# taz.de -- Clubs und Festivals in Niedersachsen: Alles nur Spaß?
       
       > Clubs und Festivals sind rechtlich gesehen lediglich Vergnügungsstätten.
       > Niedersachsens Grüne wollen das ändern – aber ihr Antrag dazu ist
       > chancenlos.
       
 (IMG) Bild: Aus heutiger Sicht visionär: Besucherin des Hildesheimer M'era Luna-Festivals im Jahr 2008
       
       OSNABRÜCK taz | Wenn Niedersachsens Club- und Festivalszene derzeit Zahlen
       schreibt, sind viele von ihnen rot. Auch schon vor Corona hatte sie es
       schwer. Aber die Pandemie, die alles lähmt, bringt sie an den Rand des Aus.
       Existenzangst geht um.
       
       Sinnvoll also, dass die Grünen am Donnerstag im niedersächsischen Landtag
       für diese leidende Branche den Hut in den Ring werfen und den [1][Antrag
       „Förderung der Club- und Festivalkultur – nicht nur unter Corona“]
       einbringen. Aber: Dieser Antrag hat keine Chance. Bereits Ende November
       haben SPD und CDU im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur dagegen votiert,
       im Plenum werden sie dieses Sperrfeuer wiederholen. „Oppositionsarbeit“,
       sagt Eva Viehoff bitter, kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion
       der Grünen, „ist manchmal ganz schön frustrierend.“
       
       Viehoffs Antrag fordert den Landtag in Hannover auf, Mittel für eine
       „direkte und unbürokratische Förderung“ bereitzustellen. Lärmschutzfonds
       sollen Clubs bei der energetischen sowie akustischen Sanierung
       unterstützen. Die Kernforderung: Clubs sollen künftig „rechtlich als
       Kulturstätten anerkannt“ werden, wie Schauspielhäuser etwa oder wie
       Programmkinos.
       
       Auch auf Bundestagsebene ist das ein Thema, dem sich die Grünen angenommen
       haben. Das Problem: Als „Vergnügungsstätten“ stehen Clubs derzeit noch
       immer auf einer Stufe mit Pornokinos, Spielhallen, Wettbüros und Bordellen.
       Dass sie aber ein „Motor für die Genese neuer Kunst und Kultur“ sind, so
       steht es in Viehoffs Antrag, bleibt unberücksichtigt. Eine Einstufung als
       Kulturstätte würde mehr Schutz bedeuten, wenn sich Bebauungspläne ändern,
       würde Genehmigungen erleichtern und beispielsweise auch einer Verdrängung
       in Gewerbegebiets-Randlagen entgegenwirken. Geschehe nichts, könne es „in
       Niedersachsen sehr still werden“.
       
       ## Clubs bloß „Vergnügungsstätten“
       
       Viehoff hat solche Warnungen schon oft im Landtag vorgetragen. Das letzte
       Mal Mitte November, in ihrer sehr emotionalen Rede zum [2][Grünen-Antrag
       „Kunst und Kultur sind kein Sahnehäubchen – Kulturfördergesetz jetzt!“].
       Niedersachsen gebe der Kultur keine Perspektive, hat sie da gesagt, „nicht
       eine einzige“. Ihr Fazit, ziemlich zornig: „Wir werden am Ende dieser
       Pandemie vielleicht kein Kulturfördergesetz mehr brauchen, weil wir in
       Niedersachsen gar keine Kultur mehr haben.“
       
       Statt des Grünen-Antrags wird aber heute im niedersächsischen Landtag der
       [3][Antrag „Nachhaltige Hilfen für die Kultur- und Kreativbranche“] der
       Großen Koalition durchgehen, in dem die Landesregierung sich erst mal
       selbst lobt. Was dann folgt, klingt teils ziemlich vage. „Das zeigt, wie
       gespalten die Groko da ist“, sagt Viehoff. „Das sind die einzigen
       Kompromisse, zu denen sie fähig war.“
       
       ## Antrag folgt auf Antrag
       
       Viehoff ärgert vor allem, dass Monat um Monat ins Land geht, ohne dass sich
       für die Betreiber*inner von Clubs etwas ändert. „Seit Beginn der Pandemie
       stellen wir in Sachen Kultur Einzelantrag auf Einzelantrag“, sagt sie.
       „Aber das dauert und dauert.“ Ihr Antrag „Förderung der Club- und
       Festivalkultur“ ist beispielsweise schon von Mitte Juni. Der [4][Antrag
       „Sonderfonds Kultur Jetzt – Niedersachsens lebendige Kulturszene retten“],
       auch er von den Grünen, ist sogar schon von Ende April. Auch dieser Antrag
       steht heute zur Entscheidung an. Auch bei ihm ziehen SPD und CDU nicht mit.
       Stattdessen wortreiche Absichtserklärungen, die nicht nach schnellem,
       effizientem Handeln klingen.
       
       Aufgeben wird Eva Viehoff nicht. Sie weiß: Viele Kulturschaffende fallen
       derweil durchs Raster, melden Ansprüche gar nicht erst an, weil sie an den
       bürokratischen Hürden der Coronaprogramme verzweifeln. Und sie weiß auch:
       Das Problem ist nicht nur Corona – es ist der Missstand, dass die Kultur
       für die Kommunen keine Pflichtaufgabe ist. Ist das Geld knapp, steht sie
       daher oft als Allererstes auf der Einsparungsliste. Viehoff sieht die
       Kultur dadurch marginalisiert: „Ich kann mir denken, was passiert, wenn in
       den Kommunen nach der Pandemie überall die freiwilligen Leistungen
       gestrichen werden.“
       
       ## „Naturkatastrophe in Zeitlupe“
       
       Der Landtagsantrag der Grünem ist im Schulterschluss mit dem Hannoveraner
       [5][Verein „KlubNetz“] entstanden, dem Verband der niedersächsischen
       Konzertkulturschaffenden. „Die Coronakrise wurde schon als
       ‚Naturkatastrophe in Zeitlupe‘ bezeichnet“, sagt Klubnetz-Vorsitzender
       Gunnar Geßner. „Ganz ähnlich fühlt es sich für die Club- und Festivalkultur
       an.“
       
       10 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_07500/06501-07000/18-06680.pdf
 (DIR) [2] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_10000/07501-08000/18-07816.pdf
 (DIR) [3] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_10000/07501-08000/18-07831.pdf
 (DIR) [4] https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_07500/06001-06500/18-06343.pdf
 (DIR) [5] http://klubnetz.pixelplanungsbuero.de/index.php?id=160&L=0
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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