# taz.de -- Discounter gegen Einzelhandel: Kampf um den Biomarkt
       
       > Große Bioladenketten verdrängen kleine Geschäfte. Jetzt ruft ein
       > bedrohter Laden in Berlin die Branche auf, ihr Wirtschaften zu
       > überdenken.
       
 (IMG) Bild: Der Biomarkt ist umkämpft, die Großen verdrängen die Kleinen
       
       BERLIN taz | Bilder von Kühen auf saftig grünen Wiesen vor Bergkulisse; ein
       fröhlich lachender Bauer in uriger Tracht und viel, viel Grün. Die
       Biobranche inszeniert sich als achtsame und nachhaltige Alternative zur
       konventionellen Lebensmittelwirtschaft.
       
       Doch der Konkurrenzkampf im Handel mit Bioprodukten ist hart. Es tummeln
       sich immer mehr Player auf dem Ökomarkt. Zum einen große Biomarktketten,
       die sich besonders in den Städten ausbreiten. Zum anderen Discounter und
       konventionelle Supermärkte, die auf eigene Biolinien setzen. Auf der
       Strecke bleibt der kleine Bioladen von nebenan.
       
       Das führt dazu, dass auch in der Biobranche immer mehr Wohlstand in den
       Händen von immer weniger Unternehmern konzentriert wird. Die Konzentration
       kann auch den Preisdruck auf die Bauern steigern, die aus immer weniger
       Abnehmern auswählen können. Gerade kleine Höfe können dann nicht mehr
       mithalten. Dabei sind sie besonders wichtig für die Umwelt, weil sie meist
       kleinere Felder mit mehr Rändern haben, in denen mehr Pflanzen- und
       Tierarten überleben können.
       
       Der Berliner Bioladen Bioase44 schlug Ende Juli in einem offenen Brief an
       die Biobranche Alarm. Auslöser ist die Eröffnung einer Filiale der Kette
       Bio Company 170 Meter entfernt in derselben Straße. Die Gründerinnen der
       Bioase44, Elke Dornbach und Nadia Massi, sehen sich mit ihrem Laden, den
       sie 2012 eröffneten, als Biopionierinnen im Viertel. Nun sei nach Eröffnung
       der Bio-Company-Filiale ihr Umsatz eingebrochen und ihre Existenz bedroht –
       auch durch zwei Filialen der Biokette denn’s, die in den letzten Jahren in
       unmittelbarer Nachbarschaft eröffnet haben.
       
       ## „Wir vermissen die Empörung“
       
       „Wir vermissen eure Empörung“, schreiben Dornbach und Massi und richten
       sich damit an die Biobranche. Ein aggressiver Verdrängungswettbewerb wie im
       konventionellen Einzelhandel passe nicht zu den Werten der Branche. Dennoch
       werde der Trend von der Branche einfach hingenommen. Nur wenige würden sich
       öffentlich dagegen positionieren.
       
       In einem Projekt des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN) zusammen
       mit der Bio Verlag GmbH wurden Zahlen der Branche aus den Jahren 2010 und
       2017 miteinander verglichen: In dieser Zeitspanne steigerten die
       Bio-Supermärkte ihren Marktanteil innerhalb der Branche von 13 auf 27
       Prozent, während der Anteil kleinerer Fachgeschäfte von 75 auf 60 Prozent
       sank.
       
       Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft beobachtet ebenfalls eine
       zunehmende Filialisierung: Zwei Drittel der Neueröffnungen von Läden im
       Jahr 2018 gingen auf das Konto von Ketten; kleine und mittelgroße Geschäfte
       wurden häufiger geschlossen.
       
       Im Kodex des Verbandes BNN, in dem sowohl die Bioase44 als auch die Bio
       Company Mitglieder sind, ist von „partnerschaftlichem Handeln über alle
       Stufen der Wertschöpfungskette“ die Rede. Es gibt aber keine Werkzeuge, die
       das gewährleisten.
       
       ## Der Verband BNN bot Mediationsverfahren an
       
       Im Fall der Bioase44 bot der BNN seinen beiden Mitgliedern ein
       Mediationsverfahren an. Doch Dornbach und Massi von der Bioase44 fragen,
       was das bringen solle. „Den Standort werden sie sicherlich nicht mehr
       verlassen“, sagen sie auf Nachfrage der taz. Ein Gespräch mit Georg Kaiser,
       Geschäftsführer der Bio Company, lehnten sie ebenfalls ab. Dieser
       verteidigt den Standort der Filiale in einem Statement für das
       Branchenportal Bio-Markt.info damit, dass seine Firma eine andere Klientel
       ansprechen würde.
       
       Dornbach und Massi kritisieren, dass große Bioketten von Rabatten durch
       Hersteller und Kredite durch Banken profitieren. Wenn auch kleinen Läden
       diese Vorteile gewährt werden würden, wäre das hilfreich, so die
       „Ladnerinnen“. Für Kathrin Jäckel vom BNN wären solche Maßnahmen zwar
       denkbar, diese lägen aber im Bereich des unternehmerischen Handelns.
       
       ## Gebietsschutz wäre noch was
       
       Ein weiteres Mittel für Dornbach und Massi wäre ein Gebietsschutz für Läden
       der Biobranche. Doch dem steht Jäckel vom BNN kritisch gegenüber. „Ich
       wüsste nicht, wie man das umsetzen könnte“, so Jäckel.
       
       Für die Betreiberinnen der Bioase44 würden solche Maßnahmen auch nur
       Symptome bekämpfen. Die Biobranche solle ihre Art des Wirtschaftens
       generell hinterfragen, sagen sie. Auf den Verdrängungswettbewerb der
       konventionellen Supermärkte mit einem weiteren Verdrängungswettbewerb
       innerhalb der Branche zu reagieren, halten sie für die falsche Strategie.
       Stattdessen könnte ein fairer Wettbewerb ein Alleinstellungsmerkmal
       gegenüber dem konventionellen Handel sein. „Wir fürchten nur, da ist der
       Zug schon abgefahren“, so Massi und Dornbach.
       
       12 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Niklas Münch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Verdrängung
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