# taz.de -- Umbau von Parks wegen der Klimakrise: Zurück zur Natur
       
       > Parks sind für Großstädter in der Pandemie wichtiger denn je. In Berlin
       > wird der beliebte Volkspark Friedrichshain für den Klimawandel fit
       > gemacht.
       
 (IMG) Bild: Partyberlin in Coronazeiten: Feierabendbier mit perfektem Panorama auf dem Großen Bunkerberg
       
       Fangen wir klein an und nehmen als Beispiel den Boxhagener Platz. Der liegt
       mitten im – immer noch lahmgelegten – Ausgehviertel von Friedrichshain und
       war schon immer ein stark frequentiertes, arg strapaziertes Stückchen
       Grünfläche mit Rasen, Bäumen, Büschen und einem Spielplatz mit
       Planschbecken. Gerade, wir haben Anfang März, scheint für ein paar Stunden
       die Sonne, und es ist recht belebt zur Mittagszeit für einen normalen
       Werktag.
       
       Leute sonnen sich allein auf einer Bank oder rauchen eine am Zaun gelehnt,
       stehen zu zweit oder dritt mit Mittagessen vom Imbiss in der Hand zusammen,
       es wird hier und da Bier getrunken. Auf der Wiese finden sich alle paar
       Meter kleine Inseln aus wenigen Menschen, eine Familie spielt mit den
       Kindern Fußball. Ein weißer Pudel kackt auf den Rasen.
       
       Der Boxi, so sein liebevoller Volksname, hat zuletzt eine Art
       Frischzellenkur erfahren. Von September bis Mitte Dezember vergangenen
       Jahres wurden Wege erneuert und 13 Bäume gepflanzt. Und zwar eine andere
       Art als die noch stehenden Rotdorne, die sehr viel Wasser benötigen.
       
       Die vergangenen drei Dürresommer hätten deutlich gezeigt, dass sie es durch
       den Klimawandel schwer haben werden, teilte das Bezirksamt
       Friedrichshain-Kreuzberg im „Bezirksticker“ mit: „Deshalb wurde mit dem
       Denkmalschutz abgestimmt, dass ausfallende Bäume künftig mit Apfeldorn
       nachgepflanzt werden“, heißt es dort. Jene seien resistenter gegen Hitze
       und Trockenheit. Und auch in den Strauchflächen wurden „die Lücken mit
       robusten Sträuchern neu bepflanzt“.
       
       Das sieht Anfang März noch alles richtig neu und richtig gut aus. Nur die
       große alte Linde mitten auf dem Platz fehlt. Ende Februar ist der 100 Jahre
       alte Baum plötzlich umgefallen, zum Glück wurde niemand verletzt. Die Linde
       war ein „besonders landschaftsprägender Baum und als Naturdenkmal
       ausgewiesen“, teilte das Bezirksamt nach dem Zusammenbruch mit. Zurück
       blieb ein zwei Meter hoher Stumpf.
       
       Noch im vergangenen Sommer war die Linde „eingehend gutachterlich
       untersucht“ worden; dabei wurden „Pilzbefall durch den Lackporling und
       fortgeschrittene Fäule mit daraus resultierendem Holzabbau festgestellt.“
       Man kürzte die Krone ein. Doch das alles nützte am Ende nichts.
       
       Bäume sterben auch woanders. Berlin verliert pro Jahr rund 1.100
       Straßenbäume. Der Bund für Umwelt und Naturschutz wertet regelmäßig die
       Statistiken der Bezirke über die Straßenbäume aus, wie gerade wieder Anfang
       März.
       
       Für Bäume in Grünanlagen oder Wäldern gibt es leider keine entsprechend
       detaillierten Zahlen. Immerhin existiert eine vom Senat geführte Liste mit
       den [1][Parks der Stadt] mit rund 2.000 Eintragungen. Darin sind klassische
       Grünanlagen, aber auch Wälder und Wasserflächen aufgelistet, wie Derk
       Ehlert, Naturreferent der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und
       Klimaschutz, am Telefon erklärt. „Mehr als 40 Prozent der Stadt besteht aus
       diesen Flächen.“ Und das ist gut so, ließe sich hinzufügen.
       
