# taz.de -- Bremens Finanzsenator über Schulden: „Die Schuldenbremse gilt“
       
       > Bremens Finanzsenator Dietmar Strehl über wegbrechende Steuereinnahmen,
       > die Erlaubnis, Schulden zu machen und sinnvolle Investitionen.
       
 (IMG) Bild: Ein Bild aus besseren Zeiten: Dietmar Strehl beim Grünen-Parteitag in Bremen im Juli 2019
       
       taz: Sie machen seit mehr als acht Jahren hier Sparpolitik. Nun müssen Sie
       Geld mit vollen Händen ausgeben. Wie funktioniert das? 
       
       Dietmar Strehl: Wir haben natürlich auch Geld ausgegeben. Gerade habe ich
       zum Beispiel eine neue Straßenbahn in Empfang genommen, die haben wir vor
       sechs Jahren geplant. Jetzt haben wir natürlich andere Probleme. Wir müssen
       Geld ausgeben, aber vor allem brechen die Einnahmen weg. Das ist für uns in
       Bremen eine größere Summe.
       
       Wie viel? 
       
       Das weiß derzeit niemand genau, wir rechnen mit mehreren hundert Millionen
       Euro.
       
       Bei dreieinhalb Milliarden geplanten Einnahmen wären das mehr als zehn
       Prozent. 
       
       Davon kann man ausgehen. Wir haben natürlich viele Kosten für die
       Gesundheitsvorsorge.
       
       Muss das nicht die Krankenversicherung bezahlen? 
       
       Eigentlich, ja. Das ist noch unklar. Erst mal müssen wir schnell handeln.
       In der Diskussion sind 50.000 Euro für jedes zusätzliche
       intensivmedizinische Bett.
       
       Und die Hilfen für die kleinen Selbständigen? 
       
       Die kommen in großem Ausmaß vom Bund. Danach haben unsere Landesprogramme
       ausgerichtet. Wir wollen für Betriebe zwischen 10 und 49 MitarbeiterInnen
       Hilfen anbieten, das hat der Bund bisher nicht auf dem Zettel. Das
       finanzieren wir derzeit vor, aber wir hoffen, dass da noch etwas kommt.
       
       Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz und in der Bremer Landesverfassung.
       Gilt die jetzt nicht mehr? 
       
       Doch natürlich! In der Schuldenbremse sind Ausnahmeregeln verankert worden,
       an die halten wir uns. In der Landesverfassung heißt es, dass bei
       „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates
       entziehen“, mehr Schulden gemacht werden dürfen. Darunter fallen auch
       Massenerkrankungen. Da werden keine Obergrenzen genannt. Wir sind nur
       verpflichtet, einen verbindlichen Tilgungsplan zu beschließen. Auf diesen
       Paragrafen haben wir uns schon mal berufen – 2015 beim Streit um die Kosten
       der Flüchtlingsunterbringung.
       
       Das war nur eine Drohgebärde. 
       
       Es ging um rund 400 Millionen Euro damals. Am Ende haben wir diese Ausnahme
       von der Schuldenbremse nicht in Anspruch nehmen müssen, weil auch Zuschüsse
       vom Bund kamen. Alle Bundesländer berufen sich derzeit darauf und planen
       Nachtragshaushalte. Wir haben ja noch keinen beschlossenen Haushalt, wir
       brauchen also keinen Nachtragshaushalt.
       
       Gibt es eine Größenordnung, in der vom Bund jetzt in Bremen Fördergelder
       ausgegeben werden können? 
       
       Alle rechnen herum, der Bund will für die Länder 50 Milliarden Euro zur
       Verfügung stellen. Wenn das nach einem üblichen Schlüssel verteilt würde,
       bekäme Bremen davon ein Prozent, also 500 Millionen Euro. Aber so ist das
       nicht geregelt. Wir rufen das Geld ab, das wir brauchen.
       
       Hat die Bremer Förderbank genug Personal dafür? 
       
