# taz.de -- Städtepartnerschaft Berlin-Windhuk: „Keine offiziellen Aktivitäten mehr“
       
       > Die Partnerschaft mit Namibias Hauptstadt existiert nur auf dem Papier,
       > sagt der Grüne Sebastian Walter. Dabei wäre sie wichtig zur Aufarbeitung
       > der Kolonialgeschichte.
       
 (IMG) Bild: Keine deutschen Straßennamen mehr: Windhuk will sich von den Überbleibseln der deutschen Unterdrückerherrschaft befreien, hieß es im Juni dieses Jahres.
       
       taz: Herr Walter, seit dem Jahr 2000 hat Berlin eine Städtepartnerschaft
       mit Windhuk, der Hauptstadt Namibias. Sie haben beim Senat nachgefragt, was
       in dem Rahmen so passiert. Und? 
       
       Sebastian Walter: Das Thema „koloniale Aufarbeitung“ ist ja für die
       Koalition ein sehr wichtiges. Wir haben daher auch vereinbart, dass uns
       diese Städtepartnerschaft im Hinblick auf die gemeinsame koloniale
       Vergangenheit und die historische Aufarbeitung von ganz besonderer
       Bedeutung ist. Leider ist aber festzustellen, dass seit 2012 in diesem
       Bereich keine offiziellen Aktivitäten mehr passiert sind.
       
       Was ist denn da normalerweise üblich? 
       
       Im Rahmen solcher Städtepartnerschaften gibt es ja zum Beispiel
       Delegationsbesuche, einen offiziellen Austausch, verschiedene Programme,
       beispielsweise Schulpartnerschaften, Schüleraustausche und so weiter – in
       allen gesellschaftlichen Bereichen. Aber die müssen offiziell angestoßen
       und vermittelt werden. Und da muss man sagen, dass diese
       Städtepartnerschaft eingeschlafen ist.
       
       Das hat sich unter Rot-Rot-Grün nicht geändert? 
       
       Leider stellt sich das so dar, dass die Senatskanzlei des Regierenden
       Bürgermeisters, die dafür zuständig ist, zwar viel Offenheit zeigt für die
       Zukunft. Aber die letzten zwei Jahre wurden nicht genutzt, um die
       Städtepartnerschaft im Geiste dieser historischen Verantwortung Berlins
       wiederzubeleben und vor allem weiterzuentwickeln.
       
       Man könnte ja meinen, dass Städtepartnerschaften ohnehin eher vom
       zivilgesellschaftlichen Engagement leben. Ist denn da etwas passiert? 
       
       Es gibt ein paar zivilgesellschaftliche Organisationen, die in der Sache
       unterwegs sind. Zum Teil stellt sich aber die Frage, ob sie wirklich auf
       Augenhöhe arbeiten. Ich will nichts schlecht reden, aber wir haben zum
       Beispiel die Antwort bekommen, dass sich eine Stiftung gegen das Aussterben
       von „Buschleuten“ engagiere. Eigenbezeichnung oder nicht – da fragt man
       sich schon, ob das die Zusammenarbeit ist, die man sich wünscht in Sinne
       dekolonialer Perspektiven.
       
       Sie meinen, weil man „Buschleute“ heute nicht mehr sagt? 
       
       Die Frage ist doch, was für Selbst- und Fremdbilder wir im Kontext der
       Städtepartnerschaft bisher produziert haben. Wenn die wenigen Maßnahmen,
       die es gibt, mehrheitlich exotisierende Menschendarstellungen befördern und
       dem Kampf gegen Aids gewidmet sind, ist das gelinde gesagt problematisch.
       Damit leisten wir einem Afrikabild Vorschub, dass von Elend, Krankheit und
       Rückständigkeit gezeichnet ist. Eine Städtepartnerschaft sollte aber
       idealerweise den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch fördern und
       Begegnungen auf Augenhöhe schaffen – und im Falle von Windhuk natürlich
       besonders die geteilte Kolonialgeschichte multiperspektivisch erinnern und
       aufarbeiten. Das geschieht, Stand heute, nicht.
       