       Ehlert sagt dann auch ganz richtig, dass ja gerade in diesen Zeiten
       deutlich erlebt werden kann, „[2][wie wichtig Grün für eine Stadt wie
       Berlin ist]“. Schon vor Corona wären allein die Wälder – so Schätzungen aus
       seinem Hause – jeden Tag von rund einer Million Menschen genutzt worden.
       Jetzt dürften es viel mehr sein. Zahlen werden allerdings nicht erhoben,
       wie auch? Aber „die Massen strömen“, wie Ehlert es formuliert. Ähnliches
       gilt für die Parks. Man muss sich ja nur mal umsehen.
       
       Etwa im Friedrichshainer Volkspark, um mal eine der größeren Grünflächen zu
       nehmen, zudem einem der ältesten Parks der Stadt. Die rund 50 Hektar
       Grünfläche (umgerechnet etwa so viel wie 70 Fußballfelder) werden schon
       stark genutzt, wenn das Wetter nur halbwegs schön ist.
       
       Scheint die Sonne – die Temperatur ist dann eigentlich egal -, wird es
       rappelvoll im Volkspark. Die Menschen aus den eng bebauten angrenzenden
       Kiezen von Friedrichshain im Süden und Osten, Prenzlauer Berg im Westen
       und, weil gut an den ÖPNV angeschlossen, gefühlt der ganzen Stadt machen
       ihn sich auf alle nur erdenkliche Arten zu eigen. Als erweitertes Wohn- und
       Arbeits- und Kinderzimmer und Küche sowieso. Für Picknicks und Grillen und
       suchtmittelgesättigte Runden. Für sportliche Betätigung am Kletterfelsen,
       im Beachvolleyballsand oder auf irre langen Slacklines (der modernen
       Variante des Seiltanzens) zwischen den großen Bäumen, für Yoga und Joggen
       und Walken. Fürs normale Spazier- und noch mehr Gassigehen. Für anonyme
       Sexdates in den schwulen Cruisinggebieten. Für Fledermaus-Beobachtungen
       oder Holunderbeeren-Ernte. Fürs Nichtstun und Luftholen, von wegen grüne
       Lunge der Stadt. Der Volkspark wird, der Name deutet es an, gebraucht wie
       die Luft zum Atmen.
       
       „Dieser Park ist ein Erholungsgebiet für die Menschen, die hier leben und
       darüber hinaus“, bestätigt Clara Herrmann, als grüne Bezirksstadträtin
       neben Finanzen und Kultur auch für die Umwelt zuständig. „Und er ist stark
       frequentiert.“ Immerhin ist Friedrichshain-Kreuzberg der am dichtesten
       besiedelte Bezirk Berlins – man spürt das sozusagen bei jedem Spaziergang
       am eigenen Leib, egal ob in einer Grünanlage, auf einem Friedhof oder
       einfach auf den Straßen im Kiez.
       
       Herrmann betont zudem den sozialen Aspekt: Denn neben dem Park als
       Sportanlage oder Bühne für einen Kindergeburtstag sei er eben auch ein Ort,
       den man „ganz ohne einem Konsumzwang zu unterliegen“ nutzen könne. „Parks
       bieten Räume für Menschen.“ Einerseits.
       
       Andererseits geht es um Stadtnatur und biologische Vielfalt. Das seien
       wichtige Funktionen, die in Zeiten des Klimawandels an Bedeutung gewinnen
       würden, sagt Clara Herrmann, die sich anschickt, nach der Wahl im Herbst
       Bürgermeisterin des Bezirks zu werden. Jeder Mensch könne das ja an sich
       selbst fühlen: „Parks sind Kaltluft- und Frischluftgebiete zum Durchatmen,
       gerade in sehr heißen Sommern, die ja immer länger und immer heißer werden
       und uns Menschen stark belasten.“
       
       Der so stark frequentierte Volkspark Friedrichshain erlebt, ähnlich wie der
       kleine Boxhagener Platz, [3][eine Art Generalüberholung.] Aufmerksame
       Parkbesucher haben das längst mitbekommen. Dabei ist das keine Sache von
       ein paar Monaten, sondern von etlichen Jahren. Was genau passiert ist und
       was noch umgesetzt wird, hat sich die taz deshalb bei einem langen
       Spaziergang durch den Park erklären lassen. Mit dabei ist Stadträtin
       Herrmann und Oliver Voge, Gruppenleiter Natur- und Bodenschutz und
       Landschaftsplanung im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.
       
       Wir haben uns an einem Mittwochvormittag am Märchenbrunnen verabredet,
       gewissermaßen dem schönsten Entree zum Volkspark (es gibt ja viele Wege
       hinein in den Park). So früh ist noch nicht viel los. Ziel sind die beiden
       Bunkerberge im Park, vor allem der große.
       
