# taz.de -- Kieler Studentin über Nikabverbot: „Ich ziehe bis vors Verfassungsgericht“
       
       > Wegen Katharina K. hat die Uni Kiel ein Nikabverbot erlassen. Nun äußert
       > sich die betroffene Studentin zum Entschluss der Hochschule.
       
 (IMG) Bild: „Die Mimik spielt doch in einer Vorlesung gar keine Rolle“, sagt Katharina K.
       
       taz: Sie sind in Kiel geboren, mit christlichen Eltern aufgewachsen, 21
       Jahre alt … und vor drei Jahren zum Islam konvertiert. Wie kam es zu der
       Entscheidung?
       
       Katharina K.: Meine Familie war nie besonders gläubig, auch wenn ich
       getauft bin. Zum Islam bin ich gekommen, weil ich vor dem Abitur mein
       Englisch verbessern wollte und im Internet nach internationalen Kontakten
       gesucht habe. So habe ich Muslime kennengelernt. Ich hatte am Anfang auch
       Vorurteile, zum Beispiel gegen das Kopftuch. Aber dann habe ich mich mit
       dem Islam auseinandergesetzt und Antworten auf meine Fragen nach dem Sinn
       des Lebens gefunden.
       
       Wie hat Ihr Umfeld auf Ihren neuen Glauben reagiert? 
       
       Für meine Familie war das erst einmal nicht ganz einfach, aber sie steht
       voll hinter mir. Die erste wirklich negative Erfahrung habe ich nach dem
       Abi gemacht. Damals habe ich einen Bundesfreiwilligendienst in einem
       Tierheim gemacht und ein Kopftuch getragen. Mir wurde gesagt, die Tiere
       hätten wegen des Kopftuchs Angst vor mir.
       
       Sie wurden also bereits aufgrund des Kopftuchs diskriminiert. War es ein
       schwieriger Schritt für Sie, zusätzlich noch einen Nikab zu tragen? 
       
       Nein, es geht darum, Gottes Gesetzen zu folgen. Ich habe mich darüber
       informiert, welche Rolle der Nikab in den Überlieferungen spielt, und bin
       vor einem Jahr zu der Überzeugung gekommen, dass ich ihn tragen möchte. Es
       gibt viele Glaubensschwestern, die Angst haben, einen Nikab zu tragen, weil
       sie Diskriminierung befürchten. Ich kann sogar verstehen, dass Nichtmuslime
       Angst vor dem Islam haben und den Nikab ablehnen, wenn sie durch die Medien
       den Eindruck bekommen, unsere Religion sei nicht friedlich. Viele denken,
       die Männer zwingen die Frauen, den Nikab zu tragen. Tatsächlich habe aber
       ich meinen Mann gefragt, ob er damit einverstanden wäre und nicht
       andersherum. Auch deswegen ist es mir wichtig, mit dem Nikab an die Uni zu
       gehen. Ich möchte den Leuten zeigen: Ich werde nicht unterdrückt, ich mache
       das aus Überzeugung.
       
       Sie studieren im ersten Semester Ökotrophologie an der Universität Kiel.
       Wie haben die Dozenten und Kommilitonen an der Uni auf den Nikab reagiert? 
       
       Es gab hier und da natürlich neugierige Blicke, aber ich konnte mit jedem
       zusammenarbeiten und ich hatte nie den Eindruck, dass sich jemand an dem
       Nikab stört. Das ist in der Uni besser als auf der Straße, da werde ich
       manchmal beleidigt. Ich habe auch Freundinnen an der Uni gefunden. Die
       können sich überhaupt nicht vorstellen, dass jemand ein Problem mit dem
       Nikab haben kann. Mir wurde an der Uni viel Verständnis entgegengebracht
       und ich habe mich wirklich wohlgefühlt.
       
       Und trotzdem hat Ihre Uni jetzt [1][das Tragen des Nikabs in
       Lehrveranstaltungen verboten]. Sie sind die Einzige, die das betrifft. Hat
       man vorher mit Ihnen gesprochen? 
       
       Ich hatte meine Botanikvorlesung bei dem Dozenten, der das Verbot initiiert
       hat. Die letzte Vorlesung war eigentlich schon vorbei, da hat er mich
       gebeten, in sein Büro zu kommen. Er meinte, ich überschreite mit dem Nikab
       meine Grenzen und er sehe eine Kommunikationshürde, weil er meine Mimik
       nicht erkennt. Letztendlich war die Message: Entweder du ziehst den Nikab
       aus oder ich sorge mit dem Präsidium dafür, dass du nicht mehr an die Uni
       kannst.
       
