# taz.de -- Migrationspakt aus ExpertInnen-Sicht: Was wirklich im Vertragstext steht
       
       > Das UN-Abkommen ist umstritten. Rechte verbreiten Falschmeldungen
       > darüber. Der vollständige Vertragstext – kommentiert von ExpertInnen für
       > Migration.
       
 (IMG) Bild: Rechte werten den UN-Migrationspakt als Beweis für eine Verschwörung
       
       BERLIN taz | Alle Länder der Welt hatten sich geeinigt, [1][mit Ausnahme
       der US-Regierung von Donald Trump]. Wer sich daran erinnert, wie unendlich
       schwierig ein solcher globaler Konsens etwa beim Klimaschutz ist, der mag
       eine Ahnung davon bekommen, welche diplomatische Leistung hinter dem
       [2][UN-Pakt für das Epochenthema Migration] steht. Diese war „schon immer
       Teil der Menschheitsgeschichte“, heißt es in der Präambel des Paktes. Doch
       ein globales Regelwerk für sie fehlt, bis heute. Die Verhandlungen dafür
       liefen seit mehr als zwei Jahren, ohne dass die Medien oder die
       Öffentlichkeit daran größeres Interesse gezeigt hätten. Das hat sich nun
       geändert. Vor der Konferenz im Dezember in Marrakesch, auf der der „Globale
       Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ verabschiedet
       werden soll, nutzen populistische Kräfte in vielen Ländern den Pakt zur
       politischen Mobilisierung – mit teils vollkommen falschen Behauptungen und
       Verschwörungstheorien. Die Bundesregierung verteidigt den Pakt, weil er ein
       wichtiges Instrument sei, um globale Probleme zu lösen, doch [3][selbst
       Teile der CDU wollen den Pakt kippen] – und die AfD will mit dem Thema
       ihren EU-Wahlkampf betreiben.
       
       Die taz hat WissenschaftlerInnen und andere Fachleute um ihre Beurteilungen
       des Paktes und der kursierenden Behauptungen gebeten. Hier kurze
       Zusammenfassungen der Einschätzungen, durch Klicken auf die Titel kommen
       sie zu den ausführlichen Versionen:
       
       [4][Eine historische Chance:] Anlass für Verschwörungstheorien bietet der
       Pakt keine, sagt Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und
       Politik. Stattdessen sei er einer einmalige Gelegenheit, Migration so zu
       regeln, dass alle Beteiligten von ihr profitieren.
       
       [5][Die Regelung der Rechte:] Einzelne Staaten können das
       grenzüberschreitende Phänomen der Migration nicht allein regeln, sagt die
       Wissenschaftlerin Petra Bendel – und ein globales Regelwerk zu Migration
       fehlte bislang. Der Pakt biete die Chance, die Interessen von Herkunfts-
       und Zielländern zusammen zu bringen
       
       [6][Nicht das Ende, sondern der Anfang des Prozesses:] Der Pakt ist das
       Ergebnis einer neuen Verknüpfung der internationalen Debatten zu Migration
       und Entwicklung, sagt der Wissenschaftler Stefan Rother. Er sieht den Pakt
       als Aufforderung, „das Beste“ aus der Migration zu machen.
       
       [7][Die Zivilgesellschaft saß mit am Tisch:] Samir Abi aus Togo hat als
       Vertreter der afrikanischen Zivilgesellschaft an den UN-Verhandlungen zum
       Migrationspakt teilgenommen. Behauptungen, diese seien im Geheimen
       abgelaufen, kann er nicht nachvollziehen: An dem Verfahren seien alle
       Staaten ausführlich beteiligt worden. Das Recht auf Mobilität aller
       Menschen wollten viele Staaten aber nicht anerkennen.
       
       [8][An gemeinsamer Verantwortung festhalten:] Die Erwartungen an den Pakt
       sind so unterschiedlich, dass kaum absehbar ist, welche Folgen er in der
       Praxis haben wird, sagt Ramona Lenz von der Hilfsorganisation medico
       international. Dennoch sei es wichtig, den Pakt als symbolisches Bekenntnis
       zu den Rechten von Migrant_innen zu verteidigen.
       
       [9][Grundrechten Geltung verschaffen:] Der Pakt geht kaum über das hinaus,
       was längst internationales Recht ist, sagt der Jurist Maximilian Pichl.
       Doch die vorgesehenen Prüfmechanismen bieten immerhin die Chance, Rechte
       von MigrantInnen künftig wirksamer durchzusetzen.
       
       [10][Der Pakt soll die Kraft der Migration einhegen:] Es wäre überaus
       wünschenswert, wenn Menschenrechte – einklagbar! – an den Grenzen der
       Nationalstaaten Einzug erhielten und Bürgerrechte endlich zu
       Menschenrechten würden, sagt der Forscher Helmut Dietrich. Doch dies
       leistet der Pakt schon deshalb nicht, weil er gar nicht zwischen Staaten
       und MigrantInnen, sondern nur zwischen den Staaten untereinander
       ausgehandelt wurde.
       
       Und hier geht es zu [11][einer vollständigen Fassung des Vertragstextes].
       
       Einleitung und Inhalt: Christian Jakob. Umsetzung: Juliane Fiegler. 
       
