# taz.de -- Migrationspakt und die Folgen: Das wird sich wirklich ändern
       
       > Am Montag wollen 180 Staaten den UN-Migrationspakt verabschieden. Die taz
       > hat mit Menschen gesprochen, die einzelne Ziele des Pakts in der Praxis
       > umsetzen müssten.
       
 (IMG) Bild: Der UN-Migrationspakt wird für die 180 Staaten nicht rechtlich bindend sein
       
       Rund 180 Staaten, darunter Deutschland, wollen am Montag bei einer
       Konferenz in Marrakesch in Marokko den [1][„Globalen Pakt für eine sichere,
       geordnete und reguläre Migration“] verabschieden. Seine Regelungen sollen
       vor allem die Lebensbedingungen von ArbeitsmigrantInnen verbessern. Deren
       Zahl schätzt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) laut einer am
       vergangenen Freitag veröffentlichten Studie auf derzeit 164 Millionen
       Menschen – ein Anstieg um fast zehn Prozent gegenüber 2013. [2][Vor zwei
       Wochen hat die taz den Vertragstext dokumentiert und ExpertInnen um eine
       Erläuterung gebeten].
       
       Jetzt haben unsere KorrespondentInnen mit Menschen gesprochen, die die
       konkreten Ziele des Paktes in der Praxis umsetzen müssten. Wir wollten von
       ihnen wissen, was der Pakt für sie ändern würde, ob sie die vorgeschlagenen
       Reformen für sinnvoll halten – oder ob die vorgesehen Regelungen längst
       umgesetzt sind.
       
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       Hier eine kurze Inhaltsübersicht mit Links, die Sie direkt zu dem
       jeweiligen Text bringen:
       
       Weniger öffentliches Geld für diskriminierende Medien – Migrationspakt,
       Ziel 17: In Teilen Skandinaviens gibt es eine öffentliche Presseförderung.
       Die Idee, diese an die Art der Berichterstattung zu knüpfen, stößt bei der
       norwegischen JournalistInnengewerkschaft nicht auf Zustimmung. [3][Zum Text
       „Problematische Formulierungen“].
       
       Billigere Rücküberweisungen – Migrationspakt, Ziel 20: Derzeit werden bei
       Bargeldsendungen aus Deutschland nach Afrika mit Western Union etwa 10
       Prozent Gebühren fällig. Eine globale Deckelung dieser Kosten lehnt der
       Marktführer ab – viele andere Aspekte des Paktes aber kommen ihm äußerst
       gelegen. [4][Zum Text „Western Union freut sich“].
       
       Rentenansprüche mitnehmen – Migrationspakt Ziel 22: Lisa Simons ist
       Sprecherin der niederländischen Sociale Verzekeringsbank (SVB) und unter
       anderem zuständig für Auszahlung der staatlichen Rente. Der Migrationspakt
       sieht bilaterale, regionale oder multilaterale Verträge vor, damit
       ArbeitsmigrantInnen Zugang zu Sozialschutz haben. Die Niederlanden haben
       solche Verträge jedoch schon längst. [5][Zum Text „Wir haben ohnehin schon
       Verträge“].
       
       Qualifikationen anerkennen – Migrationspakt Ziel 18: 140.000 Menschen aus
       Nicht-EU-Staaten leben in Irland. Viele haben praktische Berufserfahrungen,
       können diese aber auf dem Arbeitsmarkt nicht nutzen. Deshalb stellen
       Arbeitgeber lieber Einheimische ein, sagt Patrick Bamming von der
       German-Irish Chamber of Industry and Commerce. [6][Zum Interview „Der
       Migrant aus Nigeria muss bei Null anfangen“].
       
       Brain Drain vermeiden – Migrationspakt, Ziel 2: Aus keinem Nicht-EU-Staat
       kamen 2017 mehr ArbeitsmigrantInnen nach Deutschland als aus
       Bosnien-Herzegowina – insgesamt waren es 7.504 Menschen. Für das Land ist
       die massenhafte Abwanderung nach Westeuropa längst ein großes Problem. Der
       Migrationspakt sieht Maßnahmen gegen solche Entwicklungen vor – die im Fall
       Bosniens dringend notwendig sein dürften. [7][Zum Text „Bleibt nur der Weg
       nach Norden“].
       
