# taz.de -- Podcastkritik „schon gehört?“: Die Krankheit normalisieren
       
       > Mit dem Podcast „Kopfsalat“ widmen sich zwei Radiomoderatorinnen dem
       > Tabuthema Depression. Er wirkt sehr gehaltvoll, aber überladen.
       
 (IMG) Bild: Die beiden „Kopfsalat“-Macherinnen sind selbst direkt von Depressionen betroffen
       
       Was ist Depression? Fachlich gesprochen eine multifaktorielle Erkrankung,
       die als Ursache eine Stoffwechselstörung sowie gewisse Lebensumstände haben
       kann, und die sich durch das Gefühl der inneren Leere, durch emotionale
       Erschöpfung, Freudlosigkeit und Interessenverlust äußert. Soweit die
       komplexe medizinische Definition. Die meisten Menschen verstehen etwas
       anderes unter dem Wort. Etwas, das am Kern der Sache häufig vorbeigeht.
       
       Diese Missverständnisse um Depression wollen der Verein „Freunde fürs
       Leben“ und die Moderatorinnen Sonja Koppitz und Sara Steinert auflösen –
       und möglichst durch Fakten ersetzen. Dafür haben sie sich das
       Tabubrech-Medium Podcast geschnappt und versenden nun einmal im Monat den
       Depressions-Podcast „Kopfsalat“ aus Berlin. Das darf auch Spaß machen, so
       viel sei vorweg gesagt.
       
       Koppitz und Steinert sind RBB-Radiomoderatorinnen. Beide sind durch das
       Thema Depression direkt betroffen. Koppitz hatte bis vor kurzem selbst
       eine, sagt über sich, sie sei „erst seit einem Jahr wieder aufm Dampfer“.
       Steinert wurde über ihren Vater mit der Krankheit konfrontiert, der hat
       sich aufgrund von Depressionen das Leben genommen.
       
       4 bis 5 Millionen Menschen erkranken in Deutschland je nach Schätzung pro
       Jahr an einer Depression. Fast jede*r kennt jemanden, die oder der erkrankt
       ist. Dennoch ist der offene Umgang schwieriger als bei anderen Krankheiten.
       Und hier wollen sich Koppitz und Steinert das Tabubrech-Medium Podcast
       zunutze machen.
       
       In „Kopfsalat“ wollen die Moderatorinnen Depression normalisieren, aber
       nicht nur, sie wollen auch informieren, Betroffenen und Angehörigen
       wichtige Fragen beantworten. Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich mit
       Betroffenen zu tun habe? Wann hole ich am besten auch Hilfe für mich? Was
       sage ich am Arbeitsplatz? Wie gehe ich mit Suizidgedanken um?
       
       Der Podcast ist, wie das bei Podcasts von Radioprofis oft ist, ein wenig
       überladen und überproduziert. Während halbprofessionelle Podcaster*innen
       oft dem Sog des Zwiegesprächs vertrauen oder höchstens einen Gast
       dazuladen, lassen sich Radiomacher*innen häufig nicht davon abbringen, eine
       Radiosendung zu machen. Das passiert auch bei „Kopfsalat“.
       
       Die drei Gesprächsgäste werden mit vorbereiteten Einspielern vorgestellt,
       dazu kommen noch Einspieler von Ärzt*innen am Universitätsklinikum Charité
       und obendrein ein Einspieler mit einer Straßenumfrage. Für 60 Minuten Radio
       mag das die übliche Menge an Stimmen sein, für 60 Minuten Podcast ist es
       verdammt viel und niemand kommt mal so richtig ins reden.
       
       Diese gewisse Ruhe, die viele am Medium Podcast schätzen, geht daher in
       leichter Gehetztheit verloren. Was aber gelingt, ist die Information. Denn
       Koppitz und Steinert sind vorbereitet, haben recherchiert, verlassen sich
       nicht darauf, dass bloßes Empfinden den Podcast trägt, sondern setzen auf
       Fakten. Für Betroffene und Angehörige, die gerade mittendrin stecken,
       dürfte der Podcast daher nicht nur Erleichterung sein, sondern auch Kompass
       fürs eigene Verhalten.
       
       3 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Weissenburger
       
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