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       Steffen Angenendt: Eine historische Chance 
       
       In vielen Ländern behaupten Kritiker, der Pakt räume Migranten aus aller
       Welt weitgehende Rechte zur Migration ein und beseitige das Recht
       souveräner Staaten, Migrationsfragen selbst zu regeln. Es drohe eine
       Umsiedlung. Das ist Unsinn. Einige Staaten, die den Pakt in den vergangenen
       Jahren mitverhandelt haben, sind bereits auf den populistischen Zug
       aufgesprungen und haben angekündigt, den Pakt nun doch nicht unterzeichnen
       zu wollen.
       
       Die Abkehr dieser Staaten wird die Verabschiedung des Paktes nicht
       verhindern. Gleichwohl ist eine sachliche Auseinandersetzung jetzt dringend
       nötig, weil der Wert des Paktes ganz wesentlich von seiner Umsetzung
       abhängen wird, also ob die Regierungen die Chancen, die der Pakt zur
       Zusammenarbeit bietet, auch tatsächlich nutzen. Tun sie das nicht, würde
       eine historische Chance verpasst, zu einer wirksameren und nachhaltigeren
       Steuerung der Wanderungen zu kommen.
       
       Der Pakt ist nicht aus heiterem Himmel gefallen. Er war vielmehr eine
       Reaktion auf die starken Zuwanderungen der Jahre 2015 und 2016 nach Europa,
       denen gegenüber die EU-Staaten mehr oder weniger hilflos waren. Die
       betroffenen Staaten – aber auch viele Regierungen in anderen Weltgebieten –
       haben daraus den Schluss gezogen, dass Wanderungsbewegungen nicht mehr
       allein national gesteuert werden können, sondern dass dazu eine dauerhafte
       und auf Vertrauen beruhende Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-,
       Transit- und Aufnahmestaaten erforderlich ist. [12][Die UN-Staaten haben
       sich deshalb 2016 in der New York Declaration] darauf geeinigt, einen
       Prozess einzuleiten, der eine bessere Zusammenarbeit sicherstellt.
       
       Zu dem Wunsch nach einer wirksamen Steuerung kam noch die wissenschaftlich
       inzwischen gut belegte Erkenntnis, dass sichere, geregelte und legale
       Migration im Interesse aller Beteiligten liegt – der Herkunftsländer, der
       Zielländer und der Migrantinnen und Migranten selbst. In den vergangenen
       Jahren ist immer deutlicher geworden, wie sehr die Industriestaaten auf
       Zuwanderung angewiesen sind, um ihre Produktivität, ihren Wohlstand und ihr
       Versorgungsniveau zu halten, und wie wichtig andererseits die Geldtransfers
       und Investitionen der Migrantinnen und Migranten für die Heimatländer und
       für die Verbesserung der Lebenschancen der Familien in der Heimat und
       mithin für Entwicklung sind.
       
       Diese Erkenntnisse sind in die 23 Ziele des Paktes eingeflossen. Dazu
       gehört ausdrücklich auch das Ziel, irreguläre Migration und ihre negativen
       Wirkungen auf alle Beteiligten zu reduzieren – unter anderem durch das
       Ausstellen von fälschungssicheren Pässen, die Bekämpfung des
       Menschenschmuggels und des Menschenhandels, durch eine bessere
       Zusammenarbeit der Staaten bei Grenzkontrollen und bei der Rückübernahme
       und Reintegration von Migrantinnen und Migranten, die das Aufnahmeland
       wieder verlassen müssen.
       
       Der Migrationspakt stellt keinen völkerrechtlich bindenden Vertrag dar,
       sondern eine Absichtserklärung, über deren Umsetzung allein die
       Unterzeichnerstaaten entscheiden. Sie können ihn umsetzen oder nicht. Der
       Pakt ist daher nicht mehr und nicht weniger als ein Gerüst für eine bessere
       und wirkungsvollere Migrationspolitik. Dazu bekräftigt der Pakt noch einmal
       rechtliche Prinzipien, die die UN-Staaten ohnehin befolgen müssen, weil sie
       in völkerrechtlichen Verträgen festgelegt sind. Menschenrechte gehören
       selbstverständlich dazu, zudem die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und
       guter Regierungsführung.
       
       Wichtig ist der Pakt vor allem, weil er den Unterzeichnerstaaten praktische
       Unterstützung bei der Zusammenarbeitet bietet, insbesondere beim Aufbau von
       Verwaltungsstrukturen, um die Migration besser zu steuern. Zudem hält der
       Pakt die Staaten dazu an, sich regelmäßig über ihre Fortschritte bei der
       Umsetzung des Paktes auszutauschen und darüber zu berichten. Auch diese
       Berichterstattung ist freiwillig. Sie kann dazu beitragen, dass gelungene
       Beispiele für Migrationspolitik Schule machen und dass schlechte Ansätze
       künftig vermieden werden.
       