       Einleitung & Inhalt: Christian Jakob. Umsetzung: Juliane Fiegler. 
       
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       ## Migrationspakt, Ziel 17: „Problematische Formulierungen“
       
       Weniger öffentliches Geld für diskriminierende Medien – Migrationspakt,
       Ziel 17: In Teilen Skandinaviens gibt es eine öffentliche Presseförderung.
       Die Idee, diese an die Art der Berichterstattung zu knüpfen, stößt bei der
       norwegischen JournalistInnengewerkschaft nicht auf Zustimmung. Zum Text
       „Problematische Formulierungen“.
       
       „Das sind ganz klar problematische Formulierungen“, sagt Reidun Kjelling
       Nybø, stellvertretende Generalsekretärin von Norsk Redaktørforening, der
       norwegischen RedakteurInnengewerkschaft zum 17. Ziel des Migrationspakts,
       laut dem Regierungen Medien mitunter mit finanziellem Druck auf
       Diskriminierungsfreiheit einschwören sollen.
       
       Auch wenn das grundsätzlich „unter voller Achtung der Medienfreiheit“
       geschehen soll, könne die Regierung in Oslo nach Einschätzung der
       Redaktørforening ein solches Dokument nur unterzeichnen, wenn eindeutig
       klar sei, dass dieses juristisch nicht bindend sei und „unter der
       selbstverständlichen Voraussetzung, dass norwegische Behörden das nicht
       wortwörtlich nehmen“.
       
       Ansonsten würde die Regelung mit dem Artikel 10 der Europäischen
       Menschenrechtskonvention ebenso kollidieren wie mit der norwegischen
       Verfassung und „allen Traditionen, die in Norwegen das Verhältnis zwischen
       Behörden und freien, unabhängigen Medien prägen“, sagt Kjelling Nybø.
       Offenbar habe die UN zwar „gute Absichten“ gehabt und der fragliche Artikel
       sei „im Ansatz vernünftig“ – aber so wie er jetzt dastehe, könne er „eher
       kontraproduktiv“ wirken.
       
       Norwegen hat eine öffentliche Presseförderung, aufgrund derer Medien, die
       bestimmte formelle Voraussetzungen erfüllen, staatliche Gelder erhalten.
       Eine Inhaltskontrolle findet nicht statt. Ähnlich ist die Situation in
       Schweden. Hier hatte zwar bereits eine Reformkommission vor zwei Jahren
       vorgeschlagen, diese inhaltliche Neutralität durch eine „Demokratieklausel“
       zu ersetzen und nur noch Publikationen zu fördern, die „vom Prinzip des
       gleichen Werts aller Menschen geprägt sind“, beispielsweise aber nicht mehr
       solche, die „unterschwellig Hass predigen, um eine bestimmte Gruppe von
       Menschen in Misskredit zu bringen“.
       
       Doch verschwand dieser Vorschlag schnell wieder in der Schublade. Kritiker
       wie Nils Funcke, Sekretär des parlamentarischen Pressefreiheitskomitees
       warnte seinerzeit: Die Geschichte sei reich an abschreckenden Beispielen,
       wie Staaten direkt oder subtil versucht hätten Medien zu lenken.
       
       Der schwedische Journalistenverband SJF, der schon die damalige
       „Demokratieklausel“ ablehnte, äußert nun zum Migrationspakt ähnliche
       Bedenken wie die norwegischen KollegInnen. Inhaltliche Prinzipen
       theoretisch aufzustellen sei leicht, „aber es ist schwieriger, sie in der
       Praxis umzusetzen“, sagt der SJF-Vorsitzende Jonas Nordling.
       
