# taz.de -- Flucht übers Mittelmeer: Ertrunken, erschossen, interniert
       
       > Die Situation von Geflüchteten im Mittelmeer bleibt lebensgefährlich.
       > Malta sperrt Neuankömmlinge mittlerweile wieder in Lager.
       
 (IMG) Bild: Leisten Hilfe, wo die EU-Staaten sie verweigern: private SeenotretterInnen im Mittelmeer
       
       Im Mittelmeer hat sich die Lage von [1][Fliehenden] in den vergangenen
       Tagen verschärft. Rund ein Dutzend Boote sind seit Donnerstag vor der Küste
       Libyens in Seenot geraten. Das berichtet die private Initiative Alarm
       Phone, die von den Insassen der Boote mit Satellitentelefonen kontaktiert
       worden war.
       
       Ein Teil der Unglücke ereignete sich demnach in der maltesischen
       Rettungszone. Maltas Armee habe jedoch in drei Fällen am Freitag trotz
       Notrufen und Kenntnis der genauen Koordinaten keine Hilfe geleistet, so das
       Alarm Phone.
       
       Die privaten Seenotrettungsschiffe Sea-Watch 3 und Open Arms haben jeweils
       rund 120 Menschen an Bord genommen und kreuzten am Sonntag auf der Suche
       nach einem sicheren Hafen im zentralen Mittelmeer. Eine Anfrage sei an die
       Regierungen von Malta und Italien gerichtet worden, sagte eine Sprecherin
       von Sea-Watch.
       
       Die Open Arms geriet in der Nacht zum Sonntag in ein Gewitter. „Wir haben
       eine sehr schwierige Nacht verbracht“, schrieb die Crew auf Twitter. Am
       Sonntagmorgen überflutete ein Hagelsturm das Deck der Sea-Watch 3, auf
       dem die Geretteten schlafen.
       
       ## Malta sperrt Neuankömmlinge ein
       
       Am Freitag und Samstag retteten zwei Schiffe der Marine von Malta 260
       Menschen aus Seenot und brachten sie in den Hafen von Valletta. Es war die
       höchste Zahl von Ankünften auf der Insel seit über einem halben Jahr.
       
       Das Gros von ihnen brachte die Polizei in die Internierungseinrichtungen
       Safi und Marsa. Malta hatte die Praxis der Internierung ankommender
       Flüchtlinge 2015 eingestellt, ist aber nach einem Anstieg der Ankünfte
       zuletzt wieder dazu übergegangen, Angekommene einzusperren.
       
       Die beiden Lager sind mit derzeit über 1.500 Insassen total überfüllt.
       Manche werden nach Angaben des [2][UNHCR] seit über fünf Monaten dort
       festgehalten. Kahin Ismail, der UNHCR-Repräsentant auf Malta, hatte dies
       Anfang Januar als „illegal“ bezeichnet und die Regierung dringend
       aufgefordert, die Menschen nicht länger so unterzubringen.
       
       Unterdessen protestierten auch die Flüchtlinge im kürzlich wiedereröffneten
       Lager Safi. Dabei brach am Dienstag ein Feuer aus. 42 der Internierten
       wurden deshalb in den vergangenen Tagen einem Gericht in Valletta
       vorgeführt und angeklagt.
       
       ## Einfach erschossen
       
       Die libysche Küstenwache hat derweil nach Angaben der
       UN-Migrationsorganisation IOM am Freitag und Samstag über 300 Menschen auf
       dem Meer aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht.
       
       Am Samstagnachmittag weigerte sich dabei eine Gruppe von rund 60 Menschen,
       an Land zu gehen. Sie fürchteten, in Libyen wieder interniert zu werden.
       Daraufhin soll die libysche Armee einen Mann erschossen und die Leiche ins
       Wasser geworfen haben. Das berichteten zwei Flüchtlinge per Telefon am
       Samstagnachmittag Aktivisten des Alarm Phone. Die IOM, die die Ankünfte am
       Hafen von Tripolis beobachtet, erklärte auf Twitter, sie sei in dieser Zeit
       von den Sicherheitskräften aufgefordert worden, den Hafen zu verlassen.
       
       Im östlichen Mittelmeer gab es [3][zwei tödliche Unglücke.] In der Nacht
       zum Sonntag sank ein Boot vor der Küste von Cesme, westlich von Izmir. Elf
       Menschen starben. Das Boot war auf dem Weg zur nur fünf Kilometer von der
       türkischen Küste entfernten griechischen Insel Chios.
       
       Wenige Stunden zuvor war nahe der Insel Paxos an der griechischen Westküste
       ein weiteres Flüchtlingsboot auf dem Weg nach Italien gekentert. Die
       griechische Küstenwache barg zwölf Leichen. Einige der zwanzig geretteten
       Überlebenden berichteten, auf dem Boot hätten sich insgesamt fünfzig
       Flüchtlinge befunden. Dies war bereits das vierte Unglück in der Ägäis seit
       Jahresbeginn.
       
       12 Jan 2020
       
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