       An keiner Stelle aber – und das kann nicht deutlich genug gesagt werden –
       greift der Pakt in das Recht von Staaten ein, zu bestimmen, wem sie Zugang
       zu ihrem Staatsgebiet gewähren. Auch wenn es immer wieder behauptet wird,
       fordert der Pakt keine Ausweitung der Migration. Im Pakt steht
       ausdrücklich, dass die Staaten weiterhin ihre eigenen Regeln aufstellen für
       die Einreise, die Niederlassung und den Zugang zum Arbeitsmarkt und darüber
       souverän entscheiden. Auch wenn die Staaten den Pakt unterzeichnen, werden
       sie die Migrationspolitik nach ihren eigenen Zielen und Bedürfnissen
       gestalten. Wenn dazu das Ziel gehört, die Zuwanderung auszuweiten, bietet
       der Pakt auch dafür einen Rahmen.
       
       Nüchtern betrachtet bietet der Pakt also keinen Anlass für
       Verschwörungstheorien. Die Regierungen sollten den Pakt unterzeichnen, weil
       er die Chance bietet, eine nachhaltige und wirksame Migrationspolitik zu
       verfolgen. Dann aber beginnt erst die eigentliche Arbeit: Die Festlegung
       der eigenen migrationspolitischen Ziele, deren Umsetzung und die Kontrolle
       der Ergebnisse.
       
       Verfolgen die Regierungen das mit dem gebotenen Nachdruck, wird der Pakt
       die Handlungsfähigkeit der Regierungen nicht verringern, sondern verstärken
       und der Pakt wird dazu beitragen, dass Migration künftig sicherer,
       geordneter stattfindet und positive Folgen für alle Beteiligten hat.
       Schließlich sind praktische Erfolge bei der Reduzierung der irregulären
       Wanderung und bei der Nutzung der Entwicklungspotenziale von Migration der
       beste Weg, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
       
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       Petra Bendel: Die Regelung der Rechte 
       
       Der Pakt für Migration ist ein Kooperationsrahmen. Er schafft ein globales
       Regelwerk zur Migration, in dem die unterschiedlichen Interessen von
       Herkunfts-, Transit- und Aufnahmestaaten zusammenkommen – bei der
       Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeiter und
       ihrer Familienangehörigen [13][(„Wanderarbeiterkonvention“ von 1990, in
       Kraft 2003)] war dies nicht gelungen. Er ist somit als diplomatischer
       Erfolg anzusehen. Denn einzelne Staaten können ein per definitionem
       grenzüberschreitendes Phänomen nicht allein regeln.
       
       Inhaltlich regelt der Pakt den Schutz der Lebens- und Arbeitsbedingungen,
       die Bekämpfung von Menschenhandel, von Ausbeutung und Diskriminierung der
       Migrantinnen und Migranten, die Bekämpfung negativer Migrationsursachen,
       die Sicherung von Grenzen und den Austausch von Daten und Information. In
       vielen Fällen bestärkt der Pakt damit bereits vorhandene Normen und Rechte
       – die Menschenrechte, die in [14][der Allgemeinen Erklärung der
       Menschenrechte (AEMR)] und [15][der Europäischen Menschenrechtskonvention
       (EMRK)] verankert sind. Er fordert deren Einhaltung von allen ein und macht
       sie zur Grundlage der Kooperation.
       
       Da der Pakt die Interessen von Herkunfts- wie von Zielländern
       berücksichtigt und die Rechte von Migrantinnen und Migranten unterstreicht,
       birgt er die Chance einer Triple-Win-Situation. Für die Herkunftsländer
       betont er die Notwendigkeit, negative Migrationsursachen zu minimieren,
       aber sie auch bei der Reintegration rückkehrender Migranten zu
       unterstützen. Für die Transit- und Aufnahmestaaten fördert er Integration
       und gesellschaftlichen Zusammenhalt, und den Migrantinnen und Migranten
       selbst will er den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Informationen
       und Rechten erleichtern.
       
       Da er dazu finanzielle Unterstützung sowie Unterstützung durch Know How,
       etwa beim Aufbau von Verwaltungen zur Migrationssteuerung in Aussicht
       stellt, gibt er den Staaten positive Anreize zur Erfüllung dieser Aufgaben.
       Zugleich will er einen Überprüfungsmechanismus schaffen, mittels dessen
       über regelmäßige Berichte gute Praxisbeispiele gefördert werden können und
       Anreize geschaffen werden, um den Pakt mit weiteren Inhalten zu füllen.
       
       Ein Risiko besteht in dem Ausscheren einzelner Staaten. Hier könnte ein
       Dominoeffekt losgetreten werden. Die in den Verhandlungen erzielte
       Vertrauensbildung unter Herkunfts-, Transit- und Zielstaaten mit ganz
       unterschiedlichen Interessen könnte damit unterminiert werden. Ein zweites
       Risiko besteht in der Implementation. Es steht zu hoffen, dass genügend
       Anreizsysteme da sind, um die Ideen des Paktes auch umzusetzen.
       
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       Stefan Rother: Nicht Ende, sondern Anfang des Prozesses 
       
       Die nun etablierte Formulierung „Migrationspakt“ verkürzt, worum es geht:
       um eine spezifische Form von Migration, die angestrebt wird, nämlich eine
       sichere, geordnete und reguläre. Diese Formulierung kommt nicht von
       irgendwoher sondern von [16][den Nachhaltigkeitszielen der UN (SDGs)]. Das
       ist wichtig zum Verständnis der Genese des Compacts, denn dieser fußt auf
       rund eineinhalb Jahrzehnten internationaler Diskussionen zum möglichen
       Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung, die als ein „neues Mantra“
       der Entwicklungspolitik bezeichnet wurde. Diese Diskussionen haben den
       Compact erst möglich gemacht.
       