       Nein. Aber wir haben MitarbeiterInnen, die derzeit nicht wie sonst arbeiten
       können. Studierende aus dem Studiengang Public Administration unterstützen
       jetzt die Bank.
       
       Finanzbeamte werden nicht ausgeliehen? 
       
       Die brauchen wir selbst dringend. Wir haben in 14 Tagen über 3.000 Anträge
       auf Steuerstundung oder Herabsetzung der Steuer-Vorauszahlungen schon
       bearbeitet und bewilligt – rund 70 Millionen Euro. Da bemerkt man die
       Größenordnung. Stundung heißt natürlich, dass das Geld vielleicht später
       kommt – oder eben nicht.
       
       Die Rückzahlung der Corona-Staatsschulden soll uns 20 Jahre beschäftigen? 
       
       Wir müssen einen Tilgungsplan beschließen, das steht in der
       Landesverfassung. Der ist aber frei gestaltbar. In der Diskussion sind 20
       Jahre mit Beginn im Jahr 2024. Bisher haben wir für die alten Bremer
       Staatsschulden ja nicht getilgt, wir zahlen nur die Zinsen. Zum Glück sind
       die niedrig. Aber für die Corona-Staatsschulden müssen wir einen konkreten
       Plan vorlegen, wann das Geld zurückgezahlt wird. In Nordrhein-Westfalen
       sind das 25 Milliarden Euro und das Land will in 50 Jahren tilgen.
       
       Die Bremische Bürgerschaft hat noch nichts beschlossen? 
       
       Nein, die macht das zusammen mit dem Haushaltsentwurf im Mai / Juni. Wir
       sind da in enger Abstimmung mit dem Haushalts- und Finanzausschuss, da gibt
       es auch mit der Opposition eine große Übereinstimmung.
       
       Werden die alten Vereinbarungen über die Sanierung der Bremer
       Staatsfinanzen jetzt von diesen Summen überspült? 
       
       Man sollte nicht alles mit allem vermischen. Entscheidend ist die Frage,
       wie schnell die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Vielleicht werden dann die
       Autokäufe nachgeholt, aber im Bereich Tourismus und Gastronomie fehlen die
       Monate. Da traue ich mir keine Prognose zu.
       
       Kann Bremen diese Kredite zurückzahlen? 
       
       Na ja, wenn es auf einen Betrag um die 15-20 Millionen Euro im Jahr
       hinausläuft – die Summe kennt zurzeit niemand – ist das bei einem Haushalt
       von rund sechs Milliarden leistbar.
       
       Die größere Summe sind die Steuereinbrüche? 
       
       Da hoffen wir, dass die Kurve möglichst schnell wieder nach oben geht. Nach
       der Finanzkrise 2008/9 hat es Jahre gedauert, bis das alte Niveau wieder
       erreicht wurde.
       
       Ist eine kommunale Gesundheits-Versorgung in einer Krisensituation ein
       Vorteil? 
       
       Eine kommunale Krankenhaus-Versorgung ist immer ein Vorteil. Natürlich muss
       man dann auch nachweisen, dass man das finanzieren kann. Wir werden alle,
       wenn wir nicht mehr über Corona reden, über die öffentliche Finanzierung
       von Krankenhäusern reden müssen. Wenn so viele große Krankenhäuser Probleme
       haben, dann hat das Finanzierungssystem vielleicht auch Fehler.
       
       Die Gesellschaft gibt für Gesundheit zu wenig aus? 
       
       Auf jeden Fall braucht die Pflegeversicherung mehr Geld und wir brauchen
       mehr Pflegekräfte.
       
       Jetzt setzen alle auf den Staat. Die Idee, dass das der Markt regelt, hat
       derzeit nur wenig AnhängerInnen. 
       
       Der Bremer Stadtstaat lebt im Wesentlichen von 3,5 Milliarden Euro
       Steuereinnahmen jährlich. Wir müssen darauf aufpassen, dass diese
       Einnahmequelle nicht versiegt. Die zeitlich begrenzte Unterstützung von
       kleinen Unternehmen ist also eine total sinnvolle Investition.
       
       7 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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