# taz.de -- Horst Seehofer und die Polizei: Klares Jein zur Rassismus-Studie
       
       > Verwirrung um Rassismus-Polizei-Studie: Vizekanzler Scholz kündigt an,
       > dass es eine geben wird. Innenminister Seehofer sieht keinen neuen Stand
       
 (IMG) Bild: Fest steht: Die Studie kommt. Nur was drinstehen soll, ist noch nicht sicher
       
       BERLIN taz | Dass der Finanzminister und Vizekanzler ankündigt, dass der
       Innenminister eine umstrittene Studie über [1][Rassismus in der Polizei]
       beauftragen wird, ist ein ungewöhnliches Verfahren. Genau das hat Olaf
       Scholz am Montag getan. „Es wird eine Studie geben. Wir überlegen noch, wie
       wir sie nennen“, so der SPD-Kanzlerkandidat in einem WDR-Podcast. Der
       Hintergrund: Die SPD und auch Grüne, FDP und Linke fordern eine
       wissenschaftliche Studie über Rassismus in der Polizei angesichts der
       Drohungen des NSU 2.0 gegen Anwälte und linke PolitikerInnen sowie einer
       gehörigen Anzahl rechtsextremer Chatgruppen unter PolizistInnen.
       
       SPD-Chefin Saskia Esken hatte Anfang Juni nach den [2][Demonstrationen
       gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA] gesagt: „Auch in Deutschland
       gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, der durch
       Maßnahmen der Inneren Führung erkannt und bekämpft werden muss.“
       CSU-Innenminister Horst Seehofer lehnt diese Idee seit Monaten vehement ab.
       Daher wurde die Ankündigung von Scholz als überraschender Kurswechsel
       verstanden.
       
       Davon scheint Horst Seehofer allerdings nichts wissen zu wollen. Von der
       Ankündigung sei er überrascht worden, so der CSU-Mann am Dienstag. Es gebe
       nichts Neues: „Es gilt, was ich gesagt habe.“ Laut Seehofer soll sich die
       Studie an Vorschlägen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) orientieren. Im
       Fokus soll Gewalt gegen PolizeibeamtInnen und deren Alltag stehen. Die
       Studie, die unter den Fittichen des Innenministers entstehen wird, soll
       „die veränderten Rahmenbedingungen von Polizeiarbeit“ erforschen. Für diese
       Studie wird laut Seehofer ein Beirat gegründet, in dem neben SoziologInnen
       der Vize-Bundesvorsitzende der GdP, Jörg Radek, sitzen werde. Laut
       GdP-Vorschlag soll die Studie auch erforschen, warum „sich mitunter
       Vorurteile gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen“ bei einzelnen Beamten
       verfestigen, so die GdP im September.
       
       Es werde „keine Studie über die Polizei geben, die sich gegen die Polizei
       mit Unterstellungen und Vorwürfen richtet“, versichert nun Seehofer. Die
       Polizei stehe fälschlicherweise unter Generalverdacht. „Mehr als 99 Prozent
       der Polizisten stehen auf dem Boden der Verfassung“, erklärte der
       CSU-Minister, ohne zu verraten, woher diese Zahl stammt. Zu neuen Meldungen
       über rechtsextreme Chatgruppen in der Berliner Polizei meinte Seehofer, man
       müsse darauf achten, aus „Verdachtsfällen keine erwiesenen Fälle zu
       machen“.
       
       ## Seehofer: „Ich habe eine klare Linie“
       
       Der Innenminister zitierte Aussagen der GdP, dass der „Ton gegenüber
       Polizisten aggressiver“ geworden sei. Rassismus sei ein „normaler Vorwurf
       geworden“, mit dem PolizistInnen alltäglich konfrontiert würden. Er
       wiederholte mehrfach, dass es mit ihm keine Studie über Rassismus oder
       Rechtsextremismus in der Polizei geben werde. Trotzdem strebe er in dieser
       Frage eine übereinstimmende Haltung in der Großen Koalition an.
       
       Am Ende der Pressekonferenz versicherte Seehofer: „Ich habe eine klare
       Linie.“ Die werde auch in der Öffentlichkeit verstanden werden. Ein
       Sprecher von Olaf Scholz sagte der taz hingegen, er sei zuversichtlich,
       dass es eine Studie über Rassismus geben werde.
       
       In einem internen Papier des Innenministeriums zur Polizeistudie heißt es:
       „Unsere Polizistinnen und Polizisten dürfen mit ihren Erfahrungen nicht
       alleine gelassen werden. Für [3][Extremismus, Rassismus und Antisemitismus]
       gibt es keine Toleranz.“ Die geplante Studie solle untersuchen, so die
       etwas wolkige Formulierung, „wie dieser Anspruch auch künftig gelebt werden
       kann“.
       