       Dies wird auch etwa in Artikel 6 deutlich gemacht.
       
       Ein zentrales Forum ist [17][das Globale Forum für Migration und
       Entwicklung (GFMD)], bei dem Deutschland für 2017 und 2018 mit Marokko den
       Vorsitz hat. Beim Berliner GFMD im Juli 2017 wurde bereits offen und
       transparent über den geplanten Compact diskutiert, viele der plötzlichen
       Kritiker hätten sich also bereits damals quasi „vor der Haustür“
       informieren können. Auch war das gesamte Verhandlungs-Verfahren
       überdurchschnittlich transparent, Live-Streams inklusive.
       Migrantenorganisationen wurden angemessen eingebunden. Dazu zählt auch die
       deutsche Zivilgesellschaft, die unter der Koordination von [18][VENRO, dem
       Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer
       Nichtregierungsorganisationen] in den vergangenen zwei Jahren mehrere
       Konsultationen durchgeführt hat. PolitikerInnen und Medien wären willkommen
       gewesen.
       
       Vollends absurd ist, dass auch nach all den „Das ist der
       Migrationspakt“-Beiträgen in deutschen Medien, dieser immer noch
       überwiegend unter dem Aspekt Flucht/Geflüchtete diskutiert und entsprechend
       bebildert wird. Dabei steht in Artikel 4 ausdrücklich, dass sich der Pakt
       auf Migranten bezieht.
       
       In erster Linie geht es um Arbeitsmigration – der derzeit ebenfalls
       international diskutierte Compact für Geflüchtete vereint dagegen eine
       Vielzahl von teils sehr praktischen Maßnahmen, allerdings mit geringer
       Verantwortlichkeit der Staaten.
       
       Man kann debattieren, ob der Compact wirklich das erste globale Abkommen zu
       Migration ist. Neben mehreren Konventionen der ILO gibt es auch die
       UN-Konvention zum Schutz von Wanderarbeitern und ihrer Familien – eine
       Grundrechtskonvention, die allerdings kein einziges größeres Zielland von
       Migration unterzeichnet hat, auch die EU-Staaten nicht. Diese bindende
       Konvention wird im Compact nur verschämt in einer Fußnote erwähnt, fast wie
       ein peinlicher Onkel bei einer Familienfeier. Der Trend, statt auf das
       „hard law“ einer Konvention auf das „soft law“ eines Compacts zu setzen,
       ist jedenfalls diskutabel. Das pragmatische Argument dafür ist, dass man
       nur so möglichst viele Staaten an einen Tisch bekommt.
       
       KritikerInnen behaupten, der Compact idealisiere Migration und verharmlose
       die damit verbundenen Probleme, etwa die Formulierungen der Punkte8, 13 und
       14 des Paktes. Ich kann hier keine Idealisierung erkennen: Migration ist
       nachweislich eine „Quelle des Wohlstands, der Innovation und der
       nachhaltigen Entwicklung“ – aber eben nicht zwangsläufig. Hier wäre ein
       „kann …darstellen“ wohl angebrachter gewesen.
       
       Auch die Übersetzung von „governance“ als „Steuerung“ist nicht gelungen –
       „governance“ ist ein wesentlich umfassenderer und potentiell inklusiverer
       Begriff, der auch die Mitwirkung von MigrantInnen einschließen kann.
       Steuerung reduziert diese dagegen auf die bloße Rolle als Objekte von
       Politik. Doch solche Kritikpunkte beiseite gelassen, sind diePunkte 8 bis12
       kein idealistisches Wunschbild sondern eine durchaus treffende
       Zustandsbeschreibung, verbunden mit dem Motto „Machen wir das Beste
       daraus“.
       
       Auch in Punkt 13 und 14 werden Risiken durchaus anerkannt, aber eine
       Win-win-Situation angestrebt. Und auch an den in Punkt 15 genannten
       Prinzipien dürften bei ehrlicher Betrachtung auch die Kritiker wenig
       aussetzen können: Souveränität und die Rule of Law werden hochgehalten,
       dazu aber zu Kooperation ermuntert, der Entwicklungsaspekt betont, ebenso
       die Rechte von besonders gefährdeten Gruppen.
       
       Zusammenfassend merkt man vielen dieser Punkte die eingangs erwähnte
       Herkunft aus der Debatte zu Migration und Entwicklung an. Die Betonung der
       Menschenrechte ist ein wichtiges Element. Denn in vielen Staaten der Welt
       werden MigrantInnen teils elementare Rechte nicht gewährt.
       
       ## Nun zu einigen Zielen des Compacts:
       
       ## 1. Daten
       
       Es ist unbestritten, dass die Datenlage in Sachen Migration äußerst
       verbesserungswürdig ist. Und selbst da, wo Zahlen vorliegen, argumentieren
       Politiker und andere Akteure zunehmend mit „gefühlten Daten“ – von Uwe
       Tellkamp bis zu Friedrich Merz. An einer besseren Datenlage müssten also
       eigentlich alle Akteure interessiert sein – allerdings machen diese allein
       noch keine bessere oder passendere Politik.
       
