# taz.de -- Gewalt gegen Frauen: Europa hat die Schnauze voll
       
       > Tausende Menschen protestierten in ganz Europa gegen Gewalt gegen Frauen.
       > Doch in den einzelnen Staaten tut sich offenbar nur wenig.
       
 (IMG) Bild: Nie mehr Gewalt gegen Frauen: Demonstrant*innen in Málaga, Spanien, machen ihrem Ärger Luft
       
       BERLIN taz | Zu Tausenden sind sie am Wochenende auf die Straße gegangen.
       In Rom, Paris, in Genf, Athen oder Madrid protestierten vor allem Frauen
       gegen Gewalt und sexuelle Belästigung. Die Französ*innen demonstrierten
       mehr oder minder zeitgleich [1][mit den „gilets jaunes“], den „gelben
       Westen“, die ihre Stimme gegen die Steuerreform des französischen
       Präsidenten Emmanuel Macron erheben, gegen die hohen Spritpreise und
       soziale Ungerechtigkeit.
       
       Während die „gelben Westen“ auf [2][wenig Verständnis bei Macron] stießen,
       sagte der französische Präsident den vorwiegend weiblichen
       Demonstrant*innen seine Unterstützung zu. Jede*r müsse gegen Gewalt gegen
       Frauen kämpfen, [3][erklärte Macron über Twitter] anlässlich des
       Internationalen Tags zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das Thema gehe
       jede*n an.
       
       Die [4][#NousToutes-Bewegung] brachte rund 30.000 Menschen in Frankreich
       auf die Straße. Mit Sprüchen wie „Schnauze voll von Vergewaltigung“,
       „Schluss mit der Straflosigkeit für Angreifer“ und „eine Frau ist niemals
       selbst Schuld an der Gewalt gegen sie“ machen sie ihrer Wut Luft. Nach
       Angaben der Regierung ist die Zahl angezeigter sexueller Übergriffe in
       Frankreich innerhalb eines Jahres um rund ein Viertel gestiegen. Insgesamt
       wurden 225.000 Fälle von Gewalt gegen Frauen offiziell gezählt.
       
       Die französische Regierung hat zugesagt, sich mehr zu engagieren. Am
       Dienstag soll ein neues Online-Portal starten, über das sexuelle Gewalt und
       sexistische Übergriffe gemeldet werden können. D[5][ie digitale Plattform]
       unterstützt Opfer oder Zeug*innen und vermittelt ihnen einen Kontakt zu
       speziell geschulten Polizist*innen.
       
       ## Frauenrechtsaktivist*innen fordern mehr Unterstützung
       
       Frankreichs Premierminister Edouard Philippe lobte das Angebot als
       Meilenstein, um Gewalt an Frauen auszumerzen. Sie könne dabei helfen,
       Schlimmeres künftig zu verhindern, schrieb Philippe auf Facebook.
       Allerdings haben Frauenrechtsaktivist*innen bereits gekontert, dass eine
       Online-Plattform allein nicht ausreicht, um das Thema in den Griff zu
       bekommen und Frauen besser zu schützen.
       
       Für Prävention und Hilfsprogramme müsse die Regierung mehr Geld bereit
       stellen. Präsident Macron hatte Geschlechtergerechtigkeit und mehr
       Unterstützung für Frauen ausdrücklich als Ziele seiner Präsidentschaft
       deklariert.
       
       Auch in Italien formiert sich neuer Widerstand gegen sexuelle Gewalt. Unter
       dem Hashtag [6][#nonenormalechesianormale] (es ist nicht normal, dass es
       normal ist) bekunden etliche Italiener*innen ihren Unmut und ihre Wut. Das
       Erkennungszeichen der Unterstützer*innen: ein roter Strich unter dem Auge.
       Tausende haben bereits ein Selbstportrait über Twitter veröffentlicht. Der
       Protest erreichte bereits höchste politische Reihen.
       
       Einer der prominentesten Unterstützer*innen ist EU-Parlamentspräsident
       Antonio Tajani. Beim Brexit-Gipfel in Brüssel an diesem Wochenende hat er
       sich mit Lippenstift einen roten Halbkreis unter das linke Auge gemalt –
       und trat so vor die Presse. Als ein Journalist nachfragte, erklärte Tajani
       er unterstütze die italienische Kampagne gegen Gewalt an Frauen. Dies sei
       eine der schlimmsten Taten, die ein Mann begehen könne, sagte Tajani. Kein
       menschliches Wesen sei einem anderen überlegen oder unterlegen.
       
       ## Ein roter Strich unter dem Auge als Erkennungszeichen
       
       Das habe ihn seine Mutter gelehrt und das bringe er auch seinen Kindern
       bei. Zu den bekanntesten Figuren der Kampagne gehört Mara Carfagna. Sie war
       im Kabinett von Silvio Berlusconi Ministerin für Gleichstellung. Während in
       den europäischen Großstädten die Demonstrant*innen meist unbehelligt auf
       die Straße gehen konnten, wurde in Istanbul ein Protestmarsch mit Tränengas
       gestoppt. Etwa tausend Menschen hatten sich im Zentrum der türkischen
       Metropole versammelt.
       
       „Wir werden nicht schweigen, wir haben keine Angst, wir werden nicht
       gehorchen“, riefen die Demonstrant*innen. Dann wurden sie von
       Polizist*innen auseinandergetrieben. Auch in den Kurdengebieten im Norden
       Syriens protestieren hunderte Frauen am Sonntag gegen sexuelle Gewalt. Die
       Demonstrant*innen in Kamischli hielten Schilder mit der Aufschrift
       „Kinderehen sind ein Verbrechen“ und Fotos von Gewaltopfern in die Höhe.
       
       26 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gelbwesten-Proteste-in-Frankreich/!5552816
 (DIR) [2] /Gewaltsame-Ausschreitungen-in-Paris/!5552862
 (DIR) [3] https://twitter.com/EmmanuelMacron/status/1066403238935781378
 (DIR) [4] https://www.noustoutes.org/
 (DIR) [5] http://www.service-public.fr
 (DIR) [6] https://twitter.com/hashtag/nonenormalechesianormale
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
       ## TAGS
       
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