# taz.de -- Wahlen um den SPD-Parteivorstand: Robuste Machtpolitik
       
       > Die Jusos schicken Ralf Stegner in die Wüste. Und GenossInnen mit
       > Migrationshintergrund haben es in der SPD noch immer schwer.
       
 (IMG) Bild: Serpil Midyatli, neue Parteivize, ist eine von vielen Delegierten mit Migrationshintergrund
       
       BERLIN taz | Samstag um 12 Uhr Mittag [1][zerbricht die Harmonie-Fassade]
       des SPD-Parteitags in Berlin. Jedenfalls für einen Moment. Bei den Wahlen
       für die erweiterte Parteispitze gab es einige Überraschungen. Michael
       Müller, regierender Bürgermeister von Berlin, und Martin Dulig, SPD-Chef in
       Sachsen, fallen im ersten Wahlgang durch. Ebenso der Außenminister Heiko
       Maas. Noch nie hatte in der SPD ein Außenminister, traditionell ein Amt,
       das blendende Sympathiewerte beschert, ein so schlechtestes Standing in der
       Partei. Auch die GenossInnen wissen offenbar nicht so recht, für welche
       Außenpolitik Maas steht.
       
       Der Parteitag wird unterbrochen. Die Landesverbände müssen erstmal checken,
       wie man den Schaden behebt. [2][Parteichefin Saskia Esken] bittet die
       Delegierten, beim zweiten Wahlgang Ost-Kandidaten wie Dulig zu wählen. Kein
       Wort zu Heiko Maas. Der Ablauf stockt. Die NRW-Fraktion braucht noch länger
       für Beratungen. Maas und Dulig werden dann im zweiten Anlauf doch gewählt.
       
       Michael Müller gibt hingegen auf. Und an diesem Mittag endet auch Ralf
       Stegners Karriere in der Bundes-SPD. Er ist seit mehr als einem Jahrzehnt
       eine Stimme der SPD-Linken. Oder eben – er war es. Er bleibt zwar
       Fraktionschef im Kieler Landtag. Aber in der 34-köpfigen weiteren
       SPD-Führung in Berlin ist für Stegner, bisher Parteivize, kein Platz mehr.
       
       Stegner hatte sich mit Jusochef Kevin Kühnert, dem neuen starken Mann der
       Parteilinken, überworfen. Der 60-Jährige habe eben den Absprung verpasst,
       so die kühle Ansage aus Jusokreisen. Man wolle einen Generationswechsel.
       Die Jusos haben viel Einfluss auf diesem Parteitag. Sie können
       Machtpolitik. Auch sehr robust.
       
       ## Diversity buchstabiert man anders
       
       Auch Aziz Bozkurt, Vorsitzender der AG Migration und Vielfalt, fällt bei
       der Wahl durch. Ebenso die linke Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Cansel
       Kiziltepe. Die SPD hat sich eigentlich vorgenommen, eine 15-Prozent-Quote
       für [3][GenossInnen mit Migrationshintergrund] in den Bundesgremien
       einzuhalten. Doch wenn es bei Personalien kracht, gerät dieses Ziel als
       erstes in Vergessenheit. Serpil Midyatli, türkeistämmige Kielerin, ist zwar
       neue Parteivize – aber eben nur eine von zehn in der engeren Parteispitze.
       
       Die Hamburgerin Aydan Özoğuz, früher Staatsministerin im Bundeskanzleramt,
       wird Beisitzerin – eine von 24. Das sind weniger als sechs Prozent.
       Diversity buchstabiert man anders. „Die SPD vergibt da eine Chance“, sagt
       Bozkurt der taz. Bei den mehr als 600 Delegierten ist der Anteil von
       GenossInnen mit Migrationshintergrund recht hoch. Doch der Weg nach oben,
       so Bozkurt, „wird oft von Platzhirschen versperrt“. Die SPD hat etwas
       Strukturkonservatives, Schwerfälliges.
       
       ## Sanfter Ruck nach Links
       
       Sozialpolitisch rückt die SPD indes nach links. Sanft, nicht mit einem
       Ruck. Es soll eine Kindergrundsicherung geben – damit Kinder nicht mehr im
       Hartz-System groß werden. Bei Hartz IV, das jetzt Bürgergeld heißen soll,
       ist zwar kein kompletter Verzicht auf Sanktionen anvisiert, aber auch bei
       Sanktionen müsse das „sozioökonomische und soziokulturelle Existenzminimum
       jederzeit gesichert sein“, so die Linie.
       
       Vermögen und Wohnverhältnisse von Hartz-IV – oder eben Bürgergeld –
       Empfängern sollen erst nach zwei Jahren kontrolliert werden. Und
       Arbeitslose, die sich weiterbilden, sollen bis zu drei Jahren
       Arbeitslosengeld bekommen.
       
       All das zusammen ist ein austarierter Kompromiss zwischen Hubertus Heil und
       der Parteilinken, die den Bruch gerne noch entschlossener gehabt hätte. Die
       GenossInnen stimmen ohne Gegenstimme für das Sozialstaatskonzept, das
       deutlich die Handschrift von Andrea Nahles trägt. Dann applaudieren sie
       lange für sich selbst. Es ist ein Augenblick der Harmonie. Und der
       Sehnsucht, dass die SPD die Agendapolitik, die ihr seit 15 Jahren folgt wie
       ein Schatten, jetzt endlich loswerden möge.
       
       7 Dec 2019
       
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