       2. Fluchtursachen bekämpfen 
       
       Hier kommen wieder die Nachhaltigkeitsziele der UN, die Sustainable
       Development Goals, ins Spiel. Unfaire Handelspraktiken werden allerdings
       nicht erwähnt. Wer weniger Migration will, sollte diesem Abschnitt
       eigentlich zustimmen können – ebenso AktivistInnen, die sagen, Migration
       solle eine Wahl sein und nicht aus Zwang geschehen („make emigration a
       choice, not a necessity“).
       
       ## Unterpunkt Naturkatastrophen und Klimawandel
       
       Das hier behandelte Thema der klimabedingten Migration brennt. Es werden
       recht allgemein gehaltene Präventionsmaßnahmen gefordert – an denen auch
       Migrationsgegner nichts auszusetzen haben sollten. Dass hieraus – wie von
       Friedrich Merz insinuiert – ein neuer Asylgrund abgeleitet werden könne,
       ist als absurd.
       
       ## 3. Informationen
       
       Migration sollte eine informierte Entscheidung sein, im Zielland angekommen
       sollten MigrantInnen über ihre Rechte und Pflichten gut informiert werden.
       Durch Datenbanken können falsche Migrationsanreize vermieden werden –
       etwas, was eigentlich auch den Gegnern des Pakts zusagen sollte.
       
       ## 5. Mehr Möglichkeiten für reguläre Migration
       
       Dieser Punkt kann durchaus als Förderung von Migration verstanden werden –
       aber eben dadurch, dass sie in geordnete Bahnen gelenkt wird. Wir hatten
       vor Jahren schon die alte Debatte in Deutschland, dass Menschen das
       Asylverfahren als einzige Einreisemöglichkeit sahen. Mehr reguläre
       Migration kann irreguläre Migration reduzieren und gleichzeitig den
       Erfordernissen des Ziellandes angepasst werden. Wichtig ist hier der
       Verweis auf die ILO-Kernarbeitsnormen.
       
       ## 6. Recruitment
       
       Dieser Punkt wird in der deutschen Debatte fast völlig übersehen:
       Ausbeutung durch unethische, ausbeuterische Rekrutierungsagenturen, die
       Menschen zur Arbeit in anderen Ländern anwerben, ist ein weitverbreitetes
       Problem bei der so genannten Süd-Süd-Migration. In diesem Absatz finden
       sich einige wichtige Maßnahmen, die Erpessung, Ausbeutung und Sklaverei
       eindämmen helfen.
       
       ## 11. Grenzen
       
       Alle, die auf den „Schutz der Außengrenzen“ drängen, dürften sich zumindest
       in der Einleitung wiederfinden, die auf Souveränität und Recht und Ordnung
       pocht. Allerdings sind Grenzgebiete auch häufig Orte von
       Menschenrechtsverletzungen, und hier macht der Compact einige sehr wichtige
       Punkte, nicht zuletzt zu den Rechten von Kindern. Das ist auch der Grund,
       weshalb Australien nicht mitmacht – denn das Land missachtet die Rechte von
       Flüchtlingen, die es auf Inseln im Pazifik internieren lässt.
       
       ## 17. Diskriminierung
       
       Dieses Ziel wird als Einschränkung der Pressefreiheit kritisiert, vor allem
       wegen der Formulierung, Medien, die „systematisch Intoleranz,
       Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung
       gegenüber Migranten fördern“ solle „öffentliche Finanzierung“ oder
       „materielle Unterstützung“ entzogen werden. Das verkennt, dass dieses Ziel
       ein klares Bekenntnis zur Meinungsfreiheit enthält. Die hat aber – wie auch
       im deutschen Recht festgelegt – dort ihre Grenzen, wo sie zu Hass
       aufstachelt oder volksverhetzend wirkt. Auch im Unterpunkt c) wird nochmals
       die „volle Achtung der Medienfreiheit“ betont. Doch dass Medien, die zu
       Rassismus aufstacheln, nicht noch durch öffentliche Finanzierung gefördert
       werden sollte, ist nachvollziehbar. Auch „Sensibilisierung und Aufklärung
       von Medienschaffenden hinsichtlich Migrationsfragen und -begriffen, durch
       Investitionen in ethische Standards der Berichterstattung“ sehe ich
       hierzulande als äußerst notwendig an – selbst die „wohlmeinende“
       Berichterstattung ist oft von Fehlern, Klischees, und Unkenntnis geprägt.
       Viele Zeitungen sprechen zudem weiterhin von „illegalen Migranten“ – das
       sollte man natürlich nicht verbieten, aber hinsichtlich Sprache
       sensibilisieren.
       
       ## 22. Übertragbarkeit von Sozialversicherungs- und erworbenen
       Leistungsansprüchen
       
       Gemeint ist hier die Möglichkeit, sich etwa gezahlte
       Rentenversicherungsbeiträge auszahlen lassen zu können oder daraus
       entstehende Ansprüche gelten zu machen. Das ist in einer zunehmend
       globalisierten Welt ein dringend nötiger Punkt – eine Kollegin von mir
       beispielsweise hat mittlerweile Rentenansprüche in fünf Ländern. Diese
       Rechte sollten aber nicht nur für Fachkräfte ermöglicht werden, sondern für
       alle Formen von Arbeitsmigration.
       
