# taz.de -- Debatte um Nikabverbot in Kiel: Streit um Schleier an der Uni
       
       > In der Koalition gibt es Streit über eine Studentin im Nikab. Die Grünen
       > sind uneins in der Frage: Selbstbestimmung oder Unterdrückung?
       
 (IMG) Bild: In Kiel streitet die Politik über Verschleierung an der Uni
       
       KIEL taz | Katharina K. wurde christlich getauft, konvertierte als
       Jugendliche zum Islam und studiert Ernährungswissenschaften in Kiel – im
       Nikab. Der Versuch der Uni, diesen zu verbieten, scheiterte vor einem Jahr.
       Seitdem streitet die Landespolitik über Nikab und Burka im Lehrbetrieb,
       also Vollschleier und Schleier mit zusätzlichem Gitternetz vor den Augen.
       Für ein Verbot wäre eine Änderung des Hochschulgesetzes nötig. Dagegen sind
       die Grünen, wie sie jetzt beschlossen haben. Die bilden mit CDU und FDP die
       Jamaika-Regierung. Der Streit ist damit aber nicht beendet – auch innerhalb
       der Grünen nicht.
       
       „Für erfolgreichen Unterricht braucht es Kommunikation auf Augenhöhe. Dafür
       ist wichtig, das Gesicht zu sehen“, so Katharina Fegebank, Spitzenfrau der
       Hamburger Grünen und mögliche nächste Oberbürgermeisterin der Hansestadt.
       In Hamburg gibt es eine 16-Jährige, die vollverschleiert zur Schule geht.
       Fegebank fordert gesetzliche Grundlagen für ein Verbot. Auch Cem Özdemir
       hatte sich kritisch zur Haltung der schleswig-holsteinischen Grünen
       geäußert: Der Vollschleier mache „die Frau als Mensch unsichtbar“.
       
       Die Grünen in Schleswig-Holstein wollen Jugendliche und Studierende
       unterschiedlich betrachten: „Wir stimmen einem Verbot der
       Vollverschleierung an Schulen zu“, sagte die Landesvorsitzende Ann-Kathrin
       Tranziska am Montag. Das betreffe aber nicht die Universitäten, machte der
       hochschulpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Lasse Petersdotter, am
       Dienstag [1][in einem Tweet] klar: „Nein, an den Unis verbieten wir Burka
       und Nikab nicht.“ Der taz sagte er, es sei „völlig klar, dass die Debatte
       um die Vollverschleierung polarisiert“. Nicht nur innerhalb der Grünen,
       auch bei Frauenverbänden gebe es unterschiedliche Auffassungen. Und: „Man
       kann die Vollverschleierung falsch finden und trotzdem der Meinung sein,
       dass ein Verbot mehr schadet als es nützt.“
       
       ## Einigung auf ein paar Regeln
       
       Immerhin haben sich die drei Regierungsfraktionen auf einige Regeln
       geeinigt: Lange Schleier sollen aus Brandschutzgründen in Laboren verboten
       sein, und bei Prüfungen muss die Schleierträgerin eine Feststellung ihrer
       Identität erlauben. Beides entspricht einem Erlass der Kieler Universität
       vom Februar 2019, als der Streit begann. Dass der Nikab außerhalb der
       Lehrveranstaltungen auf dem Campus getragen werden darf, war nie strittig.
       
       Der Kieler Landtag hatte im Dezember zahlreiche Verbände und ExpertInnen
       eingeladen, die Argumente pro und kontra Schleier austauschten. Braucht es
       die Mimik, um das Gegenüber in einem Seminar zu verstehen? Nein, lautet ein
       Gegenargument. Das würde Blinde von Lehre und Lernen ausschließen. Und
       überhaupt: „Der Gesichtsausdruck der Studierenden steht nicht zur Bewertung
       der Dozierenden“, so der Kieler AStA, der Katharina K. unterstützt.
       
       Aber geht es um Selbstbestimmung, geht es um Unterdrückung? Letzteres,
       sagen CDU und FDP: „Vollverschleierung passt nicht zu einer freiheitlichen
       Gesellschaft.“ Ähnlich die Einschätzung des Seminars für Orientalistik in
       Kiel. Die kleine Minderheit der in Deutschland lebenden Muslime, die für
       die Vollschleierung sind, gehören meist den sehr konservativen
       wahhabitischen Gruppen an und würden „die Integration in die als ungläubig
       angesehene Gesellschaft strikt ablehnen“, schreibt der Lehrstuhlleiter Lutz
       Berger.
       
       Mit der Anhörung „haben wir in Schleswig-Holstein einen Beitrag dazu
       geleistet, die bundesweite Debatte zu versachlichen“, so Lasse
       Petersdotter. Aber ein Verbot sei nicht zielführend und bestrafe letztlich
       die Studentin, die damit abhängiger von Mann und Familie werde.
       
       Katharina K. trägt weiter Nikab und sei bereit, für dieses Recht zu klagen,
       sagte sie der taz im vergangenen Jahr [2][in einem Interview]. Hinter ihr
       „stehen Menschen, die mich dabei unterstützen“. Gemeint ist eine Gruppe,
       die laut [3][Medienberichten] Kontakte zur Salafistenszene hat.
       
       4 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/Ralf_Stegner/status/1224593736098820097
 (DIR) [2] /Kieler-Studentin-ueber-Nikabverbot/!5571117
 (DIR) [3] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_85291830/kieler-studentin-ich-stehe-zum-nikab-egal-was-kommt-.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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