       Wie haben Sie sich dabei gefühlt? 
       
       Mir war klar, dass es bei dem Gespräch um den Nikab gehen wird. Und
       trotzdem war ich in der Gesprächssituation geschockt. Ich als Frau werde
       von einem Mann gebeten, etwas auszuziehen. Ich möchte mir von einem Mann
       nicht sagen lassen, was ich trage und was nicht. Außerdem hat mich die
       Argumentation sauer gemacht, das hat für mich keinen Sinn ergeben. Wenn
       asiatische Studenten aus hygienischen Gründen einen Mundschutz tragen, wäre
       das kein Problem. Dabei wird damit genauso viel verdeckt wie beim Nikab.
       Ich bin mir sicher, dass es dem Dozenten nicht um die Kommunikation geht,
       sondern darum, dass ihm ein Nikab zu viel Islam an der Uni ist.
       
       Was sagen Sie zu dem Argument, dass der Nikab ein Kommunikationshindernis
       sei? 
       
       Ende Januar haben die Antidiskriminierungsstelle der Uni, mein Ehemann, der
       auch an der Uni studiert, und ich ein Gespräch mit dem Dozenten und der
       Vizepräsidentin der Uni geführt und versucht, dieses Argument zu
       widerlegen. Die Mimik spielt doch in einer Vorlesung gar keine Rolle, die
       kann man bei den Leuten in den letzten Reihen auch nicht erkennen. Ich habe
       auch mit anderen Dozenten gesprochen, die haben darin kein Hindernis
       gesehen, solange ich Fragen stellen und Fragen auch verstehen kann. Trotz
       unserer Argumente hat das Präsidium noch am selben Tag das Nikabverbot
       beschlossen.
       
       Können Sie die Meinung nachvollziehen, dass Diskussionen schwerer fallen,
       wenn man die Mimik, die Reaktionen und Gefühle im Gesicht des Gegenübers
       nicht sehen kann? 
       
       Ich kann verstehen, dass Menschen sich wohler fühlen, wenn sie mein Gesicht
       sehen können. Aber das bedeutet nicht, dass der Nikab in der Uni eine
       Kommunikationshürde ist. An der Uni geht es um wissenschaftlichen Diskurs.
       Da spielen meine Gefühle keine Rolle. Ich kann mich ausdrücken und man kann
       mich verstehen.
       
       Professor Wolfgang Schareck, der Rektor der Universität Rostock, hat in
       einem Interview mit der „Ostsee-Zeitung“ gesagt, die Gesichtsverschleierung
       könne als frauenfeindlich aufgefasst werden. Was sagen Sie dazu? 
       
       Der Nikab ist nicht frauenfeindlich und keine Unterdrückung. Ich kenne
       keine einzige Muslima, die den Nikab nicht freiwillig trägt. Auch Männer
       müssen im Islam bestimmte Dinge verdecken. Zum Beispiel sollten sie keine
       engen Oberteile tragen, wenn man dann ihre Muskeln sieht. Ich finde es eher
       frauenfeindlich, dass man mir sagt, dass ich mich ausziehen und mich einer
       anderen Meinung anpassen soll und in meiner Religionsfreiheit eingeschränkt
       werde – nur, weil jemand mein Gesicht sehen will. Jede Frau soll selbst
       entscheiden können, was sie trägt und was nicht.
       
       Wie geht es jetzt mit Ihrem Studium weiter? 
       
       Ich konnte meine Prüfungen nicht schreiben. Ich fühle mich in meiner
       wissenschaftlichen Karriere behindert und diskriminiert. Man stellt mich
       vor die Wahl: Entweder ich gebe meine Religion oder meine wissenschaftliche
       Karriere auf. Das verletzt mein Grundrecht auf Religionsfreiheit.
       
       Sind Sie bereit, gegen das Verbot zu klagen? 
       
       Ja, es stehen Menschen hinter mir, die mich dabei unterstützen. Ich werde
       auf jeden Fall klagen. Wenn nötig ziehe ich bis vors
       Bundesverfassungsgericht.
       
       19 Feb 2019
       
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