       ## Umsetzung
       
       Dies ist ein eher vages Kapitel. Hier hätte ich mir mehr gewünscht. Die
       UN-Migrationsagentur IOM soll eine tragende Rolle beim Aufbau eines
       Migrationsnetzwerkes übernehmen – allerdings ist die IOM nach eigenem
       Verständnis eine „nicht-normative“ Organisation, die nicht an die Normen
       der Vereinten Nationen gebunden ist.
       
       ## Weiterverfolgung und Überprüfung
       
       Ebenfalls ein eher schwacher Punkt. Warum tritt das „Überprüfungsforum
       Internationale Migration“ erst in vier Jahren das erste Mal zusammen?
       
       Wichtig ist, dass ambitionierte nationale Strategien zur Umsetzung des
       Globalen Paktes entwickelt werden sollen. Der Pakt ist nicht bindend,
       bietet aber einen guten Anstoß, zahlreiche essentielle Punkte zu
       reflektieren und adressieren. Er stellt somit einen soliden Rahmen dar –
       allerdings nicht das Ende, sondern erst den Anfang eines Prozesses.
       
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       ## Samir Abi: Die Zivilgesellschaft saß mit am Tisch
       
       Die UN-Prozesse sind bekannt für ihren ökologischen Fußabdruck und ihre
       Treibhausgasemissionen in Bezug auf Luftverkehr, Hotelaufenthalte und
       Energieverbrauch: Allein für Afrika wurden fünf interregionale
       Konsultationen, ein Konsultationsmeeting für die afrikanische
       Zivilgesellschaft und ein großes kontinentales Konsultationsmeeting in
       Addis Abeba einberufen, um ein zusammenfassendes Dokument afrikanischer
       Empfehlungen zu erstellen.
       
       Konsultationssitzungen haben auch auf nationaler Ebene stattgefunden. Etwa
       fünfzig Länder haben sich die Mühe gemacht, einen Austausch zwischen den
       verschiedenen staatlichen Strukturen, die sich mit Migration befassen, und
       der Zivilgesellschaft zu organisieren. Zusätzlich zu allen davon
       veröffentlichten Berichte wurde noch ein abschließendes Treffen in Puerto
       Vallarta im Mexiko abgehalten, um allen Interessengruppen erneut zuzuhören.
       Nach dem Rückzug der USA konnten alle Staaten dort noch einmal Stellung
       nehmen. Viele der lateinamerikanischen Länder verurteilten dort die
       Position der Vereinigten Staaten.
       
       Doch auch wenn die USA nicht mehr dabei waren – ihr Kernpunkt fand sich in
       den Interventionen vieler Staaten wieder: Die Betonung des Recht jedes
       Staates, souverän zu bestimmen, wer einreisen darf und wer nicht. Die
       Länder, die diesen Punkt stark machten, akzeptierten die Berücksichtigung
       der internationalen Menschenrechtsabkommen bei der Ausarbeitung des Global
       Compact. Sie lehnten es aber ab, das Recht auf Mobilität aller Menschen
       uneingeschränkt im Pakt anzuerkennen.
       
       Sie bestanden darauf, dass der Pakt das Recht der Staaten explizit erwähnt,
       Einreise und Aufenthalt von Ausländern in ihr Land gemäß den Erfordernissen
       ihrer Wirtschaft zu kontrollieren. Einige Staaten wollten den Global
       Compact vor allem zu einem Instrument machen, um gegen irreguläre
       Migration, den Schmuggel von und den Menschenhandel mit Migranten
       vorzugehen. Der Pakt sollte die Staaten deshalb vor allem auf die
       gemeinsame Verantwortung für die Steuerung der Migration verpflichten.
       Herkunftsländer sollten an ihre Verantwortung erinnert werden, die Rückkehr
       ihrer irregulären Migranten zu akzeptieren – auch wenn diese zur Rückkehr
       gezwungen werden.
       
       Andere Staaten hingegen hatten andere Wünsche. Sie wollten, dass der
       Compact legale Wege für die Migration ihrer Bürger schafft. Einige
       Delegationen forderten gar, dass der Globale Pakt das Visaregime beendet,
       das das Recht auf Mobilität ihrer Bevölkerungen blockiert. Hier sei an
       folgendes erinnert: Viele der offiziellen afrikanischen Delegationen
       konnten nicht an der Sitzung in Puerto Vallarta nicht teilnehmen, da sie
       für den Umstieg auf einem Airport in den USA ein Visum gebraucht hätten.
       
       Manche Staaten forderten das Ende der Inhaftierungen für irreguläre
       Migranten – besonders von Kindern. Sie bestanden darauf, dass der Pakt
       Regeln zur Erleichterung der Familienzusammenführung festlegte, um das
       Problem der durch die Migrationspolitik der Zielländer von ihren Eltern
       getrennten Kinder zu lösen.
       
       Während der Verhandlungen mahnten einige Staaten auch Lösungen für
       Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit an, die sich weltweit ausbreiten.
       Diese Staaten haben Beispiele für bewährte Strategien und Verfahren
       vorgelegt, die sie auf nationaler oder kommunaler Ebene entwickelt haben,
       um die Integration von Migranten zu erleichtern. Zu diesen Strategien
       gehört es, den Zugang zu Staatsbürgerschaft, Bildung, Gesundheit, Arbeit
       und sozialem Schutz zu verbessern. Auch erfolgreiche
       Integrationserfahrungen und Personenfreizügigkeit auf regionaler Ebene in
       einigen Teilen der Welt – der EU oder der ECOWAS – wurden als Grundlage für
       den Global Compact benannt. Es ist zu hoffen, dass die Politik die aus dem
       Compact erwächst, diese erfolgreichen Strategien weiterführt.
       
