# taz.de -- Flucht über das Mittelmeer: Und wieder gibt es Tote
       
       > Vor der Küste Libyens sind 74 Füchtlinge ertrunken. 47 konnten gerettet
       > werden. Es ist bereits das achte tödliche Bootsunglück seit Anfang
       > Oktober.
       
 (IMG) Bild: Die spanische NGO Open Arms rettete in den vergangenen Tagen 200 Menschen
       
       BERLIN taz | Bei einem Unglück vor der Küste Libyens sind am Donnerstag 74
       MigrantInnen ertrunken. Das berichtet die Internationale Organisation für
       Migration. Insgesamt seien über 120 Menschen auf dem Schiff gewesen. 47
       Überlebende seien von der Küstenwache und Fischern an Land gebracht und 31
       Leichen geborgen worden.
       
       Federico Soda, der Missionschef der IOM in Libyen sagte, der zunehmende
       Verlust an Menschenleben [1][im Mittelmeer] sei „Ausdruck der Unfähigkeit
       der Staaten, entschiedene Maßnahmen“ im „tödlichsten Seegebiet der Welt“ zu
       ergreifen.
       
       In den vergangenen zwei Tagen waren bereits mindestens 19 Menschen,
       darunter zwei Kinder, ertrunken. Zwei Boote waren im zentralen Mittelmeer
       gekentert. Das Rettungsschiff Open Arms der gleichnamigen spanischen NGO
       kam in letzter Minute an die Unglücksstelle und rettete in einer
       dramatischen Aktion 200 Menschen. „Wären die nur ein klein bisschen später
       gekommen, hätten wir 200 Tote mehr gehabt“, sagt Maurice Stierl von der
       Initiative Alarm Phone.
       
       Die Schiffbrüchigen hatten das Alarm Phone zuvor per Satellitentelefon
       kontaktiert. Die Situation im zentralen Mittelmeer nannte Stierl „gerade
       absolut frustrierend“. Wohin die von der Open Arms Geretteten kommen, ist
       völlig unklar – in der Regel weigern sich europäische Häfen,
       Rettungsschiffe an Land zu lassen. Weitere Schiffbrüchige aufnehmen kann
       die Open Arms deshalb erst einmal nicht.
       
       ## Einziges Rettungsschiff
       
       Dabei ist die Open Arms derzeit das einzige Rettungsschiff in der Region.
       [2][Die „Sea Watch 4“] wird seit Ende September von den italienischen
       Behörden unter fadenscheinigen Begründungen in Sizilien festgehalten.
       
       Allein in den vergangenen 48 Stunden hatte die Initiative Alarm Phone auf
       zwei weitere Boote mit 20 und 75 in Seenot geratenen MigrantInnen
       aufmerksam gemacht. Auch diese hatten das Alarm Phone kontaktiert. Das
       hatte staatliche Stellen zu einer sofortigen Rettungsaktion aufgefordert –
       ohne Reaktion, wie meistens. „Bei denen kann seither alles passiert sein,“
       sagt Stierl, „wir haben nichts mehr von den Booten gehört.“
       
       Die jüngsten Vorfälle reihen sich in eine Serie von Schiffsunglücken mit
       Hunderten Toten in den vergangenen Wochen ein. Allein acht Unfälle
       ereigneten sich seit dem 1. Oktober vor der Küste Libyens. Ende Oktober
       starben 140 MigrantInnen vor der Küste Senegals.
       
       Insgesamt sind damit in diesem Jahr 900 Menschen im Mittelmeer ertrunken,
       weitere 326 starben auf dem Weg nach Europa im Atlantik. 11.000 Menschen
       wurden seit Januar von der sogenannten libyschen Küstenwache auf dem Meer
       abgefangen und in Internierungslager gebracht.
       
       12 Nov 2020
       
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