# taz.de -- Staatsbeihilfen der EU: Deutschland hängt EU-Staaten ab
       
       > Etwa 51 Prozent der Staatsbeihilfen entfallen auf die Bundesrepublik.
       > EU-Kommissarin Margrethe Vestager sieht die Gefahr einer
       > Wettbewerbsverzerrung.
       
 (IMG) Bild: Die massiven Staatshilfen für die deutsche Wirtschaft irritiert nicht nur die EU
       
       In der EU wächst die Sorge vor einem deutschen Übergewicht infolge der
       Coronakrise. Auf das größte EU-Land entfielen rund 51 Prozent aller
       bewilligten Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft, sagte eine Sprecherin
       der EU-Kommission am Montag in Brüssel. Damit hängt Deutschland alle
       anderen EU-Staaten ab – und verschafft sich massive Vorteile beim Neustart
       der Wirtschaft nach der Krise.
       
       Auf Platz zwei bei den Staatsbeihilfen landet weit abgeschlagen Frankreich
       mit 17 Prozent, gefolgt von Italien mit 15,5 Prozent. Während die
       Stützungsmaßnahmen in Paris und Rom ungefähr dem jeweiligen Anteil an der
       europäischen Wirtschaftsleistung entsprechen, gehen die Hilfsprogramme der
       Bundesregierung in Berlin weit darüber hinaus. Dies bereitet der
       EU-Kommission zunehmend Sorgen.
       
       Es bestehe die Gefahr, dass Deutschland mit seinen massiven Staatsbeihilfen
       den Wettbewerb in der EU verzerre, sagte die zuständige EU-Kommissarin
       Margrethe Vestager der Süddeutschen Zeitung. Dies könne den deutschen
       Unternehmen einen Startvorteil verschaffen und auch den Aufschwung
       gefährden. „Das ist zu einem gewissen Grad schon eingetreten“, kritisierte
       Vestager.
       
       Auf Nachfrage der taz räumte die EU-Kommission ein, dass sie von dem neuen
       Ungleichgewicht überrascht ist. Zunächst habe man nicht über hinreichend
       aussagefähige Zahlen verfügt, da die Stützungsprogramme nicht immer
       beziffert gewesen seien, sagte eine Sprecherin. Zudem sei es darum
       gegangen, die Hilfen möglichst schnell zu bewilligen, um die Wirtschaft in
       der Krise zu stützen.
       
       ## Deutsche Staatshilfen fallen gigantisch aus
       
       Insgesamt wurden bisher 160 Maßnahmen im Gesamtwert von 1,95 Billionen Euro
       bewilligt. Die meisten EU-Staaten halten daran einen Anteil von 0,5 bis 1,5
       Prozent, Belgien kommt gerade einmal auf 3 Prozent. Demgegenüber fallen die
       deutschen Staatshilfen mit einem Anteil von über 50 Prozent gigantisch aus.
       Auch Großbritannien kann mit einem Anteil von 4 Prozent nicht mithalten.
       
       Dass Deutschland seine Wirtschaft so massiv stützt, ist neu. Bisher hat
       sich Berlin in der EU stets gegen Dirigismus und Protektionismus gewandt.
       Umso größer ist nun der Ärger über das Ungleichgewicht, das durch die
       Berliner Politik entsteht. Mit Verweis auf Deutschland fordern andere
       EU-Länder wie Ungarn sogar, die EU-Beihilferegeln komplett auszusetzen.
       
       Die in Deutschland gezahlten Hilfen kämen indirekt auch Unternehmen in
       anderen EU-Staaten zugute, sagte der Sprecher von Kommissionspräsidentin
       Ursula von der Leyen (CDU). Um mögliche negative Wirkungen auszugleichen,
       müsse nun für eine solidarische Lastenteilung beim nächsten EU-Budget
       gesorgt werden. Allerdings lässt der Entwurf für den Siebenjahreshaushalt
       auf sich warten. Die EU-Kommission will ihn nach mehreren Verzögerungen nun
       erst am 27. Mai 2020 vorlegen.
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angekündigt, den deutschen Anteil
       am EU-Budget zu erhöhen. Damit reagiere sie auch auf Kritik an der
       deutschen Beihilfepolitik, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Allerdings
       tritt der neue Finanzrahmen erst 2021 in Kraft – die staatlichen
       Stützungsmaßnahmen hingegen zeigen schon jetzt Wirkung. So ist die deutsche
       Wirtschaft bisher deutlich weniger stark geschrumpft als die französische.
       
       In Paris wird daher Angst vor einer deutschen Übermacht in der Wirtschaft
       laut. Am Wochenende berichtete der französische Figaro mit großen Lettern
       über das Ungleichgewicht bei den Beihilfen. Die Financial Times in London
       warnt sogar vor einem „Clash“ in der EU. Während die reichen Staaten –
       allen voran Deutschland, aber auch die Niederlande, Dänemark und Österreich
       – in der Krise mit Geld um sich würfen, hätten andere das Nachsehen. Dies
       könne den erhofften Aufschwung verzögern und die Gräben in der EU
       vertiefen.
       
       18 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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