# taz.de -- Linksparteitag in Leipzig: Warten auf den Donner
       
       > Partei- und Fraktionsspitze der Linken tragen ihre Konflikte auf dem
       > Parteitag aus. Dabei geht es auch um die Frage nach „offenen Grenzen“.
       
 (IMG) Bild: Fahnen hoch zum Auftakt des Parteitags
       
       LEIPZIG taz | Als [1][reinigendes Gewitter] hatte Linken-Parteichefin Katja
       Kipping die aus dem Ruder gelaufene [2][Fraktionsklausur im Herbst]
       bezeichnet, auf der sich Partei- und Fraktionsführung einen öffentlichen
       Machtkampf geliefert hatten. Gewitter sagen die MeteorologInnen auch in
       Leipzig voraus, wo am Freitag der Parteitag der Linkspartei begonnen hat.
       Die Frage ist, wen diesmal der Blitz treffen könnte.
       
       Der ungelöste Konflikt zwischen den beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping
       und Bernd Riexinger einerseits und den FraktionschefInnen Sahra Wagenknecht
       und Dietmar Bartsch andererseits wird sich am Samstag in einer Reihe von
       Personalentscheidungen entladen. Denn auf der Tagesordnung stehen vor allem
       Wahlen. Die beiden Parteivorsitzenden Riexinger und Kipping stellen sich
       zur Wiederwahl, zum vierten und laut Satzung möglicherweise letzten Mal.
       
       Der [3][Streit zwischen der Partei- und Fraktionsspitze] basiert
       prinzipiell auf einer eher geografischen Frage: global oder national.
       Kämpft die Linke innerhalb einer globalisierten Welt prinzipiell für alle
       Menschen oder beschränkt sie ihren Radius vor allem auf den Nationalstaat
       und setzt sich für die hier beheimateten BürgerInnen ein. Für letzteres
       plädieren Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und ihr Mann Oskar
       Lafontaine, die immer wieder fordern, dass die Linke umsteuern und etwa
       ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik und im Umgang mit AfD-WählerInnen
       ändern muss.
       
       Kipping und Co. werben weiterhin für den im Grundsatzprogramm verankerten
       Slogan „offene Grenzen“. Der Passus taucht im Leitantrag „Partei in
       Bewegung“ auf, der am Samstag zur Abstimmung steht.
       
       ## Emotionale Rede für „offene Grenzen“
       
       Riexinger warb in einer ungewöhnlich emotionalen Rede am Freitagabend für
       diesen Kurs. „Die Linke verliert Herz und ihre Seele, wenn wir uns nur auf
       nationalstaatliche Verteilungskämpfe beschränken,“ rief Riexinger den rund
       500 Delegierten zu. Etwa zwei Drittel des Saales stimmte ihm am Ende mit
       Standing Ovations zu. Selbst Sahra Wagenknecht erhob sich, nachdem sie von
       Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch zuvor sanft am Arm gezupft worden war.
       
       In der anschließenden Generaldebatte schlug sich die Mehrheit der
       RednerInnen in der Flüchtlingsfrage auf die Seite des Parteivorsitzenden.
       Berlins Kultursenator Klaus Lederer teilte scharf aus: Wer meine, eine
       nationale Arbeiterklasse abgrenzen zu müssen von einer migrantischen oder
       queeren, der betreibe Sektiererei. Er schien einen Nerv getroffen zu haben,
       dem Applaus nach zu schließen.
       
       Andere RednerInnen kritisierten die Art des Umgangs mit Fraktionschefin
       Wagenknecht oder verurteilten generell die personalisierte
       Auseinandersetzung. Die nordrhein-westfälische Landessprecherin Özlem Alev
       Demirel erinnerte ihre Partei daran, dass man sich schon fragen müsse,
       warum man es nicht schaffe, in Umfragen nennenswert zuzulegen. Die Partei
       liegt derzeit bei zehn bis elf Prozent.
       
       Welchem Kurs und welchem Stil die Parteibasis tatsächlich folgen wird, wird
       sich in den Abstimmungen über den Leitantrag zeigen und in den Wahlen zum
       Parteivorstand, die sich über den Samstag ziehen.
       
       ## Den Unzufriedenen bleibt nur das „Nein“
       
       Kipping und Riexinger treten ohne GegenkandidatInnen an – deshalb werden
       sich die Unzufriedenheit mit der Parteiführung und der Grad der Zustimmung
       zu Sahra Wagenknecht in den Nein-Stimmen bei ihrer Wahl äußern. Dass
       Kipping und Riexinger durchfallen, gilt als unwahrscheinlich. Neun
       Landesvorsitzende, darunter Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und
       Mecklenburg-Vorpommern, haben zwei Tage vor dem Parteitag einen Wahlaufruf
       für Kipping und Riexinger veröffentlicht.
       
       Zudem wird die Kritik innerhalb der Reformerströmung „Forum Demokratischer
       Sozialismus“ (FDS) an der Stillhaltepolitik des Fraktionsvorsitzenden
       Dietmar Bartsch gegenüber den „bewussten Regelverletzungen“ von Wagenknecht
       lauter. Er kulminierte am späten Donnerstagabend im [4][Austritt von vier
       führenden LandespolitikerInnen] aus dem Zusammenschluss.
       
       Die Stimmung auf dem Treffen der FDS-Delegierten am Freitag vor dem
       Parteitag war entsprechend geknickt, Frontmann Dietmar Bartsch musste sich
       einiges an Kritik anhören.
       
       Auch die [5][Wahl des Bundesgeschäftsführers] an diesem Samstag spielt
       erneut vor der Folie „Kipping versus Wagenknecht.“ Für dieses strategisch
       wichtige Parteiamt – die BundesgeschäftsführerIn organisiert
       Kommunikationsstrategien und Wahlen – kandidieren sowohl der
       sachsen-anhaltinische Linken-Politiker Jörg Schindler und der ehemalige
       Thüringer Bundestagsabgeordnete Frank Tempel. Die Parteiführung unterstützt
       Schindler, Tempel dagegen soll auf Drängen Bartschs ins Rennen gegangen
       sein.
       
       ## Zahl der StellvertreterInnenposten soll erhöht werden
       
       Für die Wahl der StellvertreterIn gibt es ebenfalls mehr KandidatInnen als
       Plätze. Die Parteiführung hat jedoch, um die Wogen zu glätten, einen Kniff
       vorgeschlagen: Die Zahl der StellvertreterInnenposten soll von vier auf
       sechs erhöht werden. Dann kämen alle KandidatInnen unter. Fraglich ist, ob
       die Basis mitgeht. Sie muss erst noch darüber abstimmen.
       
       Was jedoch in vielen Gesprächen zu spüren ist, ist das Bedürfnis, dass die
       da oben sich wieder vertragen. Und die Sorge, dass das nicht gelingt. Der
       Linken stehen in diesem und im nächsten Jahr wichtige und schwierige Wahlen
       bevor. Ein Bruch Wagenknechts mit der Partei oder gar eine Spaltung wären
       fatale Signale nach außen.
       
       9 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
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