       Man solle sich vor einem „Meinungsgerichtshof“ hüten: „Langfristig wird
       damit die Pressefreiheit untergraben.“ Und auch Norwegens linke
       Tageszeitung „Klassekampen“ bezeichnete es vergangene Woche als „Irrweg“,
       wolle der Staat versuchen, den Inhalt der öffentlichen Debatte in eine
       bestimmte Richtung zu steuern: „Demokratie heißt, dass die Volksmeinung auf
       den Staat einwirken soll und nicht umgekehrt.“
       
       Der Migrationspakt werde keine Auswirkungen auf die Medienpolitik des
       Landes haben, verspricht die norwegische Kultusministerin Trine Skei
       Grande: Er verpflichte zu nichts, norwegische Gesetze und Regeln würden
       sich nicht ändern. Ähnlich beruhigte Lars Westbratt, Staatssekretär im
       schwedischen Migrationsministerium: Der Pakt sei nicht bindend und es gebe
       „kein Risiko“, dass er in Zukunft bindend werde. (Reinhard Wolff,
       Stockholm)
       
       [8][Zurück zur Inhaltsübersicht].
       
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       ## Migrationspakt, Ziel 20: Western Union freut sich
       
       Billigere Rücküberweisungen – Migrationspakt, Ziel 20: Derzeit werden bei
       Bargeldsendungen aus Deutschland nach Afrika mit Western Union etwa 10
       Prozent Gebühren fällig. Eine globale Deckelung dieser Kosten lehnt der
       Marktführer ab – viele andere Aspekte des Paktes aber kommen ihm äußerst
       gelegen. Zum Text „Western Union freut sich“
       
       Western Union „freut sich, als Vertreter des Privatsektors an den
       Verhandlungen zum Migrationspakt“ beteiligt gewesen zu sein, sagt ein
       Sprecher auf Anfrage der taz. Die Freude dürfte damit zu tun haben, dass
       das Unternehmen durch den Pakt auf die Befreiung von Steuern hofft, die
       viele Länder zur Zeit auf Bargeldtransaktionen erheben.
       
       Solche Steuern widersprächen den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung
       („Sustainable Development Goals“, kurz SDGs), sagt Western Union – und
       jenen wolle der Pakt schließlich zur Durchsetzung verhelfen. Tatsächlich
       findet sich im Migrationspakt ein Passus, der „Steuerbefreiungen oder
       -anreize in Bezug auf Rücküberweisungen“ verlangt.
       
       Ebenfalls angetan ist Western Union davon, dass MigrantInnen in Zukunft
       moderne Ausweise bekommen sollen, was die Sicherheit der Geldtransfers
       erhöhen könnte. Auch die „Anbindungen zu Finanzdienstleistungen außerhalb
       der Bank“ – etwa per Mobiltelefon – will der Migrationspakt fördern –
       schließlich haben viele ArbeitsmigrantInnen im globalen Süden zwar kein
       Girokonto, aber ein Handy.
       
       Und auch davon, dass Regeln, „die zusätzliche Kosten verursachen, aber
       keinen Verbrauchermehrwert bieten“ reduziert werden sollen, ist im
       Migrationspakt die Rede. Dass die Bargeldtransferindustrie bei den
       Verhandlungen mit am Tisch saß, ist dem Text anzumerken.
       
       Die wichtigsten Forderungen des Paktes begeistert das Unternehmen
       allerdings weniger: Von der rigorosen Gebührendeckelung auf drei Prozent
       hält Western Union nichts. Das Kostenziel sei als „one size fits all“
       gedacht, „ohne die Komplexität bei der Erbringung von Dienstleistungen“ zu
       bedenken“ erklärt das Unternehmen dazu. Schließlich würden Maßnahmen wie
       Geldwäschebekämpfung, Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung oder
       Überweisungssteuern die Kosten hochtreiben.
       