       Sie stehen im Zentrum der Maßnahmen, die das „Schutz-, Pflege- und
       Entwicklungskonzept“ – kurz SPE – für den Volkspark Friedrichshain
       vorsieht. Es wurde bereits 2013 erstellt; das war nötig, weil damals Areale
       der Bunkerberge wegen „standsicherheitsgefährdeter Bäume“ gesperrt werden
       mussten, unter anderem Silber- und Graupappeln.
       
       „Das sind ganz klassische Pionierbäume aus den 1950er Jahren“, erklärt
       Oliver Voge, „deren Stecklinge und Samen damals in anderen Parks gesammelt
       und hier in den Boden eingebracht wurden. Das sind keine Zukunftsbäume,
       Pappeln werden nicht alt. Die Silber- und Graupappeln, die heute noch
       stehen, werden irgendwann herausgenommen werden müssen, wenn sie ihr
       Lebensalter erreicht haben.“ Mit 60 Jahren ist es oft schon so weit.
       
       Alle Bäume wurden auf ihre Vitalität hin untersucht, das ist ein Aspekt des
       SEP-Konzepts. Dessen Ziel ist – sorry, jetzt kommt etwas Verwaltungsdeutsch
       – eine „gelenkte Vegetationsentwicklung in Richtung naturnaher waldartiger
       Eichen-Hainbuchenbestände, Ahorn-Eschenmischbestände sowie
       Winterlinden-Hainbuchenbestände“.
       
       Also auf zum Großen Bunkerberg! Doch schon ein paar Meter vom
       Märchenbrunnen entfernt gibt es Anlass für einen ersten Stopp an einer der
       Liegewiesen. Dort, wie auch an anderen Stellen im weitläufigen Park, steht
       ein Sammelbehälter für Kippen beziehungsweise Kronkorken. Sie sind fast
       voll.
       
       „Hier sieht man, welcher Abfall ein großes ökologisches Problem in den
       Grünanlagen ist“, sagt Herrmann. „Die beiden Behälter sind extra dafür da,
       dass man die Zigarettenstummel und Kronkorken sachgerecht entsorgt und
       nicht einfach auf der Wiese liegen lässt. Und das funktioniert, wie man
       sieht.“
       
       Stimmt. Seit es die Sammelstellen gibt, liegen viel weniger Kippen herum,
       die alles andere als optimal für Natur, Boden und letztlich fürs
       Grundwasser sind. Eklig sind die Zigarettenstummel sowieso. „Und wenn die
       Box voll ist – sie fasst 25.000 Stück – wird auf der alten Rodelbahn oben
       am Kleinen Bunkerberg ein Naturobstbaum gepflanzt“, sagt Herrmann.
       Zieräpfel oder Felsenbirnen zum Beispiel.
       
       Und die Liegewiese, die ganz schön ramponiert aussieht? Sie hat kahle
       Stellen, wo Rasen fehlt und Erdboden zu sehen ist. Ist das so in Ordnung?
       
       Erstaunlicherweise gibt sich Oliver Voge gelassen. „Das ist eine typische
       Liegewiese, und das soll auch so sein“, erklärt er. Die Parkbesucher
       sollten sich hier im Sommer hinlegen können. „Es handelt sich um einen
       speziellen Trittrasen, der das eigentlich aushält. Doch die Belastung ist
       in den vergangenen zwei Jahren wesentlich größer geworden, und auch die
       klimatischen Veränderungen der vergangenen drei Jahre setzen dem Rasen
       zusätzlich zu.“ Doch es gehöre zur normalen Bewirtschaftung des Straßen-
       und Grünflächenamts, „das dann jährlich wiederherzustellen“.
       
       ## Aufstieg bis auf 78 Meter
       
       Wir gehen weiter Richtung Großer Bunkerberg, mit 78 Metern die höchste
       Erhebung im Bezirk. Was auf dem Weg entlang des Spielplatzes vis-a-vis des
       (geschlossenen) Restaurants Schönbrunn auffällt: Es gibt einen neuen, weil
       asphaltierten Weg. „Hier war zuvor ein unbefestigter Weg“, weiß Voge zu
       berichten. „Eine klassische Radverbindung durch den Park. Bei nassen Wetter
       kam niemand mehr mit dem Kinderwagen oder Rollstuhl durch.“
       
