# taz.de -- Politischer Aktivismus im US-Sport: Von der versteckten Macht
       
       > Rassismus und Diskriminierung sind Alltag in den Ligen. 2020 streikten
       > Spitzensportler:innen und setzten Zeichen gegen strukturellen Hass.
       
 (IMG) Bild: Pro Black Lives Matter: beim Champions-League-Spiel in Paris am 9. Dezember
       
       Reden wir über George Hill. Er ist 34 Jahre alt und spielt Basketball.
       Ziemlich gut sogar. Seit 2008 gehört er zum exklusiven Kreis der Spieler in
       der NBA, der besten Liga der Welt. Er verdient um die zehn Millionen
       US-Dollar im Jahr und ist weit davon entfernt, einer der großen Stars zu
       sein. In dieser Saison spielt er für Oklahoma City Thunder. Auf dem Parkett
       ist er unauffällig, gilt in der Liga voller eitler Selbstdarsteller als
       Teamplayer, als zuverlässig. Doch am 26. August dieses Jahres wollte er
       nicht mehr.
       
       Die Spieler hatten sich schon aufgewärmt. 20 Minuten später sollte in der
       Disneyland-Arena in Florida das Play-off-Spiel gegen Orlando Magic
       beginnen, als Hill seinem Team sagte, dass er nicht spielen werde. Es war
       die Initialzündung für einen Generalstreik im US-Sport. Fußballspiele
       wurden abgesagt, die Basketballerinnen der WNBA stellten ihren Spielbetrieb
       ein. Sogar in der kreuzbraven, uramerikanischen Major League Baseball
       wurden Spiele gecancelt.
       
       Hill hatte sein Team und beinahe die gesamte US-Sportszene überzeugt, dass
       es ein Zeichen braucht, nachdem ein Polizist in Kenosha, Wisconsin, den
       Afroamerikaner Jacob Blake niedergeschossen hatte. Schnell schlossen sich
       die Teams an, die in Florida zusammengezogen worden waren, um in einer
       Corona-Hygieneblase ihre Saison zu beenden.
       
       Schon auf das Bubble-Experiment hatten sich die Spieler nur eingelassen,
       nachdem die Liga ihnen zugesagt hatte, dass sie die Diskriminierung
       Schwarzer US-Bürger:innen während der Spiele zum Ausdruck bringen dürfen.
       Der brutale Mord an George Floyd durch einen Polizisten hatte die
       Basketballer schockiert. Das NBA-Finalturnier wurde zu einer
       Antirassismusshow. „Black Lives Matter“ stand groß auf dem Parkett. Doch
       nach den Schüssen von Kenosha reichte den Spielern die politische PR-Show
       nicht mehr. Sie machten Ernst und traten in den Streik.
       
       ## Selbstermächtigung
       
       Es war eine Selbstermächtigung, die ihresgleichen sucht im Sport. Die NBA
       verpflichtete sich, zu den US-Präsidentschaftswahlen Werbespots zu
       schalten, um vor allem Schwarze zum Wählen zu bewegen. Außerdem versprachen
       die Klubbesitzer, die NBA-Arenen für die Registrierung von Wählern und als
       Wahllokale zur Verfügung zu stellen. Erst nachdem die NBA das zugesagt
       hatte, wurde weitergespielt. Tatsächlich öffneten 20 Arenen ihre Tore für
       die Wahlen. Der Spielerstreik hatte Wirkung gezeigt. Spieler sind weit mehr
       als Hochleistungsmaschinen, die zu funktionierenden Werkzeugen im
       Unterhaltungsbusiness Sport gedrillt werden. Sie haben Macht.
       
       Colin Kaepernick, der zur Ikone gewordene Footballstar, der aus Protest vor
       den Spielen zur Nationalhymne niederkniete, begann seinen Kampf alleine. Er
       bekam viel Aufmerksamkeit, fand Nachahmer. Einen Vertrag in der National
       Football League hat er nicht mehr, er schien den Klubbesitzern ersetzbar.
       Doch die ganze NBA-Spielerschar ist es nicht. Das haben sie ausgespielt.
       
       Vielleicht wurde damit etwas ausgelöst, was man Anfang Dezember am anderen
       Ende der Welt, in der französischen Hauptstadt Paris, bestaunen konnte. Die
       Spieler von Paris Saint-Germain und Başakşehir Istanbul verließen aus
       Protest gegen eine rassistische Äußerung des Schiedsrichters den Platz. Und
       das in der Champions League.
       
       Am nächsten Tag wurde die Partie mit einem anderen Schiedsrichter
       fortgesetzt. Kaum einer hätte dies für möglich gehalten. Es ist das größte
       Zeichen, das Fußballer in einem Wettbewerbsspiel gegen Rassismus je gesetzt
       haben. Und es wird nicht das letzte gewesen sein. George Hill sei Dank.
       
       1 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) 2020 in guten Nachrichten
 (DIR) Black Lives Matter
 (DIR) Fußball und Politik
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Wochenkommentar
 (DIR) US-Sport
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel
 (DIR) Kolumne Press-Schlag
 (DIR) Black Lives Matter
 (DIR) Medien
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Mesut Özil
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rassismusvorwürfe im US-Football: Ex-Trainer Flores verklagt NFL
       
       Nach seiner Kündigung klagt der Schwarze Footballtrainer Brian Flores gegen
       die National Football League: Die Liga werde „wie eine Plantage verwaltet“.
       
 (DIR) Berliner Olympiastadion als buntes Zeichen: Allerorten Outing mit Symbolpolitik
       
       Schon irre, wie sich auf einmal alle um die Regenbogenfahne scharen. Auch
       das Olympiastadion leuchtet während der Partie Deutschland-Ungarn bunt.
       
 (DIR) Baseball protestiert gegen Georgia: Für alle Plätze im Bus
       
       Die Major League Baseball hat ihr Allstar-Spiel von Atlanta nach Denver
       verlegt. Aus Protest gegen die reaktionären Wahlgesetze in Georgia.
       
 (DIR) Aktivismus im Profisport: Politische Protestfolklore
       
       Der Profisport wird zur Bühne für Gesellschaftskritik. Mittlerweile
       organisieren die Verbände selbst die Proteste. Man kann das absurd finden.
       
 (DIR) Sportler gegen Trump: Mit den Falschen angelegt
       
       Kelly Loeffler verlor in Georgia auch, weil ihr die Unterstützung ihres
       Basketball-Teams fehlte. NBA-Profis protestieren gegen den Trump-Mob.
       
 (DIR) Schüsse auf Jacob Blake in Kenosha: Keine Anklage gegen US-Polizisten
       
       In den USA hat im August ein Polizist dem Schwarzen Jacob Blake sieben mal
       in den Rücken geschossen. Doch gegen ihn wird keine Anklage erhoben.
       
 (DIR) Internetnutzung 2020 und Medienkompetenz: Leben in der medialen Gesellschaft
       
       Die Grenzen zwischen uns und unserem medialen Abbild lösen sich immer
       weiter auf. Umso wichtiger wird die Medienkompetenz.
       
 (DIR) Baseball-Club in USA: Indians wollen Namen ändern
       
       Die Cleveland Indians, zweimaliger Meister in den USA, legen nach 105
       Jahren und vielen Debatten ihren Namen ab. Viele empfanden ihn als
       rassistisch.
       
 (DIR) Özils karrierehemmende Botschaften: Global Player im Abseits
       
       Mesut Özil, einer der besten Vorlagengeber der Welt, ordnet seine
       Fußballkarriere seinem politischen Aktivismus unter. Der FC Arsenal
       ignoriert ihn.