# taz.de -- Griechische Ministerin über Finanzpolitik: „Reiche müssen jetzt Steuern zahlen“
       
       > Die griechische Arbeitsministerin Effi Achtsioglou lobt die Arbeit ihrer
       > Regierung gegen Schwarzarbeit und Steuerflucht. Sparprogramme hätten aber
       > keinen Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Arme Reiche in Griechenland: Statt vier Jachten nur nur noch drei?
       
       taz: Frau Achtsioglou, die griechische Wirtschaft wächst, die Steuern
       sprudeln. Die Eurogruppe sieht sich bestätigt, dass die Sparprogramme
       funktioniert haben. Wie sehen Sie das? 
       
       Effi Achtsioglou: Es stimmt, dass die griechische Wirtschaft 2017 um etwa 2
       Prozent wachsen wird. Durch die steigenden Steuereinnahmen haben wir
       Primärüberschüsse im Staatshaushalt, die sogar noch größer sind als von der
       Eurogruppe verlangt. Daher können wir einmalig eine „Sozialdividende“ von
       etwa 1,4 Milliarden Euro an die ärmsten Haushalte ausschütten, indem wir
       etwa sehr kleine Renten aufstocken. Aber es gibt immer noch viel Elend, und
       die Ungleichheit wurde durch die Kürzungen noch größer. Wir können nicht
       akzeptieren, dass die Sparprogramme jetzt als Erfolg gelten sollen.
       
       Viele Deutsche haben den Eindruck, dass die Griechen ihren Staat immer noch
       nicht reformieren. Millionen von Touristen erleben vor Ort, dass
       griechische Hotels oder Restaurants keine Rechnungen ausstellen. 
       
       Der Schwarzmarkt ist ein immenses Problem, aber er wird kleiner – durch
       unsere Gegenmaßnahmen. Nicht deklarierte Arbeit ist von 19 auf 13 Prozent
       zurück gegangen, weil wir unsere Arbeitsinspektion aufgestockt und ein
       neues Computersystem eingeführt haben. Außerdem bekämpfen wir die
       Steuerflucht.
       
       Trotzdem zeigt sich in den Statistiken eine riesige Lücke: 2016 stieg die
       Zahl der Fluggäste um 8,57 Prozent, wie das griechische Statistikamt
       meldet. Aber gleichzeitig sank der Umsatz im Tourismus um 6,4 Prozent. Wie
       ist das möglich? 
       
       Steuerhinterziehung war ein Kernproblem der griechischen Wirtschaft. Die
       vorigen Regierungen taten nichts, um die Steuerflucht einzudämmen. Wir sind
       entschlossen, damit aufzuräumen. 2017 haben wir während der Tourismussaison
       etwa 30.000 Gewerbe überprüft. Per Rundschreiben wurde angeordnet, dass
       jeder Betrieb für 48 Stunden geschlossen wird, wenn er dabei erwischt wird,
       keine Rechnungen auszustellen.
       
       Aber die Lücke bleibt: Im Juli 2017, zum Beispiel, nahm die Zahl der
       ausländischen Touristen um 10,2 Prozent zu – aber die Tourismusumsätze
       stiegen nur um 5,3 Prozent. 
       
       Veränderungen dauern immer lange. In diesem Jahr haben wir eine neue
       Software eingeführt, die Bankguthaben mit den Steuererklärungen abgleichen
       kann. Als Ergebnis wurden bis Mitte November 6 Milliarden Euro an
       unversteuerten Einkünften bei den Finanzbehörden nachgemeldet. Dieses Geld
       stammte fast ausschließlich von reichen oder sogar sehr reichen
       Steuerzahlern. Auch künftig werden sie jetzt ihre Einkünfte versteuern
       müssen, was sie bisher nicht getan haben.
       
       Traditionell war die Ungleichheit in Griechenland immer sehr hoch. Ändert
       sich dies nun? 
       
       Die Reichen müssen jetzt Steuern zahlen. Doch die Gesellschaft kann nur
       gerechter werden, wenn die Arbeitnehmer nicht ausgebeutet werden. Wir
       müssen die Tarifautonomie wieder einführen, die von unseren Vorgängern
       abgeschafft wurde. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und die
       Meistbegünstigungsklausel werden ab August 2018 wieder gelten.
       
       Wenn Ihre Regierung so entschieden auf Reformen setzt: Warum muss sich der
       ehemalige Statistikchef Andreas Georgiou seit Jahren vor Gericht
       verantworten? Sein einziges „Verbrechen“ war, dass er 2010 erstmals die
       richten Zahlen über das griechische Haushaltsdefizit an die europäische
       Statistikbehörde geliefert hat. Alle seine Vorgänger hatten die Zahlen
       geschönt und verfälscht. 
       
       Unsere Justiz ist unabhängig, wie es sich für einen demokratischen Staat
       gehört.
       
       Aber in jedem anderen Euroland hätten die Gerichte die Anschuldigungen als
       unbegründet zurückgewiesen. Da drängt sich doch der Eindruck auf, dass
       Griechenland seine Statistiken immer noch schönen will. 
       
       Sie können sicher sein, dass alle unsere Zahlen jetzt zutreffend sind. Aber
       es ist das Kernelement eines Rechtsstaates, dass eine Regierung sich nicht
       in die Arbeit der Justiz einmischt.
       
       Im August 2018 läuft das dritte Rettungspaket aus, und Griechenland muss
       seine Kredite künftig an den Finanzmärkten aufnehmen. Wird das klappen? 
       
       Ja. Die Zinsen für unsere Kredite sinken, und wir haben auch Rücklagen
       gebildet, um Turbulenzen zu überstehen. Trotzdem brauchen wir weitere
       Schuldenerleichterungen. Die Eurogruppe hat dies auch zugesagt, aber die
       Details stehen noch nicht fest.
       
       Im Augenblick ist die Eurozone aber gelähmt, weil Deutschland keine neue
       Regierung hat. Was wäre Ihr Wunschkabinett? 
       
       Der Aufstieg der AfD zeigt, dass Armut und Ungleichheit Themen sind, die
       alle europäischen Staaten betreffen. Ein „soziales Europa“ sollte mehr sein
       als der Titel des EU-Gipfels in Göteborg in der vergangenen Woche. Eine
       starke deutsche Regierung, die die soziale Dimension ernst nimmt, ist sehr
       wichtig für Europa als Ganzes. Daher könnte sich eine mögliche Beteiligung
       der SPD im neuen Kabinett als entscheidend erweisen – falls die
       Sozialdemokraten die Chance auch ergreifen, die Agenda zu verändern.
       
       3 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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