       Voge verweist auf die DDR-Zeit, als „diese Wege ohnehin alle asphaltiert
       waren“. Die wurden bei der letzten Parkumgestaltung von 1995 bis 2000
       wieder entfernt. Der nun erneut asphaltierte Weg wäre „aus
       naturschutzfachlicher Sicht nicht so schön“, räumt Voge ein. Weil, so
       ergänzt Herrmann, „immer mehr Wege immer mehr Versiegelung bedeuten.“ Ein
       Kompromiss, nickt Voge. „Wir hoffen, dass die Parkbesucher diese Wege auch
       nutzen.“
       
       Wahrscheinlich muss man an das Gute im Menschen glauben. Denn der trampelt
       bekanntlich gern abseits vorgegebener Wege. Das lässt sich im Park überall
       gut erkennen, gerade jetzt, da die Sträucher und Bäume noch keine Blätter
       ausgebildet haben. Als wir den asphaltierten Weg verlassen und die ersten
       Steinstufen zum Großen Bunkerberg erklimmen, liegt rechter Hand, zum vor
       einem Jahr abgebrannten Pavillon hin, eines von mehreren Cruisinggebieten
       mit ausgeprägten Trampelpfaden.
       
       Aber nicht nur hier, wo sich schwule Männer für anonymen Sex treffen, gibt
       es diese Pfade. Sie finden sich überall und führen zum Beispiel
       schnurstracks den steilen Hügel hinauf, statt dem serpentinenhaft
       ansteigenden und gut gepflasterten Weg zur Spitze des Bunkerbergs zu
       folgen. „Wer läuft solche Wege?“, fragt Oliver Voge. Wahrscheinlich
       ambitionierte Jogger.
       
       An dieser Stelle könne man gut die Sache mit dem Totholz erklären, sagt
       Clara Herrmann. Davon liegt rund um und vor allem direkt in den
       Trampelpfaden so einiges herum. „Warum räumt ihr den Park nicht auf?“,
       würde das Bezirksamt öfter von Bürgern gefragt, erzählt Herrmann. „Weil das
       ein wichtiger Bestandteil aus ökologischer Sicht für die biologischen
       Vielfalt ist“, laute ihre Antwort dann. „Viele Insekten finden im Totholz
       ihr Zuhause. Das ist gut für Vögel und Fledermäuse, damit sie was zu
       fressen haben. Totholz liegen lassen ist also eine gute Sache.“ Voge kann
       das nur unterstreichen. „Totholz ist unbedingt erforderlich.“ Es hat noch
       einen anderen Nutzen.
       
       Das ist der perfekte Moment, um ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit
       zurückzublicken. Schon vor der Erstellung des Schutz-, Pflege- und
       Entwicklungskonzeptes gab es ein Bodengutachten für beide Bunkerberge,
       erklärt Voge. Man wollte wissen, wie groß eine mögliche Schadstoffbelastung
       ist, aber auch etwas zu den Bodeneigenschaften erfahren.
       
       Es ging zum Beispiel um den Nährstoffgehalt des Bodens, „damit man weiß,
       was man überhaupt anpflanzen kann“. Schließlich handelt sich bei den
       Bunkerbergen – darunter befinden sich die Überreste zweier Flaktürme aus
       dem Zweiten Weltkrieg – um einen aufgeschütteten Boden. Untersucht wurden
       Parameter wie physikalische Gegebenheiten zur Gefahr von Hangrutschen,
       Erosionseigenschaften, der Humusgehalt und auch das verfügbare Wasser im
       Wurzelbereich.
       
       Finden die vielen Bäumen hier also genügend Halt im Boden, der ja zu großen
       Teilen aus Trümmern besteht? Die seien gar nicht das Problem, erläutert
       Voge. „Über der Trümmerschicht wurde 1950 eine Sandschicht aufgelegt, die
       ungefähr 40 Zentimeter stark ist. Darunter kommt bis zu einer Tiefe von
       1,50 Metern die Trümmerschicht. Und diese kann wunderbar durchwurzelt
       werden durch die Bäume“, versichert Voge. Das habe auch das Bodengutachten
       erbracht.
       
