# taz.de -- Spaniens Eliteeinheit und der Faschismus: Fehlende Aufarbeitung
       
       > Die Spanische Legion, eine militärische Eliteeinheit, feiert ihren 100.
       > Geburtstag. Ihre im Faschismus begangenen Verbrechen werden ausgeblendet.
       
 (IMG) Bild: Mitglieder der Spanischen Legion am 20.9.20 in Almeria beim Festakt in Anwesenheit des Königs
       
       Die spanische Legion feiert 100 Jahre ihres Bestehens. Da darf es an großen
       Reden nicht fehlen. Beispiele: „Die Legion repräsentiert das Beste in der
       Geschichte Spaniens.“ Ohne sie könne man „die freie Welt, unser Europa,
       nicht verstehen“. Was wie das Hohelied der spanischen Rechten auf die
       Truppe klingt, stammt von Margarita Robles, Verteidigungsministerin in der
       regierenden spanischen Linkskoalition aus sozialdemokratischer PSOE und
       Unidas Podemos von Ministerpräsident Pedro Sánchez.
       
       Robles wandte sich in einer Videoansprache an „die Legionärsfamilie“, der
       sie sich „eng verbunden fühle“. Spaniens König Felipe VI. ließ es sich
       nicht nehmen, höchstpersönlich zu den Feierlichkeiten nach Almeria zu
       reisen.
       
       Dabei war gerade die Legión Española für ihre Brutalität bekannt. Sie war
       an Kolonialkriegen beteiligt, an der Niederschlagung heimischer Aufstände
       und an Putsch und Bürgerkrieg gegen die Republik. Spaniens Staatschef nahm
       nun die Parade der Truppen ab, die auch heute oft das Herzstück bei
       Auslandseinsätzen bildet. Er hörte dabei auch die Legionshymne „Der
       Verlobte des Todes“. Sie wird bei [1][Veranstaltungen der rechtsextremen
       Partei Vox immer wieder gespielt.]
       
       Anlässlich des Jubiläums erschienen einige Bücher. Die meisten
       Tageszeitungen kramten allerlei Anekdoten aus und veröffentlichten
       Hochglanzreportagen aus den Kasernen. Nur wer Kritisches suchte, hatte es
       schwer. Luis Gonzalo Segura von der Onlinezeitschrift Ctxt – Contexto, die
       von ehemaligen Journalisten der größten spanischen Tageszeitung El País
       gegründet wurde, ist einer der wenigen, [2][der aus der allgemeinen
       Feierstimmung ausschert.]
       
       ## Die rechte Hand Francos
       
       „Es scheint angebracht, die bemerkenswertesten historischen
       Errungenschaften dieser Einheit, die der berühmte Faschist Millán Astray in
       einer Zeit des Aufstiegs dieser Ideologie, in den zwanziger Jahren des
       letzten Jahrhunderts, gegründet hat, Revue passieren zu lassen“, schreibt
       er. Gonzalo Segura war selbst Oberstleutnant der spanischen Armee. 2015
       wurde er unehrenhaft entlassen, nachdem er Korruption und Machtmissbrauch
       in der Armee öffentlich anprangerte.
       
       Die Geschichte der Truppe, die einst, wie die französische Fremdenlegion,
       Ausländer, Justizflüchtlinge und allerlei zweifelhafte Charaktere aufnahm,
       hat mehr als einen dunklen Fleck. Von einem „Blumengedeck aus
       abgeschlagenen Köpfen“ von Rebellen im nordafrikanischen Riffgebirge als
       Geschenk anlässlich des Besuchs einer Gräfin berichtet Ctxt. Ebenso von
       aufgespießten Köpfen bei einer Militärparade.
       
       Am 28. Januar 1920 per Dekret offiziell gegründet, schrieben sich die
       ersten Freiwilligen am 20. September des gleichen Jahres ein, um schon bald
       in Marokko antikoloniale Aufstände niederzuschlagen. Der erste Chef der
       Legión Española war José Millán Astray. Sein Stellvertreter [3][kein
       Geringerer als der spätere Diktator Francisco Franco.]
       
       Franco war der Anführer des Militärputsches 1936. Nach dem Sieg im
       Bürgerkrieg 1939 regierte er Spanien bis 1975. Millán Astray war sein
       Propagandachef. In Spanien ist er bis heute bekannt durch seine Parolen „Es
       lebe der Tod“ und „Tod der Intelligenz“ während eines Vortrags des
       Philosophen und Schriftsteller Miguel Unamuno an der Universität in
       Salamanca 1936.
       
