# taz.de -- Ein Jahr nach dem Anschlag in Hanau: Anzeige gegen Vater des Attentäters
       
       > Die Angehörigen der Toten von Hanau halten auch den Vater von Tobias R.
       > für gefährlich. Sie werfen ihm nun Beihilfe zum Mord vor.
       
 (IMG) Bild: Die Hinterbliebenen haben auch Angst vor dem Vater des Hanau-Attentäters
       
       HANAU/BERLIN taz | Seine Rolle treibt die Hinterbliebenen des
       Hanau-Anschlags seit Wochen um: [1][Hans-Gerd R., der Vater des
       Attentäters]. Die Familien halten auch den 73-Jährigen für gefährlich,
       forderten auf einer Kundgebung nahe seines Hauses Ermittlungen gegen ihn.
       Nun wollen sie nicht länger warten – und stellten Strafanzeige gegen den
       Rentner.
       
       Die Bundesanwaltschaft bestätigte der taz den Eingang der Anzeige. Der
       Vorwurf laute auf psychische Beihilfe zum Mord und Nichtanzeigen von
       Straftaten. Die Hinterbliebenen äußerten sich dazu bisher nicht öffentlich.
       Zuerst hatte die SZ über die Anzeige berichtet.
       
       Fast genau vor einem Jahr, [2][am 19. Februar 2020], hatte Tobias R. in
       Hanau neun Menschen aus Familien mit Migrationsgeschichte erschossen,
       danach auch seine Mutter und sich selbst.
       
       In einem Bekennerschreiben auf seiner Internetseite legte der 43-jährige
       R., der bei seinen Eltern wohnte, einen Verfolgungswahn und Rassismus
       offen. Er wähnte sich von Geheimdiensten verfolgt und wollte ganze „Völker
       komplett vernichten“.
       
       ## Der Vater teilt den Wahn des Sohnes
       
       Die Betroffenen hatten früh auch nach der [3][Rolle des Vaters] von Tobias
       R. gefragt. Denn anders als die pflegebedürftige Mutter wurde er in der
       Mordnacht verschont. Und offensichtlich teilt er den Wahn seines Sohnes.
       Auch Hans-Gerd R. stellte schon 2004 eine Anzeige, dass seine Familie
       überwacht werde. Ein Psychiater attestierte dem Vater in einem aktuellen
       Gutachten, dass dieser von seinem Sohn „einige Wahnthemen übernimmt“. Es
       liege ein geteilter Wahn nahe, eine „Folie à deux“.
       
       Zeugen und Ermittler verwiesen zudem auf die dominante Rolle des Vaters:
       Bei früheren Vorwürfen gegen Tobias R. sei es stets der Vater gewesen, der
       sich bevollmächtigte und für seinen Sohn sprach.
       
       Auch in der Tatnacht, nachdem Tobias R. nach Hause zurückgekehrt war,
       wollen zwei Zeuginnen Hans-Gerd R. noch zwei Mal vor dessen Haus gesehen
       haben, das Auto seines Sohnes inspizierend. Später wurde auf seinem PC
       mehrmals die Internetseite des Sohnes aufgerufen, auf der dieser sein
       Bekennerschreiben veröffentlicht hatte. Den Ermittlern sagte der Rentner
       indes, er habe ab 20 Uhr geschlafen und vom Mord an der Mutter und dem
       Selbstmord des Sohnes nichts mitbekommen.
       
       Die Hinterbliebenen halten das für nicht glaubwürdig. Sie glauben vielmehr,
       dass der Vater – aufgrund der gleichen Vorstellungen und der engen
       Wohnsituation – sehr wohl etwas von den Mordplänen mitbekam und seinen Sohn
       darin vielleicht sogar bestärkte.
       
       ## Bundesanwaltschaft sieht Vater bisher als Zeugen
       
       Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft erklärte zuletzt jedoch, dass Hans-Gerd
       R. nur als Zeuge geführt werde. Die Ermittlungen hätten „keine zureichenden
       tatsächlichen Anhaltspunkte für ein, wie auch immer geartetes, strafbares
       Verhalten ergeben“.
       
       Aber: Der Vater gab auch nach dem Anschlag keine Ruhe. Schon kurz nach der
       Tat verschickte er mehrere Beschwerden und Strafanzeigen an die
       Bundesanwaltschaft und weitere Behörden. Die Durchsuchung seines Hauses in
       der Tatnacht zeigte er als Freiheitsberaubung und Verletzung der
       Menschenwürde an. Sein Sohn habe das Attentat gar nicht verübt, sondern ein
       Geheimdienst.
       
       Und Hans-Gerd R. äußerte sich in seinen Schreiben ebenfalls rassistisch,
       klagte über eine „Benachteiligung meiner Rasse, mithin des deutschen
       Volkes“. Die Mordopfer nannte er „Täter“. R. warf dem Bürgermeister Hanaus,
       Claus Kaminsky (SPD), Volksverhetzung vor, weil dieser gesagt hatte, „die
       Opfer waren keine Fremden“. Außerdem forderte R., alle Gedenkstätten an die
       Opfer des Hanau-Attentats müssten entfernt werden. Zudem müsse die
       Internetseite seines Sohnes wieder freigeschaltet werden und er wolle die
       Tatwaffen zurück.
       
       ## „Dieser Mann ist gefährlich“
       
       Die Hinterbliebenen erfuhren von diesen Anzeigen zunächst nichts. Die
       Polizei ermahnte einige von ihnen dagegen, den Vater in Ruhe zu lassen, als
       dieser nach einem Krankenhausaufenthalt in den Hanauer Stadtteil
       Kesselstadt zurückkehrte. „Wer schützt hier eigentlich wen?“, fragte
       [4][Serpil Temiz-Unvar], Mutter des erschossenen Ferhat Unvar. „Dieser Mann
       ist gefährlich, und keiner macht was.“
       
       Als die Betroffenen Ende Dezember mit ihrer Kundgebung nahe des Hauses von
       Hans-Gerd R. Ermittlungen gegen diesen forderten, trat der 73-Jährige mit
       einem Schäferhund vors Haus. Im Anschluss zeigte er die Protestierer als
       „wilde Fremde“ an – was ihm eine Anklage wegen Beleidigung einbrachte.
       
       Nun wollen die Hinterbliebenen nicht mehr länger warten – und Ermittlungen
       gegen Hans-Gerd R. erzwingen. Käme es wirklich zu einer Anklage gegen den
       Vater des Attentäters, könnte es doch noch zu einem Prozess über den
       Hanau-Anschlag kommen. Bisher fällt dieser aus, weil der Attentäter tot
       ist.
       
       17 Feb 2021
       
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