# taz.de -- Migrantengefängnisse in Libyen: Nur die Schmuggler sind vorbereitet
       
       > Drei Lager sind geräumt, die Flüchtlinge fort. Libyens Küstenwache
       > erwartet eine neue Massenflucht nach Europa. Viele werden ertrinken.
       
 (IMG) Bild: Die Hälfte aller in Libyen abfahrenden Boote sinke unentdeckt und ohne Überlebende
       
       Libyens Innenminister Fathi Bashaga hat am Wochenende drei
       Migrantengefängnisse in Westlibyen schließen lassen. In Tajoura und den
       Küstenstädten Misrata und al-Chums verließen Hunderte Westafrikaner die zu
       Gefängnissen umgebauten Lagerhallen und Schulen. Von Misratas Vorort
       al-Kararim machten sich am Sonntag 900 Menschen zu Fuß auf in Richtung
       Innenstadt.
       
       Das UNHCR fordert seit Monaten die sofortige Freilassung der in Libyen
       [1][wegen illegaler Migration inhaftierten Flüchtlinge]. Folter,
       Vergewaltigung und Zwangsarbeit sind nach UN-Erkenntnissen in vielen
       inspizierten Gefängnissen Alltag. Sie sind im Krieg zwischen der in
       Tripolis sitzenden Regierung und der im Osten stationierten Libyschen
       Nationalarmee (LNA) unter Feldmarschall Haftar nicht sicher: Bei einem
       LNA-Angriff auf ein Lager im Hauptstadtvorort Tajoura waren am 2. Juli
       mindestens 50 Menschen aus sechs Ländern getötet worden.
       
       Innenminister Bashaga beklagte [2][nach dem Luftangriff] die mangelnde
       Unterstützung aus Europa. „Wir werden alle Lager schließen, sollte sich die
       Lage nicht ändern“, warnte Bashaga nach einem Treffen mit einer
       EU-Delegation am 17. Juli. „Wir können keinen Verteidigungskrieg gegen
       einen skrupellosen Gegner führen und uns gleichzeitig um Tausende Migranten
       und Flüchtlinge kümmern.“ Trotz dieser Ankündigung scheint die neue
       Entwicklung die internationalen Organisationen zu überraschen.
       UNHCR-Sprecher Mahecic bestätigte in Genf, dass man die Entscheidung
       begrüße, doch über das Schicksal der Freigelassenen habe man keine
       Informationen.
       
       Gegenüber der taz berichten die Wachen von al-Kararim in Misrata jetzt,
       dass die meisten Westafrikaner das Lager eigenständig und praktisch
       mittellos in unbekannte Richtung verlassen hätten. Was ihnen blühen könnte,
       ist an den umliegenden Stränden zu sehen. Am Sonntag fanden Helfer des
       Roten Halbmonds 20 angespülte Leichen im benachbarten al-Chums. 100
       Menschen werden vermisst, nachdem ihr hölzernes Fischerboot rund vier
       Kilometer vor der Küste gekentert war.
       
       ## Ohne Funkgeräte auch keine Notrufe
       
       Mit Mundschutz und roten Overalls patrouillieren mittlerweile täglich die
       Helfer die kilometerweiten Sandstrände zwischen der tunesischen Grenze und
       al-Chums. Mustafa Abuzeid, Kommandeur des Patrouillenbootes „Fezzan“, läuft
       von seiner Basis im Hafen von Tripolis fast täglich zu Rettungseinsätzen
       aus. Mit 12 aus Italien gelieferten Patrouillenbooten versucht die libysche
       Küstenwache, die 70 mal 300 Kilometer umfassende libysche Seerettungszone
       nach Schiffbrüchigen abzusuchen.
       
       „Manchmal finden wir nach mehreren Stunden die von der Rettungsstelle in
       Tripolis gemeldeten Unglücksorte. Manchmal finden wird auch nur noch
       [3][Teile der Schlauchboote]. Boote, die wir nicht rechtzeitig finden,
       haben keine Chance“, sagt Abuzeid. „Denn die Schlepper überladen die mit
       nur drei Luftkammern ausgestatteten 10-Meter-Schlauchboote in diesem Sommer
       mit bis zu 200 Menschen. Zuvor waren es höchstens 120.“
       
       Abuzeid schätzt, dass die Hälfte der aus Libyen abfahrenden Boote
       unentdeckt und ohne Überlebende sinkt. „Ohne Funkgeräte gibt es auch keine
       Notrufe.“ Aus abgehörten Funksprüchen und Telefonaten der Schmuggler wissen
       die libyschen Marineoffiziere, dass die Menschenhändler mit einem erneuten
       Ansturm aufs Meer rechnen. In Tunesien und Ägypten werden neue Fischerboote
       geordert, online werden chinesische Schlauchboote bestellt. Geliefert
       werden diese über die Containerhafen in Chums oder Tripolis, rund 2.500
       Euro pro Boot.
       
       Abuzeid fürchtet, dass in den nächsten Wochen alle 5.000 Insassen der
       Internierungslager für Migranten unorganisiert freikommen. Darauf seien
       zurzeit nur die Schmuggler vorbereitet.
       
       6 Aug 2019
       
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