       Im weltweiten Schnitt lägen sie bei etwa 5 Prozent des gesendeten Betrags,
       der durchschnittliche Betrag, der 2017 versandt wurde, liege bei etwa 300
       US-Dollar je Transfer. Die erhobenen Gebühren „spiegeln Dynamiken zwischen
       einem Entsende- und einem Empfängerland wider“, erklärt Western Union:
       Verbraucherschutz, Währungsschwankungen, solche Dinge würden je nach Region
       eben unterschiedliche Kosten verursachen.
       
       Insgesamt aber seien die Überweisungskosten „seit mehr als einem Jahrzehnt
       im Rahmen der natürlichen Evolution eines sich entwickelnden Marktes“
       gesunken. Soll heißen: Wenn die Staaten wollen, dass die Überweisungen
       billiger werden, dann sollen sie diese schwächer regulieren und geringer
       besteuern – so sieht es die Finanzindustrie. (Hermannus Pfeiffer, Christian
       Jakob)
       
       [9][Zurück zur Inhaltsübersicht].
       
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       ## Migrationspakt, Ziel 22: „Wir haben ohnehin schon Verträge“
       
       taz: Wie regelt sich die Rentenauszahlung an Menschen, die nicht mehr in
       den Niederlanden wohnen? Hat das Herkunftsland darauf Einfluss? 
       
       Lisa Simons: Für uns ist das Herkunftsland eines Empfängers nicht relevant,
       nur das aktuelle Wohnland. Bei der Zuweisung des staatlichen Rentenbetrags
       unterscheiden wir zwischen Ländern, mit denen es einen Vertrag über soziale
       Sicherheit gibt, dies betrifft neben den EU- Staaten 35 weitere Länder,
       darunter Marokko, Türkei, Surinam und Indonesien.
       
       Wie viele Empfänger wohnen denn überhaupt außerhalb der Niederlande ? 
       
       Im zweiten Quartal 2018 wohnten 328.406 Renten-Empfänger im Ausland. 20
       Prozent davon in Belgien, 14 Prozent in Deutschland, 13 Prozent in Spanien
       und 16 Prozent in anderen EU- Ländern. Der übergroße Teil von Empfängern
       aus anderen Vertragsländern (36,1 Prozent) wohnt in Auswanderungsländern
       wie Australien, Kanada und den USA. 3.402 Empfänger wohnen in Ländern, mit
       denen kein Vertrag zur sozialen Sicherheit abgeschlossen wurde.
       
       Was wird in diesen Verträgen geregelt? 
       
       Es handelt sich um bilaterale Abkommen über den Export von Leistungen, die
       Möglichkeiten der Ausführung sowie den Austausch von Daten.
       
       Und diese bilateralen Abkommen unterscheiden sich voneinander? 
       
       Die Höhe der Renten-Auszahlungen ist immer gleich, unabhängig vom
       Herkunftsland. Unterschiedlich ist, wie die Abkommen im jeweiligen Land
       umgesetzt werden. Dabei geht es um die jeweilige Gesetzgebung, oder Fragen,
       ob es etwa ein Geburtenregister gibt oder nicht. Insofern hat jedes Land
       seinen eigenen Vertrag.
       
       Wie hoch sind die Auszahlungen? 
       
       Bei der Höhe der staatlichen Rente unterscheiden wir zwischen
       Alleinstehenden und Verheirateten. Letztere empfangen einen niedrigeren
       Betrag, 50 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns. Alleinstehende bekommen
       einen höheren Betrag, nämlich 70 Prozent des Mindestlohns. Die SVB muss
       kontrollieren können, ob eine Person wirklich alleinstehend ist. Bei
       Ländern, mit denen kein Vertrag existiert, exportieren wir nur den
       risikolosen niedrigen Betrag. Wenn irgendwo mehr als 100 Renten-Empfänger
       wohnen, probieren wir, in Zusammenarbeit mit dem Arbeits- und
       Sozialministerium Vereinbarungen zu treffen.
       
       Wird sich durch den Global Compact in Ihrer Arbeit etwas ändern? 
       
       Nein, im Prinzip nicht. Mit allen wesentlichen Migrationsländern haben wir
       ohnehin Verträge.
       