       ## Erst Fremdenlegion, dann Heimatterror
       
       „Tatsächlich haben die spanischen Faschisten (…) die in den Kolonien
       angewandten Praktiken auf Europa übertragen“, schreibt Gonzalo Segura. Und
       die Liste der Verbrechen der Legion im europäischen Heimatland ist lang.
       1934, noch während der Republik, bereitete Kommandant Franco die
       Niederschlagung eines Arbeiteraufstands im nordwestspanischen Asturien vor.
       
       Er holte dazu seine Afrikatruppen auf die Iberische Halbinsel. „Jeden Tag
       haben wir ungefähr vierhundert Gefangene gemacht und sie sofort über die
       Klinge springen lassen“, zitiert die Onlinezeitung El Español aus dem
       Dokument eines damals Beteiligten.
       
       Im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte die Legion mit ungeheurer Brutalität
       aufseiten der Putschisten. 4.000 Zivilisten wurden allein in der
       Stierkampfarena von Badajoz erschossen. Verantwortlich waren Soldaten unter
       dem Kommando von General Juan Yagüe Blanco, der wie Franco und Millán
       Astray in Nordafrika sein Kriegshandwerk erlernte.
       
       Durch die gleiche Schule war auch General Gonzalo Queipo de Llano gegangen,
       der die Putschisten in Andalusien führte und dort unter anderem die
       Hinrichtung des Dichters Federico García Lorca anordnete.
       
       ## „Traurige Episoden“
       
       Die Legion wird auch systematischer sexueller Verbrechen während des
       Spanischen Bürgerkriegs bezichtigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg bot sie
       geflüchteten Nazis Unterschlupf. Und auch in den neueren Jahren der
       Demokratie geriet sie in den Fokus. Sie soll beim Krieg gegen Saddams
       Regime im Irak gefoltert haben.
       
       Für General Marcos Llago, den heutigen Chef der Legion, sind all dies nur
       „traurige Episoden – auf die wir sicherlich nicht stolz sind“. Im Interview
       sagt er, die Legion sei ein Vorbild für „absolute Hingabe“ und
       „Opferbereitschaft“.
       
       Ein Bataillon der Legion in Melilla trägt immer noch den Namen „Comandante
       Franco“ auf ihren Fahnen, wie das Onlinemedium Público berichtet. Und
       zeichnet ihre Papiere weiterhin so: „Unsere Rasse ist noch nicht
       ausgestorben.“
       
       28 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rechtsextreme-Partei-VOX-im-Wahlkampf/!5586075
 (DIR) [2] /Gesetzesplan-in-Spanien/!5714465
 (DIR) [3] /Umbettung-des-Diktators-Franco/!5633318
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Spanien
 (DIR) Faschismus
 (DIR) Franco
 (DIR) Geschichte
 (DIR) Postkolonialismus
 (DIR) Franco
 (DIR) Francisco Franco
 (DIR) Spanien
 (DIR) Theater
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Francisco Franco
 (DIR) ETA
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Stadtplanung unter Diktator Franco: Eine neue Realität schaffen
       
       Politik in Stein und Beton: Der Band „Städtebau als Kreuzzug Francos“
       schildert „Wiederaufbau und Erneuerung unter der Diktatur in Spanien
       1938–1959“.
       
 (DIR) Spaniens Umgang mit der Franco-Diktatur: Späte Anerkennung
       
       Spanien will 46 Jahre nach Ende der Franco-Diktatur den Opfern und ihren
       Nachfahren Anerkennung zukommen lassen. Vielen kommt das zu spät.
       
 (DIR) Inhaftierung eines Rappers: Putinisiertes Spanien
       
       Spaniens rigoroses Vorgehen gegen den Rapper Pablo Hasél trägt russische
       Züge. Und das obschon Sozialisten und Linksalternative regieren.
       
 (DIR) Symposium in der Naxoshalle Frankfurt: Aus dem Mund eines Betroffenen
       
       Die „Themenwoche gegen das Vergessen“ gedenkt Zwangsarbeitern während der
       NS-Zeit. Und dem Schicksal einer sozial engagierten Fabrikantenfamilie.
       
 (DIR) Spaniens Gesellschaft in der Coronakrise: Das Virus, die Stille, der Lärm
       
       Spanier und andere Südeuropäer kollektivieren die Pandemie. Sie zeigen sich
       der Welt mit Optimismus und Humor über die Balkone hinweg.
       
 (DIR) Umbettung des Diktators Franco: Das Ende einer Kultstätte
       
       Am Donnerstag wurde der Leichnam des spanischen Diktators Franco umgebettet
       – von einer monumentalen Gedenkstätte zu einem kleinem Friedhof.
       
 (DIR) Fernando Aramburu über seinen Roman: „Viele Wunden sind noch weit offen“
       
       In Spanien ist „Patria“ ein Bestseller. Fernando Aramburu ist ein großer
       Roman über das Baskenland, die ETA und den Alltag des Terrors gelungen.