# taz.de -- Hamburger Band Helgen: Soundtrack der Klimakrise
       
       > Kann Musik Menschen aus ihrer Lethargie reißen? Die Hamburger Band Helgen
       > versucht es klimapolitisch mit ihrem Album „Die Bredouille“.
       
 (IMG) Bild: „Die Geigerzähler geigen“: Hamburger Band Helgen
       
       Seit Jahren warnen Forschende vor Klimakrise, massiver Umweltzerstörung und
       dem Verlust an Biodiversität. Doch Fakten allein scheinen die Menschen,
       zumindest viele, nicht zum Handeln zu bewegen. Was braucht es, damit wir
       uns angesprochen fühlen und handeln, unser Bewusstsein und unser Verhalten
       verändern? Schafft es die Musik, indem sie unsere Emotionen anspricht und
       unser Herz bewegt?
       
       Anfang August hat die [1][Hamburger Band Helgen] ihr Album „Die Bredouille“
       veröffentlicht. Die Single-Auskopplung „Die Geigerzähler geigen“ geht
       scharf und humorvoll auf die Klimakrise ein. „Über die Klimakrise haben wir
       vorher nicht wirklich Songs gemacht. Es gab schon mal
       gesellschaftskritische Songs. Aber das Thema Klima ist bei uns in den
       letzten zwei, drei Jahren ziemlich hochgekocht“, sagt Helge, der
       Songschreiber des Hamburger Trios. Zwar sind die Bandmitglieder regelmäßig
       bei Klimademos und haben auch bei verschiedenen Friday-for-Future-Demos in
       Hamburg gespielt, aber so etwas wie Bands for Future, also eine Bewegung
       unter Musiker*innen für den Klimaschutz, kennt Helge nicht.
       
       Bislang gibt es eine überschaubare Zahl an Künstler*innen, die in ihrer
       Musik die Klimakrise thematisieren. Helge glaubt, es liege daran, dass es
       gerade in Deutschland eine gewisse Angst gebe, sich zu positionieren. Er
       findet es wichtig, dass die Künstler*innen zum Beispiel auf Social Media
       ihren Standpunkt klar machen und zeigen, was sie einkaufen, wie sie reisen
       und welche Gedanken sie sich dabei machen.
       
       „Wenn wir vorankommen und sinnvolle Veränderungen bewirken wollten, müssen
       wir die andere Seite unseres Gehirns einbeziehen. Wir müssten das Problem
       mit unserer Vorstellungskraft angehen. Und die Menschen, die am besten
       geeignet sind, uns dabei zu helfen, sind die Musikerinnen und Künstler,“
       [2][sagt 350.org-Gründer Bill McKibben].
       
       Immer wieder haben Musiker*innen versucht mit ihren Songs, die Menschen
       die Umweltzerstörung fühlen zu lassen wie 1963 Peter La Farge, der mit dem
       Album „As Long as the Grass Shall Grow“ Songs über das Leid der indigenen
       Communitys in den USA schrieb, oder Joni Mitchell, die 1970 von den Vögeln,
       Bienen und dem Unkrautvernichter DDT in „Big Yellow Taxi“ singt.
       
       2007 fand ein weltweites Konzert fürs Klima statt, dass nacheinander auf
       jedem Kontinent auf zentralen Bühnen mit vielen Musiker*innen veranstaltet
       wurde. Schnell folgte Kritik an dem Ressourcenverbrauch durch den
       Konzertmarathon, Bands wurden wegen ihrer Flugreisen angeprangert. Heute
       würde sich niemand mehr trauen, für den Klimaschutz so ein Event zu machen.
       Bands wie Coldplay gehen aus Klimaschutzgründen nicht mehr auf Tour.
       
       ## Number-One-Hits Fehlanzeige
       
       Einen Soundtrack der Klimabewegung oder den Klimasong, der die Menschheit
       aus ihrer Lethargie reißen würde, gibt es bis heute nicht. „Hurra, die Welt
       geht unter“ von K.I.Z. hätte zumindest in Deutschland das Zeug dafür, denkt
       Helge. Es scheint für viele Künstler*innen schwer zu sein, die Klimakrise
       in die Musik umzusetzen: „Niemand mag den Kerl auf der Party, der die ganze
       Zeit nur über schreckliche Sachen redet. Aber das bin ich“, [3][sagt Amelia
       Meath] vom Duo Sylvan Esso. Sie macht coole Musik zum Hardcore-Thema wie
       2018 mit „PARAD(w/m)E“.
       
       Schaut man sich die Klimasongs verschiedener Bands an, fällt eines auf:
       alles keine Number-One-Hits. Selbst Billie Eilish, international ein Star,
       hatte mit ihrem im September 2019 veröffentlichten Song „All the Good
       Girls Go to Hell“ mäßigen Erfolg.
       
       Musik und Klimakrise nennt Helge einen „Spagat zwischen der Kunst, die man
       macht, und dem gesellschaftlichen Thema.“ Ihn hat letztlich die Klimakrise
       so beschäftigt, dass er diese Kluft in die Musik übersetzt hat.
       
       1 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.helgen.cool/
 (DIR) [2] https://artistsandclimatechange.com/about/
 (DIR) [3] https://www.npr.org/2019/12/05/784818349/songs-our-emergency-how-music-approaching-climate-change-crisis?t=1599332824578
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kathy Ziegler
       
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