       Bei einem Treffen im Kanzleramt am Montag wurde – neben der Polizeistudie –
       anderes verabredet: So soll auf Drängen der SPD der Begriff „Rasse“ aus dem
       Grundgesetz gestrichen werden. Zudem scheint es, ebenfalls auf Drängen der
       SPD, einen Konsens bei der Einrichtung eines Antirassismusbeauftragten zu
       geben. Näheres, etwa die Ausstattung, ein Termin oder das Verhältnis zu dem
       Antisemitismusbeauftragten im Innenministerium, ist allerdings bisher
       unbekannt.
       
       Dafür, so der regierungsinterne Deal, setzt sich die Union mit der
       Forderung nach mehr Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden durch.
       Verfassungsschutz, BKA und Polizei sollen künftig Verdächtigen Trojaner
       aufs Handy spielen können, um Nachrichten und Anrufe über Apps wie WhatsApp
       mitschneiden zu können. Die SPD war lange strikt dagegen, ihr Nein war
       unter dem Eindruck der Attentate in Hanau und Halle leiser geworden. Zudem
       sollen Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden.
       
       Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte,
       bezeichnet die Kopplung von mehr Trojanern und der möglichen
       Rassismusstudie als „dreckigen Deal auf Kosten von Grund- und
       Freiheitsrechten“. Er zeige das „Elend der SPD, die Seehofer das volle
       Programm genehmigt, bei minimalen Zugeständnissen“. In einer „Situation, in
       der die Bevölkerung auf sonst selbstverständliche Freiheiten verzichten
       muss“, zeuge es von einer „beschämenden Ignoranz“, Geheimdienste mit neuen
       Überwachungsinstrumenten auszustatten.
       
       20 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ein-Streitgespraech-ueber-Rechtsextremismus/!5716986
 (DIR) [2] /Glaude-ueber-Rassismus-in-den-USA/!5717205
 (DIR) [3] /Rechtsextreme-in-Sicherheitsbehoerden/!5716068
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Horst Seehofer
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Olaf Scholz
 (DIR) Innenministerium
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Augsburg
 (DIR) Polizeigewalt
 (DIR) Verfassungsschutz
 (DIR) Saskia Esken
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Polizei
 (DIR) Polizei Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Seehofers Untersuchung zur Polizei: Die Feel-good-Studie
       
       Innenminister Seehofer legt das Konzept für die umstrittene Polizeistudie
       vor: Statt um Rassismus soll es um die Zufriedenheit der BeamtInnen gehen.
       
 (DIR) Getöteter Feuerwehrmann in Augsburg: Ein Schlag und seine Folgen
       
       Im Dezember 2019 stirbt ein Feuerwehrmann auf dem Nachhauseweg vom
       Augsburger „Christkindlesmarkt“. Alle meinen, die Täter zu kennen – bis ein
       Gericht seine Arbeit macht.
       
 (DIR) Fehlverhalten Thüringer Beamter: Neue Vorwürfe gegen Polizei Weimar
       
       Polizeigewalt, Stalking, falsch registrierte Waffen und ein Polizeichef,
       der wegschaut – Weimarer Polizist:innen berichten erneut von Missständen.
       
 (DIR) Reform des Verfassungsschutzrechts: Neue Schnüffel-Befugnisse
       
       Der Verfassungsschutz darf künftig Messengerdienste überwachen. Auch auf
       Inhalte von Smartphones darf er zugreifen.
       
 (DIR) SPD-Chefin zur Rassismus in der Polizei: „Seehofer regelt das nicht alleine“
       
       Die Polizei-Rassismus-Studie wird kommen, versichert SPD-Chefin Saskia
       Esken. Und formuliert eine Kampfansage an den CSU-Innenminister.
       
 (DIR) Innenminister Horst Seehofer lenkt ein: Studie zu Polizei-Rassismus kommt
       
       Zwei Studien sollen klären, wie weit Rassismus in Polizei und Gesellschaft
       verbreitet ist. Seehofer will auch erkunden lassen, worunter Polizist:innen
       zu leiden haben.
       
 (DIR) Unabhängige Kontrolle der Polizei: Mehrheit will Beschwerdestelle
       
       Zwei Drittel der Deutschen ist für eine Beschwerdestelle, um Vorwürfen
       gegen Polizist:innen nachzugehen. Bisher gibt es solche Polizeibeauftragte
       nur in sechs Bundesländern.
       
 (DIR) Ermittlungen wegen Berliner Polizei-Chat: Noch ein Einzelfall?
       
       Die Skandale bei der Polizei reißen nicht ab. In einer Chatgruppe von
       angehenden Polizist:innen wurden menschenverachtende Nachrichten
       verschickt.