       ──────────────────── 
       
       Ramona Lenz: An gemeinsamer Verantwortung festhalten 
       
       Weder die Unterstellung, der Migrationspakt untergrabe die
       nationalstaatliche Souveränität, noch der Vorwurf, er verwische die Grenzen
       von Flucht und Migration oder von „legaler“ und „illegaler“ Migration,
       lässt sich anhand des Dokuments belegen. Schon gar nicht ist der Pakt
       darauf ausgerichtet, Migrant_innen aus aller Welt Tür und Tor in das
       deutsche Sozialsystem zu öffnen und ihnen ebenso wie anerkannten
       Flüchtlingen einen Schutzstatus zu gewähren.
       
       Die Ablehnung des Migrationspaktes aus kruden Gründen lässt nun
       Befürworter_innen und differenzierungsfähige Kritiker_innen zusammenrücken.
       Von konservativen und neoliberalen Kräften aus CDU und FDP über SPD, Grüne
       und Linkspartei bis hin zu zivilgesellschaftlichen Akteur_innen stellt sich
       ein sehr breites Bündnis hinter den Pakt. Dabei sind aus einer linken,
       menschenrechtsbasierten Perspektive die Ziele, die Konservative und
       Neoliberale damit verbinden, alles andere als begrüßenswert. Ebenso wenig
       stimmt es aus dieser Perspektive hoffnungsvoll, dass der Pakt nicht
       verbindlich ist, denn die Umsetzung all der durchaus richtigen Forderungen
       nach einer Stärkung der Rechte von Flüchtlingen wie Migrant_innen, nach dem
       Ausbau legaler Migrationswege, der Beseitigung von Rassismus und
       Diskriminierung und der wirkungsvollen Anerkennung eines Zusammenhangs
       zwischen Klimaveränderung und Migration wird dadurch nicht
       wahrscheinlicher.
       
       Im Gegenteil: Es wird betont, dass die staatliche Souveränität unangetastet
       bleibt; Flüchtlinge und Migrant_innen mit unterschiedlichem
       Aufenthaltsstatus werden nur insoweit in einem Atemzug genannt, als dass
       für alle die Menschenrechte gelten; und anstelle erhöhter Anziehungskraft
       für Migrant_innen ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Pakt im Gegenteil
       die Migration nach Deutschland erschweren und Rückführungen erleichtern
       wird.
       
       Ein Interesse an der Beendigung „illegaler Einwanderung“, was Angela Merkel
       betont, gibt es rechts wie links, aber mit unterschiedlicher Stoßrichtung:
       Die einen kriminalisieren oder viktimisieren Migrant_innen und Flüchtlinge
       und begründen eine Strafverfolgung von Schlepperei und Menschenhandel sowie
       eine Aufrüstung von Grenzen damit; die anderen fordern die Legalisierung
       der betroffenen Menschen und das Überflüssigmachen von Schlepperei und
       Menschenhandel durch die Erleichterung legaler Grenzübertritte.
       
       Die Differenzen sind so grundlegend und vielfältig, dass sie schwerlich in
       einem einzigen Pakt eingeebnet werden können, und doch ist es richtig, am
       Pakt – und damit an der gemeinsamen Verantwortung der Staatengemeinschaft
       für Migrant_innen – festzuhalten.
       
       ──────────────────── 
       
       Maximilian Pichl: Grundrechten Geltung verschaffen 
       
       [19][Die „New Yorker Erklärung“], die am Beginn der Verhandlungen über den
       Pakt stand, war eine Reaktion auf das Versagen der „internationalen
       Gemeinschaft“ im Umgang mit globalen Flucht- und Migrationsbewegungen. Noch
       im Jahr 2014 mussten die Vereinten Nationen aus Geldmangel die Mittel für
       die Versorgung von Flüchtlingen in den Kriegs- und Krisenregionen
       drastisch reduzieren. Die unzureichende Gesundheits- und
       Lebensmittelversorgung und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit in
       den großen Flüchtlingslagern veranlassten damals viele Menschen, unter
       anderem in Richtung Europa aufzubrechen.
       
       Davon, dass er die Steuerung von Migration „aushöhlt“ und das Ziel
       verfolgt, „schrittweise Grenzen zu öffnen“, kann keine Rede sein. Vielmehr
       besagt der UN-Migrationspakt, das Ziel sei ein „integriertes, sicheres und
       koordiniertes Grenzmanagement“. Weder die Operationen der
       Grenzschutzagentur Frontex zur Flüchtlingsabwehr noch das Visumssystem
       werden durch den Pakt angetastet.
       
       Falsch ist auch die Behauptung, der Pakt öffne die Tür für ein
       Menschenrecht auf Migration. Aus antirassistischer Sicht wäre das durchaus
       zu begrüßen, es lässt sich aber dem Pakt nicht entnehmen. An vielen Stellen
       fasst der UN-Migrationspakt nur die Rechte in einem Dokument zusammen, die
       heutzutage ohnehin in internationalen Verträgen festgelegt sind, zum
       Beispiel eine verpflichtende Seenotrettung, der Kampf gegen Menschenhandel
       oder die Sicherstellung von fairen Arbeitsverhältnissen.
       
