# taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
       
       > Ryanairs Prinzip heißt ohne schicke Dienstkleidung „Zwangsprostitution“.
       > Das Gute an der Causa Özil: Wir sprechen über das „Doppelherz“.
       
 (IMG) Bild: Bei Arbeitnehmerrechten und Tariflohn streikt Ryanair seit deren Gründung
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Der türkische Präsident Erdoğan [1][droht
       Staatsbesuch in Berlin für diesen Herbst an.]
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Bankett beim Bundespräsidenten, Deniz Yücel sitzt neben Erdoğan.
       
       Seit Mai prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Tausende
       Asylbescheide aus Bremen. [2][Doch bisher wurden nur 17 Entscheidungen
       gekippt.] Wo ist denn nun dieser Skandal, von dem alle sprachen? 
       
       Im Stau vorm Verwaltungsgericht. Dort werden 44 Prozent der ablehnenden
       Asylentscheidungen des Bamf kassiert. Vergleicht man es mit einem ernsten
       Thema – also nicht Menschen, sondern zum Beispiel Autos: Würde der TÜV 44
       Prozent der Fahrzeuge zu Unrecht stilllegen, hätten wir offenen
       Bürgerkrieg. Diese Faktenlage spricht dafür, dass das Bamf deutlich „zu
       streng“ urteilt – die Bremer Causa setzte medial die Paranoia „zu lasch“
       dagegen. Noch ist es allerdings deutlich zu früh, wirklich verlässlich zu
       urteilen – 18.000 Bremer Fälle sollen überprüft werden und „im hohen
       dreistelligen Bereich“ wurde bisher gecheckt – deshalb sagt die Zahl der
       beanstandeten Entscheidungen bisher noch sehr wenig aus. Am Ende jedoch
       könnte Bremen für Flüchtlinge das Motto seiner Stadtmusikanten strahlend
       poliert haben: „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.“
       
       [3][Beim Ryanair-Streik] sprechen Gewerkschaften von einer sehr hohen
       Beteiligung. Ryanair drohte indes seinen Beschäftigten mit einer
       Verlagerung in Niedriglohnländer. Wie sollen wir Konsumenten uns verhalten? 
       
       Bei Arbeitnehmerrechten und Tariflohn streikt Ryanair seit deren Gründung.
       Deshalb taugt es zum Musterfall: global handelnde Unternehmen gegen
       national organisierte Gewerkschaften. Ryanair heuert sein Kabinenpersonal
       bevorzugt in süd- und osteuropäischen Ländern an und lässt sie dann die
       „Kosten ihrer Ausbildung“ abarbeiten – ein Prinzip, das ohne schicke
       Dienstbekleidung „Zwangsprostitution“ heißt.
       
       Auf einem Zweistundenflug nach Irland zählte ich mal 22 Verrichtungen –
       Fluggäste zählen, Ramsch verkaufen, Rubbellose, Beauty free, Kotztüten,
       Broschüren – ein Akt zivilen Luftungehorsams für Passagiere könnte sein,
       tatsächlich reichlich Sandwiches zu kaufen und sie der verkaufenden
       Stewardess gleich zurückzuschenken: die müssen nämlich für die Verpflegung
       an Bord auch bezahlen bei Ryanair.
       
       Im transatlantischen Handelsstreit haben [4][US-Präsident Donald Trump und
       EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker] am Mittwoch nach eigenen
       Worten eine Einigung erzielt. Ihre Worte dazu? 
       
       Juncker will sehr viele US-Sojabohnen mit US-Flüssiggas zubereiten, wofür
       es ein Küsschen von Trump gab. Vielleicht haben sie auch Pokemon gespielt
       („Kuschelattacke“) oder Juncker hat eine dritte Strategie gefunden. Neben
       langweiligen Sachargumenten (Merkel) und enthemmtem Pathos (Macron)
       beschreibt der kleinste größte Europäer, Trump mit US-Zahlen, Beständigkeit
       und Kompromissen ins Verhandeln gelockt zu haben. Bei Trump ist die
       surrealste Version die wahrscheinlichste.
       
       Der ehemalige Nationalspieler Cacau, Integrationsbeauftragter der Deutschen
       Fußball-Bundes, hat auf die Frage, ob im Zuge der Affäre um Mesut Özil ein
       Rücktritt von DFB-Präsident Reinhard Grindel hilfreich wäre, gesagt:
       [5][„Das ist im Moment schwer zu sagen, weil die Diskussion dann doch sehr
       emotional ist.“] Was sagen Sie? 
       
       Was hätte Erdoğans Pressestab anders formuliert an Özils Abschiedstweet?
       Womöglich: wenig, und damit guten Abend. Özil beruft sich auf die Werte
       seiner Mutter, die offenbar gerade Urlaub hatte, als er mit Offshore-Firmen
       Steuern hinterzog. Mercedes war kein böser Abgasbetrüger, solang es Özil
       für Werbekampagnen bezahlte. Und Grindel – okay, er hätte Erdoğans
       Posterboys feuern können, dann hätte er der „Mannschaft“ geschadet und
       türkenfeindlich gehandelt. Oder er hätte sich vor sie stellen können – und
       sich damit zum Erdoğanbüttel gemacht.
       
       Cacau hat recht, hier werden sportlicher Misserfolg, menschliche
       Enttäuschung und politische Intrige heillos vermischt. Das Gute an der
       Causa: Wir reden nicht mehr über einen technischen Terminus „Doppelpass“,
       sondern über das Phänomen „Doppelherz“, und wir Biodeutschen müssen gucken,
       ob unser Herz groß genug ist für Leute mit zwei Herzen.
       
       SPD-Bundesvize Ralf Stegner hat von seiner Partei wieder [6][eine direktere
       Ansprache der Menschen gefordert.] Die klare Sprache dürfe nicht den
       Rechtspopulisten überlassen werden. Was meint Stegner wohl damit? 
       
       Nüchtern: dass die SPD keine direkte Ansprache, keine Hau-drauf-Sätze und
       Schwarzweiß-Themen gefunden hat. Stegner lobt das Eifelkind Nahles als
       „vulkanisch“, spottet über die „Operettenpolitik“ der Union und teufelt,
       die Union „hätte auch Jesus abgeschoben“. Dann blickt er sich um und
       staunt, dass hinter ihm keine hundertausendköpfige Marschsäule steht,
       sondern ein paar Veteranen vom SPD-Ortsverein. Rente, Arbeitsmarkt, Kita –
       die SPD-Themen wurden nicht zugespitzt, und das lag, bittere Wahrheit,
       daran: Die Sozis sind unter dem neuerlichen kropfigen „Asylstreit“
       weggetaucht aus Angst vor Umfragezahlen, die ihre Wähler ungefähr bei Horst
       Seehofer sehen in diesem Punkt. Zu Helmut Schmidts Zeiten grollte man über
       die ewig rechte Law-and-Order-SPD. Veggie-Sozis wiegen die Hälfte.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Von den 28 Mann im Kader zur neuen Saison kenn ich so ungefähr 10. Das
       liegt knapp unter meinen Vokabelwerten beim Latinum. Fragen: AW
       
       29 Jul 2018
       
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 (DIR) [5] https://www.tagesschau.de/inland/cacau-oezil-dfb-101.html
 (DIR) [6] https://www.welt.de/regionales/hamburg/article179918674/Stegner-fordert-klarere-Kommunikation-der-SPD.html
       
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