       (Interview: Tobias Müller) 
       
       [10][Zurück zur Inhaltsübersicht].
       
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       ## Migrationspakt Ziel 18: „Der Migrant aus Nigeria muss bei Null anfangen“
       
       taz: Der Migrationspakt will ausländische Qualifikationen leichter für den
       Arbeitsmarkt nutzbar machen. Was heißt das konkret für Irland? 
       
       Patrick Bamming: Die Ausbildung von Handwerkern ist in Irland nicht so
       streng geregelt wie in Deutschland. Die Vorschriften für die verschiedenen
       Berufe sind nicht sonderlich strikt. Zum Beispiel kann ein Friseur ohne
       einen Meistertitel arbeiten, und man kann auf dem Bau arbeiten, wenn man
       einen Sicherheitsausweis hat. Andererseits ist es bei qualifizierteren
       Berufen sehr genau geregelt, zum Beispiel beim Maschinenbau.
       
       Ein Migrant aus Nigeria, zum Beispiel, hat in seinem Heimatland zehn Jahre
       lang als Elektriker gearbeitet. Nun kommt er nach Irland. Was erwartet ihn
       hier, wenn er keine Qualifikation nachweisen kann? 
       
       Die Anerkennung von ausländischen Qualifikationen in Irland ist selbst bei
       innerhalb der Europäischen Union erworbenen Qualifikationen problematisch.
       Die Unternehmen stellen wegen des unpraktikablen Anerkennungsprozesses
       lieber irische Arbeiter ein. Der Migrant aus Nigeria müsste also bei Null
       anfangen. Migranten, die sich innerhalb von Irland weitergebildet haben,
       konnten feststellen, dass dies ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich
       erhöht hat.
       
       Kann der UN-Migrationspakt es dem nigerianischen Maurer leichter machen? 
       
       Das Gesetz in Irland unterscheidet zwischen hochqualifizierten Migranten
       und Asylbewerbern. Letztere dürfen erst seit Juli 2018 unter bestimmten
       Voraussetzungen arbeiten. Sie müssen seit mindestens neun Monaten auf eine
       Entscheidung über ihren Asylantrag warten und dann einen Antrag beim
       Justizministerium auf Ausstellung einer Arbeitserlaubnis stellen. Die
       Arbeitserlaubnis ist dann für sechs Monate gültig, endet aber, sobald eine
       endgültige Entscheidung über den Asylantrag ergeht.
       
       Was muss Irland tun, um die Richtlinien umzusetzen? Wie lange wird das
       dauern?
       
       Wie lange das dauern wird, kann man nicht genau vorhersagen. Das eben
       angesprochene Gesetz zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis für Asylbewerber
       beispielsweise erging knapp ein Jahr nach einer Entscheidung des obersten
       Gerichtshofs, die das Arbeitsverbot für Asylbewerber für verfassungswidrig
       erklärte.
       
       Der Pakt soll Ausbeutung durch unethische Rekrutierungsagenturen, die
       Menschen zur Arbeit in anderen Ländern anwerben, einen Riegel vorschieben.
       Wie groß ist das Problem der Ausbeutung von Migranten in Irland? 
       
       Arbeitsmigranten und ihre Ausbeutung spielen keine große Rolle in der
       öffentlichen Debatte. Normalerweise wird der Mindestlohn eingehalten, er
       steigt am 1. Januar auf 9,80 Euro pro Stunde für Erwachsene. Es gibt
       allerdings Ausnahmen. Der Guardian hat vor drei Jahren die Ausbeutung von
       Arbeitsmigranten in der Fischerei-Industrie aufgedeckt. Daraufhin hat die
       irische Regierung das sogenannte Atypische Arbeitszeitmodell eingeführt, um
       eine 39-Stunden-Woche mit Mindestlohn im Fischereigewerbe durchzusetzen.
       
       (Interview: Ralf Sotscheck, Dublin) 
       
       [11][Zurück zur Inhaltsübersicht].
       
