# taz.de -- Volksbegehren für Mietpreisbremse: Großes Vorbild Berlin
       
       > Eine Münchner Initiative will Mieten auf dem Wohnungsmarkt begrenzen. SPD
       > und Linke sind mit dabei, die Grünen noch nicht.
       
 (IMG) Bild: Kann sich fast keiner mehr leisten: Wohnen in der Innenstadt von München
       
       MÜNCHEN taz | Man braucht gar nicht auf die angesagten Viertel in München
       zu schauen wie Schwabing oder Haidhausen. Wer sich dort die Miete nicht
       mehr leisten kann, zieht raus, so die Annahme. Doch gerade ein Blick ins
       Münchner Umland offenbart die Dramatik der Situation: Ein WG-Zimmer etwa im
       südwestlich von München gelegenen Planegg, 16 Quadratmeter, wird für 840
       Euro warm angeboten. 1.500 Euro kalt kostet eine 75 Quadratmeter große
       Dreizimmerwohnung in Fürstenried-West am Münchner Stadtrand. Sie befindet
       sich in einem hässlichen Hochhaus in einer recht unwirtlichen Gegend.
       
       Um solche Verwerfungen auf dem entfesselten Wohnungsmarkt zu verhindern,
       holt der Mieterverein München nun zum großen Schlag aus: Die Organisation
       strebt ein Volksbegehren für einen bayerischen Mietenstopp an. Künftig soll
       gesetzlich vorgeschrieben werden, dass Mieterhöhungen in laufenden
       Verträgen „grundsätzlich verboten“ sind, heißt es in dem Entwurf. Bei
       Neuvermietungen darf die neue Höhe nicht über der ortsüblichen
       Vergleichsmiete liegen. „Der Markt wird immer brutaler“, sagt
       Mieterverein-Vize Simone Burger. „Es trifft immer mehr Menschen mit
       normalem Einkommen, die sich das Leben nicht mehr leisten können.“ Motto
       des Volksbegehrens: „Uns glangt’s! Mieten-Stopp in Bayern!“
       
       Offenbar ist man im Freistaat nach dem äußerst erfolgreichen Volksbegehren
       für mehr Artenschutz („Rettet die Bienen!“) auf den Geschmack gekommen, mit
       dieser Art der Gesetzgebung die Parlamentsmehrheit aus CSU und Freien
       Wählern (FW) auszuhebeln. Damit gibt es in Deutschland nun drei
       verschiedene Initiativen, um auf dem Mietmarkt wieder bezahlbare Preise
       durchzusetzen. In Berlin sollen große Immobilienkonzerne mit einem
       Volksbegehren enteignet werden, der Name der Aktion: „Deutsche Wohnen & Co
       enteignen“. Zugleich plant die rot-rot-grüne [1][Berliner] Landesregierung,
       für fünf Jahre einen „Mietendeckel“ einzuführen, der Mieterhöhungen
       verhindert.
       
       „Das bayerische Modell ist ähnlich wie das des Berliner Senats“, sagt der
       Bielefelder Jura-Professor Franz Mayer im Gespräch mit der taz. Zusammen
       mit seinem Kollegen Markus Artz ist er maßgeblich an den zwei
       Gesetzentwürfen beteiligt. Die beiden betreten damit juristisches Neuland.
       Denn bisher galt die Ansicht, dass das Mietrecht keine Länder-, sondern
       Bundesangelegenheit ist, geregelt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Mayer
       aber meint: „Im föderalen Gefüge sind grundsätzlich erst einmal die Länder
       für alles zuständig.“ Die Frage sei, ob sich bei diesem Thema aus dem
       Grundgesetz eine „Sperre“ ergebe. Er sagt: „Das ist nicht der Fall.“
       
       ## Gerät gerade etwas aus dem Lot?
       
       Die Initiatoren möchten, das ist der große Unterschied, den Mietenstopp
       nicht im bürgerlichen, sondern im öffentlichen Recht auf Landesebene
       festschreiben. Letzteres regelt das Verhältnis zwischen dem Staat und den
       Bürgern. Doch um von der Seite des Staates in den Mietmarkt einzugreifen,
       bedarf es eines guten Grundes. Den sieht Mayer gegeben: „Man muss sich
       fragen: Droht etwas aus dem Lot zu geraten, wenn sich etwa Erzieher,
       Postboten oder Polizistinnen die Stadt nicht mehr leisten können?“ Dann
       könne man aus „übergeordneten Gemeinwohlgründen“ die Mietpreise
       reglementieren. Zudem beruft sich die bayerische Initiative auch auf die
       Verfassung des Freistaats, in der steht: „Jeder Bewohner Bayerns hat
       Anspruch auf eine [2][angemessene Wohnung].“
       
       Anders als in Berlin soll der Stopp nicht überall, sondern in 162 Städten
       und Gemeinden gelten – nämlich dort, wo die Staatsregierung einen
       „angespannten Wohnungsmarkt“ festgestellt hat. Vorgesehen ist der Stopp
       zunächst für die Dauer von sechs Jahren. Verstöße können mit einer Geldbuße
       bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Wohnungen, die in diesem Jahr erstmals
       neu vermietet werden, sind vom Mietenstopp ausgenommen. Damit will man
       verhindern, dass niemand mehr neue Wohnungen baut. Auch soziale Vermieter
       werden geschont – sie dürfen die Miete bis auf 80 Prozent der örtlichen
       Vergleichsmiete erhöhen.
       
       ## Am Ende wird das Verfassungsgericht entscheiden
       
       Der größte Unterschied zwischen Bayern und Berlin besteht im Weg zum
       Gesetz: Für ein Volksbegehren braucht man im Freistaat zuerst 25.000
       Unterschriften. Im zweiten Schritt müssen sich mindestens 10 Prozent der
       Wahlberechtigten auf den Rathäusern dafür eintragen, das sind knapp eine
       Million Menschen. Dann kommt es zu einer Abstimmung. Die schwierigste Hürde
       ist aber der Bayerische Verfassungsgerichtshof. Die Staatsregierung würde
       das Gesetz, so meint Justizminister Georg Eisenreich (CSU), mit Sicherheit
       als verfassungswidrig einstufen und das höchste Gericht anrufen. Daran sind
       schon manche Volksbegehren gescheitert. Jura-Professor Franz Mayer
       vermutet, dass das Thema am Ende wohl das Bundesverfassungsgericht
       beschäftigt.
       
       Noch wird an dem Gesetzentwurf gefeilt, Unterstützer sind bisher die
       Landes-SPD, der Münchner DGB, die Bayern-Linke und der Sozialverband
       Deutschland. Die wichtigen Grünen halten sich bisher zurück, sie warten auf
       weitere Informationen und wollen bis Ende September entscheiden.
       Startschuss für das Unterschriftensammeln soll nach der Wiesn sein, die am
       6. Oktober endet.
       
       16 Aug 2019
       
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