# taz.de -- Debatte BDS und Antisemitismus: Die Delegitimierung Israels
       
       > Die Boykottkampagne BDS ist nicht propalästinensisch, sondern
       > antisemitisch. Die Sozialbank sollte Unterstützern kein Konto gewähren.
       
 (IMG) Bild: Unterschiedliche Facetten des Antisemitismus sind virulent (Archivbild 2014)
       
       Im Jahr 2018 wurden in Deutschland zahlreiche Gewalttaten gegen Juden
       verübt. Im März wurde ein jüdisches Mädchen an einer Berliner Grundschule
       von muslimischen Mitschülern [1][antisemitisch bedroht]. Im April wurde in
       Berlin ein israelischer Kippaträger [2][mit Gürtelschlägen attackiert].
       Auch in Chemnitz wurde der Hass auf Juden auf die Straße getragen, als im
       August das Restaurant „Schalom“ von Neonazis [3][angegriffen wurde].
       
       Mir fallen alleine in diesem Land zahlreiche weitere Ereignisse ein, die
       einen Platz auf der „Liste der zehn weltweit schlimmsten antisemitischen
       Vorfälle“ verdient hätten, die das Simon Wiesenthal Center am Ende eines
       jeden Jahres veröffentlicht. Für das Jahr 2018 ist die Bank für
       Sozialwirtschaft auf Platz sieben gelandet, weil dort eine Organisation ein
       Konto unterhält, die die gegen Israel gerichtete Boykottkampagne BDS
       („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) unterstützt.
       
       Das kann man durchaus übertrieben finden. Das Ranking ist jedoch keineswegs
       „der Versuch, alle Zweifel an der israelischen Regierung moralisch mit dem
       wahllosen Gebrauch des Antisemitismus-Vorwurfs zu diskreditieren“, [4][wie
       es am 11. Januar in der taz hieß]. Vielmehr sollen die „Top Ten“ zeigen,
       dass unterschiedliche Facetten des Antisemitismus virulent sind.
       
       Die betreffende Organisation ist die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden
       in Nahost“. Dabei handelt es sich um eine sehr kleine Gruppe von Juden, die
       offen zur Zusammenarbeit mit BDS aufruft. Die Kampagne fordert einen
       vollständigen Boykott Israels und will das Land damit in der Politik,
       Wirtschaft, Kultur und Akademie isolieren. Teile der Kampagne sehen das
       gesamte Staatsgebiet als besetztes Land an und fordern so implizit die
       Abschaffung Israels.
       
       Die „Jüdische Stimme“ solidarisiert sich explizit mit dem BDS-Gründer Omar
       Barghouti, der diese Position vertritt. BDS fordert ein „Rückkehrrecht“ für
       die Kinder, Enkel und Urenkel derjenigen Palästinenser, die nach der
       arabischen Ablehnung des UN-Teilungsplans und der Staatsgründung Israels
       Palästina verlassen haben oder von dort vertrieben wurden. Durch die
       Vererbbarkeit des palästinensischen Flüchtlingsstatus beträfe dies 5,3
       Millionen Menschen. Damit würden Juden wieder einmal zur Minderheit gemacht
       werden. BDS will Israel als jüdischen Staat delegitimieren und muss aus
       diesen Gründen als antisemitisch bezeichnet werden.
       
       ## Eine absurde Fantasie
       
       Wenn diese Positionen auch von einzelnen Juden vertreten werden, werden sie
       dadurch nicht weniger problematisch. BDS diffamiert Israel als
       Apartheidregime und verharmlost damit nicht nur das bis 1994 bestehende
       rassistische Unrechtssystem in Südafrika, sondern dämonisiert und
       delegitimiert zudem den demokratischen Rechtsstaat Israel.
       
       Dort haben arabische Israelis, die rund ein Fünftel der Staatsbürger
       ausmachen, grundsätzlich die gleichen Rechte wie jüdische Israelis.
       Festgeschrieben ist das bereits in der Unabhängigkeitserklärung aus dem
       Jahr 1948. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass es keine
       gesellschaftliche Diskriminierung gäbe. Doch es ist eine absurde Fantasie,
       einem Land, in dem jüdische wie arabische Staatsbürger
       Parlamentsabgeordnete, Verfassungsrichter oder Diplomaten sind, ein
       Apartheidsystem zu unterstellen. Das tatsächliche Handeln von Juden spielt
       in der antisemitischen Ideologie nun mal keine Rolle.
       
       Für das Wiesenthal-Center „scheint Kritik an der israelischen Regierung und
       Antisemitismus das Gleiche zu sein“, hieß es am 11. Januar in der taz. Mit
       Kritik an spezifischer Politik hat BDS aber eben nichts zu tun. So zeigt
       ein genauerer Blick auf die Kampagne, dass es nur vermeintlich um den
       Einsatz für die Rechte der Palästinenser geht.
       
       Wäre dies so, müsste sich die Kampagne vor allem gegen die islamistische
       Hamas richten, die die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen massiv
       entrechtet, unterdrückt, mit antisemitischer Propaganda indoktriniert und
       als menschliche Schutzschilde im Krieg gegen Israel missbraucht. Von BDS
       unbeachtet bleiben auch Tausende leidende Palästinenser, die unter
       grauenvollen Bedingungen im syrischen Flüchtlingslager Jarmuk leben müssen.
       
       ## BDS geht es nicht um das Wohl der Palästinenser
       
       No jews, no news? Von der „Jüdischen Stimme“ und anderen BDS-Anhängern ist
       zumindest sehr selten etwas zu diesen Themen zu hören. Lieber fordert die
       Kleingruppe, dass der israelische Botschafter aus Deutschland ausgewiesen
       werden müsse. Solidarisiert sich mit Künstlern, die beim Berliner
       Pop-Kultur-Festival absagen, weil die israelische Botschaft dieses mit
       einem Reisekostenzuschuss in Höhe von 500 Euro unterstützt. Oder
       unterstützt BDS-Protestaktionen vor deutschen Kaufhäusern, die Produkte der
       Firma SodaStream verkaufen, da das Unternehmen lange in einer israelischen
       Siedlung im umstrittenen Gebiet des Westjordanlands produzierte.
       
       Hier zeigt sich erneut, dass es BDS nicht um das Wohl der Palästinenser
       geht: Als SodaStream 2015 seinen Standort ins Kernland verlegte, verloren
       Hunderte palästinensische Mitarbeiter ihre Jobs.
       
       Und die Bank für Sozialwirtschaft? Das Kreditinstitut erklärt zwar, sich
       „der Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel in besonderer Weise
       verpflichtet“ zu fühlen, hat die Geschäftsbeziehungen zu den Israelfeinden
       aber nach kurzzeitiger Kündigung wieder aufgenommen. Das gehört zwar nicht
       zu den schlimmsten antisemitischen Vorfällen des vergangenen Jahres. Doch
       die Bank zeigt damit zumindest Gleichgültigkeit gegenüber einem ihrer
       Gesellschafter, der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden. Diese drängte
       erfolglos darauf, den BDS-Unterstützern das Konto zu kündigen.
       
       Weniger Kunden hat die Sozialbank mittlerweile trotzdem: Unter anderem die
       Magnus-Hirschfeld-Stiftung, die für die Rechte von Lesben, Schwulen,
       Bisexuellen und Transpersonen eintritt, hat ihr Konto aus Protest
       gekündigt. Im Nahen Osten ist Israel im Gegensatz zu seinen Nachbarn für
       LGBT-Personen ein Ort der Freiheit. Die Entscheidung der Stiftung ist daher
       nur konsequent.
       
       15 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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