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       ## Migrationspakt Ziel 2: „Bleibt nur der Weg nach Norden“
       
       Der ungeheizte Warteraum in der Ambulanz im Zentrum Sarajevos ist täglich
       überfüllt. Die Patienten müssen geduldig sein und warten. Schon wieder, so
       raunt die Krankenschwester, will einer der Ärzte nach Deutschland gehen.
       „Dann wissen wir gar nicht mehr, wie wir hier das alles noch schaffen
       sollen.“ In anderen Krankenhäusern in Bosnien und Herzegowina sind schon
       ganze Abteilungen geschlossen worden.
       
       Die seit dem letzten Krieg der 90er Jahre ohnehin zerbrechliche staatliche
       Krankenversorgung beginnt, vollständig zu kollabieren. Ärzte und
       Krankenschwestern wissen, dass sie in Deutschland und Österreich mit
       Kusshand genommen werden.
       
       Seit Deutschland die Berufsabschlüsse auch für andere Berufe akzeptieren
       will, machen sich auch Ingenieure, Maschinenbauer und alle Experten vom Bau
       berechtigte Hoffnungen auf einen Job im gelobten Ausland. Die Frauen und
       Männer, die sich zutrauen, als Altenpfleger in den deutsch sprechenden
       Ländern zu arbeiten, überfüllen die Deutschkurse in den Abendschulen. Die
       Kurse am Goethe-Institut in Sarajevo sind seit Jahren ausgebucht.
       
       Ab 2019 und der weiteren Lockerung von Arbeitsrestriktionen in Deutschland
       wollen auch andere Bevölkerungsgruppen nach Norden ziehen. Der 34-jährige
       Edin ist Busfahrer und hat bisher für die größte Transportfirma in dem Land
       gearbeitet. „Für 600 bis 800 Konvertible Mark im Monat (300-400 Euro), wie
       kannst du da deine Familie ernähren?“ Die Stadtwerke von Sarajevo haben
       berechtigte Angst, dass ihnen das Personal davonläuft. Zuverlässige
       Handwerker zu finden ist ohnehin nur mit „guten Beziehungen“ möglich.
       
       Über 60.000 jüngere Fachkräfte haben nach jüngsten Schätzungen 2018 den Weg
       nach Norden gefunden, 2019 werden das noch mehr Menschen sein. Nicht nur
       aus dem 3,4 Millionen Einwohner zählenden Bosnien fliehen Zehntausende.
       Auch in Serbien klagen Regierungsstellen über ähnliche Phänomene. Selbst
       aus dem EU-Land Kroatien ziehen viele Fachkräfte nach Norden.
       
       Noch gelingt es den Kroaten, mit Menschen aus den südlicher liegenden
       Ländern ein paar Lücken zu füllen. Nur im Kosovo würde man sich bei 60
       Prozent Arbeitslosigkeit freuen: Doch für die ist die EU versperrt, denn
       Kosovaren brauchen nach wie vor Visa.
       
       Der Brain Drain auf dem westlichen Balkan hat so bedrohliche Ausmaße
       angenommen, dass jetzt sogar die Ausbeuter des seit dem Krieg etablierten
       Raubtierkapitalismus reagieren müssen. Plötzlich machen Firmen ihren
       Angestellten Angebote. Die Transport-Firma Centro Trans in Sarajevo will
       jetzt höhere Löhne für ihre Fahrer bezahlen – Edin hörte von 500 bis 600
       Euro pro Monat. „Aber auch das ist doch viel zu niedrig, da müssen sie
       schon mehr bieten.“ Die Hoffnung als bosnischer Staat in die EU aufgenommen
       zu werden, ist wegen der Blockadepolitik der nationalistischen Parteien der
       Serben und Kroaten zerstoben. „Bleibt nur der Weg nach Norden.“
       
       (Erich Rathfelder, Sarajewo) 
       
       [12][Zurück zur Inhaltsübersicht].
       
       Der UN-Migrationspakt: [13][Der vollständige Vertragstext – kommentiert von
       ExpertInnen für Migration].
       
       10 Dec 2018
       
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