# taz.de -- Umstrittenes Denkmal in Italien: So offen, so brutal
       
       > Indro Montanelli gilt als Gottvater des Journalismus in Italien. Weil er
       > ein rassistischer Vergewaltiger war, fordern Einige den Abriss der
       > Statue.
       
 (IMG) Bild: Rassistischer Vergewaltiger in Bronze: Die verfremdete Statue Indro Montanellis in Mailand
       
       Indro Montanelli hat noch einmal Glück gehabt. In diversen Ländern ging es
       zuletzt Statuen an den Kragen, landeten sie in Hafenbecken, weil da
       Sklavenhändler und Rassisten verehrt wurden. Doch der überlebensgroße
       Montanelli thront noch immer in Mailand, über seine Schreibmaschine
       gebeugt, im zentral gelegenen Park, der seinen Namen trägt: „Giardini
       Montanelli“.
       
       Allerdings wurde er vor einigen Tagen leicht ramponiert, mit einem Eimer
       roter Farbe, den Aktivisten des linken Schüler*innenkollektivs „Rete
       Studenti Milan“ über ihm auskippten.
       
       In einer kurzen Mitteilung ließen die Täter wissen, sie verlangten die
       Beseitigung der Statue, schließlich werde da einer verehrt, der „Sklaverei,
       Kolonialismus, Frauenfeindlichkeit, Faschismus und Rassismus zu seiner
       Mentalität gemacht“ habe.
       
       Die Attacke hat es in sich, schließlich geht sie gegen einen, [1][der
       vielen in Italien als der größte Journalist des 20. Jahrhunderts gilt,]
       gegen einen Rechtskonservativen, der jedoch in seinen späten Jahren auch
       auf der Linken hohes Ansehen genoss, weil er sich 1994 gegen [2][den damals
       frisch in die Politik eingetretenen Silvio Berlusconi] stellte und bis zu
       seinem Tod 2001 bei dieser Haltung blieb.
       
       ## Ein 12-jähriges Mädchen
       
       Doch ehe er im Nachkriegsitalien zum journalistischen Mythos wurde, hatte
       der damals 26-jährige Montanelli sich 1935 freiwillig für Italiens
       Kolonialkrieg in Abessinien gemeldet. An den unmittelbaren Kriegsgräueln
       inklusive Giftgaseinsatz war er nicht weiter beteiligt. Montanelli kaufte
       sich allerdings ein 12-jähriges Mädchen.
       
       „Ein Pädophiler und Vergewaltiger“ war er deswegen in den Augen jener, die
       jetzt seine Statue beseitigt sehen wollen. Und sofort ging in den letzten
       Tagen eine Welle der Empörung durchs Land – nicht gegen Montanelli jedoch,
       sondern gegen seine Kritiker, die mit ihrem Farbeimer „Vandalismus“
       begangen, die sich als „Fanatiker“, als „Bilderstürmer“ aufgeführt hätten.
       
       So barmt Beppe Severgnini, eine der Edelfedern des Corriere della Sera,
       Montanelli habe es „akzeptiert“, die kleine Destà, noch ein Kind, auf Zeit
       zu ehelichen. Darf man Severgnini glauben, wurde sie Montanelli von den
       Eritreern gleichsam aufgedrängt.
       
       Genauso sieht das Marco Travaglio, journalistischer Ziehsohn Montanellis
       und heute Chefredakteur der Tageszeitung Il Fatto Quotidiano. „So machte
       man es damals“, kommentiert Travaglio, und dann will er Montanelli auch
       noch zum Antrirassisten hochstilisieren: „Ein Rassist hätte mit einer
       afrikanischen Frau nicht einmal einen Kaffee getrunken und sie erst recht
       nicht geheiratet.“
       
       ## „Nutzungsvertrag auf Zeit“
       
       Dumm nur, dass Montanelli in einem Interview von 1982, dann in einem
       Artikel im Jahr 2000 ebenso ungeschminkt wie zynisch von dieser „Heirat“
       mit dem „gefügigen Tierchen“ berichtet. Sie beginnt mit einem sexuellen
       Notstand. „Es ging darum, eine intakte Gefährtin zu finden, aus
       gesundheitlichen Gründen.“ Es wurde ein Vertrag aufgesetzt, „das war kein
       Hochzeitsvertrag, sondern eine Art Leasing, ein Nutzungsvertrag auf Zeit“.
       Für das Mädchen, ein Pferd und ein Gewehr habe er dem Vater 500 Lire
       gezahlt, referiert Montanelli.
       
       Dann beschwert er sich noch, die kleine Destà habe nach Ziege gestunken,
       und es habe der energischen Intervention ihrer Mutter bedurft, um ihren
       Widerstand gegen den Sex mit dem Kolonialoffizier zu brechen. Mehr noch:
       Beim Sex habe das infibulierte Mädchen keinerlei Gefallen verspürt.
       
       So offen, so brutal, so zynisch. Nicht umsonst zitiert nicht einer aus der
       breiten Journalistenfront, die Montanelli verteidigt und von „Ehe“
       schwadroniert, die Worte des Protagonisten. Nur einer gibt zu, etwas näher
       hingeschaut zu haben: Mailands Bürgermeister Beppe Sala. „Verstört“ zeigt
       er sich von der „Leichtfertigkeit“, mit der Montanelli über seine
       Vergangenheit redete, doch dann kriegt auch Sala die Kurve. Könne man ein
       „makelloses Leben“ verlangen, habe nicht jeder von uns schon gefehlt? Kurz
       und gut, die Statue müsse an ihrem Platz bleiben.
       
       Doch das Schüler*innenkollektiv lässt nicht locker. Unter dem Slogan
       „Vergewaltigung und Pädophilie sind kein ‚Irrtum‘“ rief es am vergangenen
       Montag zu einer Protestkundgebung vor dem Mailänder Rathaus auf.
       
       17 Jun 2020
       
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