die „Welcome to hell“-Demo in einem Engpass
       von der Straße zu fegen, so dass Dutzende durch eine gefährliche
       Kletterpartie auf eine Böschung auswichen? Warum entziehen die Behörden
       Journalisten die Gipfelakkreditierung? Stimmt es, dass ein Polizist einen
       Grünen tritt, nachdem dieser seinen Pressepass vorzeigt? Das sind
       berechtigte Fragen, die Antworten verdienen.
       
       Die politische Verantwortung für die Organisation in Hamburg tragen viele –
       das CDU-geführte Kanzleramt ebenso wie der SPD-Bürgermeister Olaf Scholz.
       Für Schuldzuweisungen ist es zu früh. Spahn, Kauder und Lambsdorff haben
       alles Recht der Welt, die Gewalt der Randalierer zu verdammen. Aber die
       Schuld bei der politischen Konkurrenz abzuladen, die stets zu friedlichen
       Demos aufrief, ist allzu billig.
       
       Bei der Aufarbeitung sollten die Beteiligten Mut zur Komplexität beweisen.
       Differenzierung ist in aufgeheizten Situationen nötiger denn je. Man kann
       Gewalt verurteilen, Polizisten loben – und einzelne Polizeiaktionen
       skeptisch hinterfragen. Alles gleichzeitig.
       
       8 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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