       Über bereits geltende Grundrechte geht der Pakt kaum hinaus. Als eine der
       wenigen Neuheiten sieht der Abschlussentwurf einen diskriminierungsfreien
       Zugang von Migranten zu basalen Leistungen vor, dazu zählen materielle
       Sozialleistungen, die Gesundheitsversorgung und Teilhabe an inklusiver
       Bildung. Bezogen auf die Situation in Deutschland gibt es bereits ein
       Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das in der Praxis sehr
       oft missachtet wird. Der Pakt könnte immerhin dazu taugen, diesem
       Grundrecht Geltung zu verschaffen.
       
       Leider zeigt die Debatte über den UN-Migrationspakt, wie defensiv die
       Verteidiger der Rechte von Migranten und Flüchtlingen der
       rechtspopulistischen Agitation entgegentreten. In der Entwurfsversion steht
       explizit, das Dokument sei ein rechtlich nicht bindender
       Kooperationsrahmen, der das souveräne Recht der Staaten, ihre
       Migrationspolitik selbst zu bestimmen, nicht berührt. Auf diesen Aspekt
       wird in jeder Diskussion über den Pakt verwiesen, offenbar, um die Rechten
       zu beschwichtigen.
       
       Genau an dieser Stelle müsste aber eine migrationsfreundliche und
       antinationalistische Kritik einsetzen, um verbindliche Rechte von
       Migranten einzufordern. Dafür liefert der Pakt, so beschränkt seine
       Wirksamkeit sein mag, strategische Optionen. Er sieht internationale
       Überprüfungsgremien vor, die die Umsetzung des Paktes in der staatlichen
       Praxis sicherstellen sollen. Auf diese Weise ließe sich ein Maßstab zur
       Bewertung staatlicher Praxis etablieren. Durch die Verteidigung solcher
       Evaluation und eine gleichzeitige Kritik der repressiven Aspekte des Paktes
       hätte man [20][der Kampagne von AfD und anderen] offensiv begegnen können.
       Doch zu vernehmen sind nur rechte Einwände und als Reaktion
       Beschwichtigungsversuche, während antirassistische Kritik am
       UN-Migrationspakt, die durchaus notwendig wäre, kaum geäußert wird.
       
       (zuerst erschienen in Jungle World 2018/47) 
       
       ──────────────────── 
       
       Helmut Dietrich: Pakt soll die Kraft der Migration einhegen 
       
       Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ ist
       das erste weltumspannende Gemeinschaftsprodukt des UNHCR und [21][der IOM
       (Internationale Organisation für Migration)]. Während der UNHCR dem
       völkerrechtlichen Schutzauftrag von Flüchtlingen entstammt, kommt die IOM
       aus einer US-dominierten, zwischenstaatlichen Initiative, die sich weltweit
       zum Hauptakteur der Abschottung entwickelt hat und inzwischen als
       UN-Agentur arbeitet.
       
       Das Ziel des Globalen Pakts ist es, die „wilde“ Kollektivkraft der
       Migration in paradigmatischer Weise einzuhegen und beherrschbar zu machen.
       Historische Reminiszenzen werden wach, erinnert sei an die Studien von
       Charles Tilly zu den Arbeitskämpfen im 19. Jahrhundert: Disruptive
       Praktiken hatten die Arbeitskämpfe geprägt, bis die Protagonisten beider
       Seiten überein kamen, den Streik als legitimes Arbeitsmittel zu begreifen
       und genau zu definieren. Sabotage, Bummelstreik oder Weggang sollten als
       „illegale“ Aktionsformen gebannt und „legale“ Streikformen zugelassen
       werden.
       
       Doch dieser Vergleich hinkt. Zwar ist die Migration wohl die
       wirkungsmächtigste Kraft sozialer Veränderung, aber es handelt sich dabei
       um eine kollektive Aktion ohne Kollektive. Selbst die aktuellen Märsche auf
       den Flüchtlingskorridoren lassen sich wegen ihrer schwachen Organisation
       kaum mit bekannten sozialen Bewegungen vergleichen. Es gibt keine
       Protagonisten der Migration, die einen solchen Globalen Pakt mit den
       Staaten weltweit aushandeln könnten.
       
       Es wäre überaus wünschenswert, wenn Menschenrechte – einklagbar! – an den
       Grenzen der Nationalstaaten Einzug erhielten, wenn Bürgerrechte endlich zu
       Menschenrechten würden. Aber im Unterschied zur Erklärung der
       Menschenrechte oder zum Grundgesetz sind im Globalen Pakt die
       Daumenschrauben gleich mit aufgeführt. Diese sind nicht mehr in der
       Altherrensprache der Souveränität der Nationalstaaten formuliert, sondern
       im New Speak der Weltinnenpolitik. Deren Mantra lautet: Datenerfassung noch
       und nöcher, und sie beginnt stets bei den Migrant*innen und Geflüchteten.
       
       ────────────────────── 
       
       ## Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration
       
       26 Nov 2018
       
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