# taz.de -- Pressefreiheit in Australien: Schwarze Balken statt Schlagzeilen
       
       > Am Montag haben Zeitungen in Australien zensierte Titelseiten abgedruckt.
       > Die Journalisten protestieren gegen Einschränkungen der Pressefreiheit.
       
 (IMG) Bild: Protestaktion gegen eine Behördenpolitik der Geheimhaltung
       
       CANBERRA taz | In Schwarz, mit einem roten Stempel, der „Geheim“ sagt: so
       präsentierte sich am Montag die Tageszeitung The Australian. Auch die
       Titelseiten der Konkurrenzblätter Sydney Morning Herald und Financial Revue
       zeichneten ein ungewohntes Bild. Statt der üblichen Schlagzeilen fanden
       Leser bloß schwarze Zensurbalken.
       
       Mit dieser konzertierten Maßnahme protestieren die australischen Medien
       gegen die ihrer Meinung nach wachsende Einschränkung der Pressefreiheit.
       „Australien läuft Gefahr, die geheimnisvollste Demokratie der Welt zu
       werden“, so David Anderson, Chef des staatlichen Fernseh- und Radiosenders
       ABC. Seit den Terroranschlägen von 2001 in New York habe Canberra über 75
       sogenannte Sicherheitsgesetze verabschiedet, [1][von denen viele die Arbeit
       von Journalisten erschwerten] oder gar zur illegalen Tätigkeit erklärten,
       erklärte der Präsident des australischen Journalistenverbandes MEAA, Marcus
       Strom.
       
       Journalisten aller Medienhäuser hatten Alarm geschlagen, nachdem die
       australische Bundespolizei [2][im Juni dieses Jahres die Redaktionsräume
       von ABC] durchsucht und Dokumente beschlagnahmt hatte. Die [3][Razzien
       hatten weltweit Aufsehen erregt.] Der Sender hatte 2017 aufgrund von
       zugespielten, vertraulichen Informationen darüber berichtet, wie
       australische Elitesoldaten in Afghanistan mutmaßlich Zivilisten getötet
       haben sollten, unter ihnen auch Kinder.
       
       Zuvor hatte ein Polizeiteam die Wohnung der Politik-Journalistin Annika
       Smethurst nach Dokumenten durchsucht. Die Reporterin hatte im vergangenen
       Jahr mehrere als „Geheim“ klassifizierte Papiere zu einem Plan der
       Regierung veröffentlicht, dem Geheimdienst zu ermöglichen, australische
       Staatsbürger abzuhören. Sowohl Smethurst als auch den Reportern von ABC
       droht ein strafrechtliches Verfahren wegen der Veröffentlichung von
       geheimen Dokumenten. Auch Whistleblower, die Journalisten solches Material
       weiterleiten, müssen mit langjährigen Haftstrafen rechnen.
       
       ## Abwägung: Pressefreiheit und nationale Sicherheit
       
       Die Regierung gibt als Grund für die Geheimhaltung und die
       Nichtveröffentlichung von Dokumenten meist eine mögliche Gefährdung der
       nationalen Sicherheit an. Vertreter der Medien dagegen meinen, die harten
       Strafen erlaubten der Regierung, legitime und dringend notwendige Kritik an
       Missständen abzuwürgen. Stück für Stück hätten die neuen Gesetze „das Recht
       der Öffentlichkeit, die Wahrheit zu erfahren, zunichte gemacht“, so
       Journalistensprecher Marcus Strom am Montag.
       
       Der „Schleier der Geheimhaltung“ sei inzwischen so groß, „dass man uns
       nicht mehr sagen darf, wann und aus welchem Grund die Inkassounternehmen
       des Finanzamts Geld aus unseren Bankkonten nehmen, welche Pflegeheime
       Patienten misshandeln, weshalb die Regierung tausende Hektar Land an einen
       Ausländer verkauft, ja nicht einmal, was auf dem Mittagsmenü im Speisesaal
       im Parlamentsgebäude in Canberra steht“, sagt Strom.
       
       Der australische Premierminister Scott Morrison meinte, er sei „für
       Pressefreiheit“, verlange aber, „dass niemand über dem Gesetz steht“, auch
       nicht Journalisten. Auch Energieminister Angus Taylor sprach sich am Montag
       für die Freiheit der Medien aus. Dieses Recht müsse aber „gegen die
       Bedürfnisse nach Sicherheit des Staates“ abgewogen werden. Nach den Razzien
       zur Jahresmitte hatte die Regierung den für Geheimdienste zuständigen
       Parlamentsausschuss beauftragt, die Befugnisse der Behörden zu untersuchen.
       Kritiker meinen, das Gremium sei vorbelastet, da es die Polizeieinsätze
       gegen die Journalisten sanktioniert habe. Der Bericht soll im November
       veröffentlicht werden.
       
       21 Oct 2019
       
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