# taz.de -- Wilke-Wurst-Skandal in Nordhessen: Priska Hinz ist nicht schuld
       
       > Hessens Agrarministerin schiebt die Verantwortung weg: Behördenversagen
       > und kriminelle Energie seien der Grund für die verunreinigte Wurst.
       
 (IMG) Bild: Der fährt jetzt nicht mehr: Lkw-Anhänger von Wursthersteller Wilke
       
       WIESBADEN taz | Unangekündigte Kontrollen der Lebensmittelhersteller, ein
       landesweites Durchgriffsrecht der zentralen „Task-Force
       Lebensmittelsicherheit“ und ein besserer Austausch zwischen den
       Bundesländern bei Verdachtsfällen – mit solchen „strukturellen
       Veränderungen“ will die grüne hessische Verbraucherschutzministerin Priska
       Hinz sicherstellen, dass sich ein Skandal wie der um den nordhessischen
       Wursthersteller Wilke nicht wiederholen kann. Im Oktober war bekannt
       geworden, dass mit Listerien verunreinigte Fleischprodukte der
       nordhessischen Firma für [1][37 Erkrankungen und drei Todesfälle
       verantwortlich] gewesen waren.
       
       Für die Versäumnisse bei der Kontrolle dieses Betriebs machte die
       [2][Ministerin am Montag im Wesentlichen den Landkreis Waldeck-Frankenberg
       verantwortlich]. Seit 2005 sind in Hessen die Landkreise für die
       Lebensmittelüberwachung zuständig. Damals hatte die Landesregierung unter
       Ministerpräsident Roland Koch, CDU, die Verlagerung der Zuständigkeit vom
       Land auf die Kommunen als Abbau von Bürokratie gepriesen.
       
       Dieser Schritt sei ein Fehler gewesen, sagte die Ministerin. Dem hessischen
       Landtag liegt inzwischen ein Gesetzentwurf zur Beratung vor, der dem Land
       wieder ein Weisungsrecht bei der Lebensmittelaufsicht einräumt. In Zukunft
       sollen die Fachleute von Kommunen, Regierungspräsidien und Landesbehörden
       jeden Lebensmittelhersteller in Hessen mindestens einmal jährlich gemeinsam
       und unangemeldet kontrollieren, kündigte Hinz an.
       
       Die Ministerin veröffentlichte am Dienstag auch den Bericht des Landkreises
       zu dem Fall. Daraus geht hervor, dass das Veterinäramt „versehentlich“ die
       Risikoeinstufung der Firma Wilke von monatlich auf vierteljährlich
       herabgesetzt hatte.
       
       ## „Gravierende hygienische Mängel“
       
       Bei einer der regelmäßigen Kontrollen des Landkreises wurden am 21. Mai
       2019 „gravierende hygienische und bauliche Mängel“ protokolliert. Dem
       Betrieb wurde auferlegt, die hygienischen Mängel „sofort“ und die baulichen
       „binnen vier Monaten“ zu beheben.
       
       Doch der Bericht der Task-Force Lebensmittelsicherheit vom 3.Oktober, viele
       Monate später, belegt, dass diese Auflagen offenbar folgenlos blieben:
       „Verwesungsgeruch“ in einem Aufzug, in dem unverpackte Wurst und Fleisch
       transportiert wurde. Außerdem ein Wurstkutter, in den von der Decke
       Kondenswasser tropfte, Produktionsrückstände in der Lochscheibe einer
       Wurstmaschine, Schimmel, Rost und Kalkrückstände an Decken und Wänden – nur
       ein kleiner Auszug aus der Mängelliste der Kontrolleure. Der Betrieb wurde
       umgehend geschlossen, das Unternehmen hat inzwischen Insolvenz angemeldet.
       
       Dem ehemaligen Geschäftsführer von Wilke-Wurst attestierte Ministerin Hinz,
       mit „krimineller Energie“ gewirtschaftet zu haben. Sie begrüßte die
       staatsanwaltlichen Ermittlungen. Untersucht werden nicht nur die drei
       Todesfälle, die die Behörden mit Listerien aus der Firma Wilke in
       Verbindung gebracht haben.
       
       Inzwischen sind weitere 22 der erkrankten Personen gestorben. Ob allerdings
       die Listerien für weitere Todesfälle ursächlich sei, müsse erst noch
       untersucht werden, so die Staatsanwaltschaft. Unter den erkrankten Personen
       waren viele betagte Menschen, da vor allem SeniorInnenheime, Reha-Zentren
       und Krankenhäuser auf der Kundenliste der Firma Wilke standen.
       
       ## „Hätte, sollte, könnte“
       
       Für die Landtags-SPD erklärte der Abgeordnete Knut John zur PK der
       Ministerin: „Die Ausführungen bestanden im Wesentlichen aus ‚hätte‘,
       ‚sollte‘, ‚könnte‘ und ‚müsste‘ – aber Krisenmanagement im Konjunktiv kann
       nicht funktionieren.“ Und für die FDP stellte die Landtagskollegin Wiebke
       Knell fest: „Die Ministerin ist im Umgang mit dem Wilke-Skandal offenkundig
       überfordert. Es kann nicht sein, dass sie die Schuld in erster Linie dem
       Landkreis zuschiebt.“
       
       Als „Skandal im Skandal“ bezeichnete Foodwatch-Geschäftsführer Martin
       Rücker den Auftritt der Ministerin. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sie
       die richtigen Konsequenzen aus dem Fall Wilke ziehe. „Zu wenige Kontrollen
       – das allein erklärt den Fall Wilke nicht: Der Skandal liegt darin, dass
       die Behörden – auch in Abstimmung mit dem Ministerium – seit dem Frühjahr
       keine öffentlichen Rückrufe bei Wilke durchsetzten und die Menschen nicht
       oder nicht konkret genug warnten, um schwere Erkrankungen zu verhindern“,
       so Rücker.
       
       19 Nov 2019
       
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