# taz.de -- Streit um russisches Raketenabwehrsystem: Sanfte Sanktionen für die Türkei
       
       > Der Kauf des Raketensystems S-400 sorgt seit Monaten für Spannungen
       > zwischen den USA und der Türkei. Nun hat Washington reagiert.
       
 (IMG) Bild: Teile des Raketenabwehrsystems S-400 werden auf Luftwaffenstützpunkt Mürted entladen
       
       ISTANBUL taz | Die USA haben Sanktionen gegen den Nato-Partner Türkei
       verhängt, weil die Regierung ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft
       hat. Die Maßnahmen richteten sich gegen die für Rüstungsfragen zuständige
       zivile Rüstungsbeschaffungsagentur SSB, ließ am Montag das
       US-Finanzministerium verlauten.
       
       Die Türkei hat mit scheinbar großer Gelassenheit darauf reagiert. Der
       türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte zwar, das sei ein „schwerer
       Fehler“ und man werde zu gegebener Zeit darauf reagieren. Er kündigte aber
       gleichzeitig an, man wolle den USA Zeit geben, den Fehler zu korrigieren.
       
       Die Sanktionen sind das Ergebnis jahrelanger [1][Auseinandersetzungen
       zwischen beiden Ländern], nachdem die Türkei 2017 in Russland modernste
       Flugabwehrsysteme des Typs S-400 gekauft hat. Die Türkei hatte sich damit
       gerechtfertigt, dass die Obama-Regierung sich zuvor geweigert hatte, das
       US-Flugabwehrsystem Patriot an die Türkei zu verkaufen.
       
       Der scheidende US-Präsident [2][Donald Trump hatte sich lange gegen
       Türkei-Sanktionen] gestellt. Dass er jetzt kurz vor dem Ende seiner
       Amtszeit doch Sanktionen verfügt hat, hängt damit zusammen, dass er damit
       die vom Kongress angedrohten weit schärferen Sanktionen verhindern konnte.
       
       ## Spannungen wegen Kampfbomber
       
       Die Maßnahmen erfolgen nach dem CAATSA-Gesetz, das es der US-Administration
       erlaubt, solche Länder zu bestrafen, die größere Rüstungskäufe in Russland
       tätigen. Von zwölf möglichen Sanktionen, die CAATSA vorsieht, hat Trump nun
       fünf relativ geringfügige ausgewählt. Von den Sanktionen sind auch der
       SSB-Chef Ismail Demir und drei weitere leitende Angestellte der Behörde
       betroffen. Demir darf nicht mehr in die USA einreisen, seine Konten in den
       USA, so er welche hat, werden eingefroren. Auch bekommt die SSB keine
       Lizenzen mehr aus den USA, die Rüstungszusammenarbeit wird also
       eingeschränkt.
       
       Die Sanktionen kamen, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan
       im Oktober ersten Tests mit dem S-400-System zugestimmt hatte. Bis dahin
       hatte die Türkei mit Rücksicht auf die Gespräche mit den USA die S-400 erst
       einmal gar nicht ausgepackt.
       
       Erdoğan wollte damit erreichen, dass die US-Regierung den Rauswurf der
       Türkei aus dem Programm für die modernsten Kampfbomber F-35 zurücknehmen –
       eine Maßnahme, die die Türkei sehr viel mehr schmerzt als die jetzt
       verhängten Sanktionen. Die Türkei war am Bau dieser modernsten
       Bombergeneration beteiligt und hatte auch bereits mehr als eine Milliarde
       Dollar für den Kauf von F-35 Kampfbombern überwiesen.
       
       Doch die US-Regierung blieb hart. Das Pentagon befürchtet, dass die
       Radareinrichtungen der russischen S-400 den Tarnkappenbomber F-35 enttarnen
       könnten, wenn sowohl die russische Flugabwehr als auch der amerikanische
       Bomber in der Türkei im Einsatz wären. Außerdem hatte Israel gegen den
       Verkauf der F-35 an die Türkei protestiert.
       
       Trotzdem sucht die Türkei nach einem Neuanfang in den Beziehungen zu
       Washington. Erst vor wenigen Tagen ernannte Erdoğan einen neuen Botschafter
       für die USA, der als bekennender Atlantiker Brücken in die
       [3][Biden-Regierung] bauen soll.
       
       15 Dec 2020
       
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