       Es ist ja für Städte nicht einfach, dieses Riesen-Thema Kolonialismus
       aufzuarbeiten. Was könnte denn Berlin hier überhaupt machen? 
       
       Es gab ja im Sommer den [1][Besuch einer Delegation aus Namibia, bei dem
       sich der Senat zum ersten Mal offiziell entschuldigt hat] für den
       Völkermord an den Herero und Nama.
       
       Sie meinen die Delegation, die zur Rückgabe von Gebeinen gekommen war und
       bei der sich Justizsenator Dirk Behrendt für den Völkermord an den Herero
       und Nama entschuldigt hat – im Gegensatz zur Bundesregierung? 
       
       Genau. Das war ein wichtiges Zeichen, aber das muss jetzt weitergehen. Wir
       Grüne fordern schon lange ein gesamtstädtisches Erinnerungskonzept und sind
       da gerade in der Abstimmung mit den Koalitionspartnern. Was die
       Städtepartnerschaft angeht, wäre unser Wunsch, dass das 20-jährige Jubiläum
       im Jahr 2020 genutzt wird, einen richtigen Aufschlag zu machen, und sich
       mit Windhuk auszutauschen, welche gemeinsamen Projekte man mit Bezug auf
       die Kolonialzeit und die Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit angehen
       kann. Zum Beispiel, was Fragen der Restitution von kulturellen Gütern und
       Gebeinen angeht, die noch in hiesigen Museen und Archiven vorhanden sind.
       All das könnte im Rahmen einer Städtepartnerschaft sehr fruchtbar behandelt
       werden.
       
       Was beinhaltet das geplante gesamtstädtische Erinnerungskonzept? 
       
       Es haben sich ja schon einzelne Bezirke und Museen auf den Weg gemacht,
       sich mit ihrer Geschichte zu befassen. Denken Sie etwa an den [2][Beschluss
       von Mitte zur Umbenennung von Straßennamen im Afrikanischen Viertel.] Aber
       es gibt keine übergreifende Idee, wie sich Berlin im Ganzen mit seiner
       kolonialen Vergangenheit auseinandersetzt. Dazu gehört, dass man sich die
       Sammlungen in Museen anguckt. Aber wir wollen auch, das den SchülerInnen
       das Thema deutscher Kolonialismus mehr im Unterricht vermittelt wird. Und
       wir brauchen endlich mit dem Bund ein Denkmal, was schon sehr lange von der
       Zivilgesellschaft eingefordert wird. Wichtig bei all dem ist, dass Berlin
       das nicht allein macht, sondern gemeinsam mit den vielen Initiativen, die
       sich damit schon lange befassen.
       
       Sie meinen hiesige Gruppen wie Berlin Postkolonial? 
       
       Auch. Aber zivilgesellschaftliche VertreterInnen aus den ehemaligen
       Kolonien sollen ebenfalls einbezogen werden. Damit wir nicht den Fehler
       wiederholen, über Menschen zu sprechen, sondern die Themen gemeinsam
       bearbeiten. Im Kleinen scheitert das ja oft schon daran, dass Menschen aus
       Namibia nicht hier einreisen können, um in den Museen die Sachen ihrer
       Vorfahren anzusehen. Da kann man vieles vereinfachen, viel mehr kooperieren
       und besser zusammen arbeiten. Und dann auch über Restitution sprechen.
       
       Zurück zur Städtepartnerschaft: Wissen Sie, was die Windhuker davon halten?
       Ist denen das Ganze nicht vielleicht schnuppe? 
       
       Ich weiß es nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass sie mit dem
       aktuellen Zustand zufrieden sind. Aber das wäre der nächste Schritt: dass
       die Senatskanzlei mal fragen müsste, was der Bedarf von Windhuk ist und wie
       die Städtepartnerschaft gemeinsam mit Leben gefüllt werden kann.
       
       23 Nov 2018
       
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