       Schon in geringer Tiefe liegen also Überreste aus dem Zweiten Weltkrieg?
       „Ein Spatenstich und Sie stoßen auf Trümmer“, bestätigt Voge. Die
       eigentliche Bodenschicht habe man damals aus gesiebten Trümmerschutt und
       den Materialien hergestellt, die hier noch vom Bunkerbau 1941 lagerten.
       „Dieser Boden hatte also gar keinen Humusgehalt. Das Material besaß aber,
       weil ja sehr zement- und mörtelhaltig, einen sehr guten ph-Wert, ist also
       nicht sauer.“ Dadurch gebe es eine große biologische Aktivität in der
       oberen Bodenschicht. „Das führt dazu, dass der Humus sehr schnell abgebaut
       wird, was eigentlich nicht gewollt ist.“ Und deshalb – hier schließt sich
       der Kreis – sei es umso wichtiger, auf den Bunkerbergen das Totholz liegen
       zu lassen.
       
       Bleibt die Frage nach der Wasserversorgung der Bäume, Stichwort Grundwasser
       – das ist dann doch zu weit weg. „An Grundwasser kommen die Bäume nicht
       heran“, sagt Voge. „Die Bäume hier brauchen immer Wasser von oben. Das ist
       ein Problem.“
       
       Ein paar Minuten später macht unser kleiner Tross wieder Halt. Diesmal vor
       einer, nun ja, fast kahlen Stelle am Hang des Großen Bunkerbergs. Eine
       Schneise, erklärt Voge. Noch vor ein paar Jahren sah es hier ganz anders
       aus: dicht bewachsen und ungepflegt, nichts gepflanzt, die Vegetation
       einfach hochgewachsen. Aus den Baumsamen war sogenanntes Stangenholz
       geworden, das sind diese dünnen Stämmchen, die so dicht stehen, dass sie
       sich gegenseitig das Sonnenlicht und die Kraft rauben.
       
       Es handelt sich, erklärt Voge, um die Nachfahren der „Pioniervegetation der
       Bäume“ – Pappeln und Robinien, Spitz- und Feldahorn. „Sie sollten schnell
       wachsen, den Hang begrünen und sichern“, erzählt Voge. Das taten sie ja
       auch.
       
       Im Laufe der Zeit, in den 1970er und 1980er Jahren, hätte man laut Voge
       diese Bäume nach und nach herausnehmen und durch andere ersetzen sollen.
       Doch „das wurde nicht gemacht. Auch die Pflege des Baumbestands ist
       unterblieben – wir haben hier ganz viel Stangenholz.“ Und diese
       Stangenbäume hätten eine geringere Standfestigkeit, erklärt der Fachmann.
       „Gerade in den Wegebereichen muss man sie rausnehmen.“
       
       An dieser eher lichten Stelle ist das bereits erfolgt, wie auch der Laie
       deutlich erkennen kann. Auf einer rund 20 Meter breiten Schneise den Hang
       runter fehlen alle großen Bäume und eben das Stangenholz, die Sträucher
       sind stark beschnitten. In Abständen von ein paar Metern liegen Stämme aus
       totem Holz wie eine Art riesige Freitreppe am Hang. Rund herum sind Heister
       gepflanzt, so der fachmännische Begriff für einjährig verschulte Triebe
       eines Baums.
       
       Dieser sogenannte Hangverbau ist einer der frühesten Maßnahme zum Umsetzung
       des SPE-Konzepts. Das Grünflächenamt hat 2018 mit den ersten Pflanzungen
       angefangen. „In den Dürrejahren haben wir festgestellt“, sagt Voge, „dass
       die Heister besser anwuchsen, die in der Nähe von Totholz standen. Das
       liegt daran, dass das Totholz sich mit Wasser vollsaugen kann. Dahinter
       läuft das Wasser nicht einfach den Hang hinab.“
       
       Mit dem Hangverbau, einer „typischen Grünflächengestaltungsmaßnahme“,
       sollen auch die alten Sichtachsen wieder freigelegt werden. Ein Eingriff,
       der denkmalschutzrelevant ist, schließlich gab es diese offenen Bereiche
       seit Anlegung der Bunkerberge. Nur waren sie „mit den Jahren durch fehlende
       Pflege völlig zugewachsen“, sagt Voge. Wer noch vor 20 Jahren oben auf dem
       Großen Bunkerberg – auch „Mont Klamott“ genannt (siehe Kasten) – stand,
       konnte von dort oben viel mehr von der Stadt sehen als in den letzten
       Jahren. Das hat sich nun schönerweise wieder ein bisschen gebessert.
       
       Das alles kostet Geld. „Insgesamt sind Maßnahmen für 1,5 Millionen Euro
       geplant“, sagt Voge auf. „Davon sind erst 500.000 Euro ausgegeben. Aber wir
       haben ja noch ein bisschen was vor.“
       
       ## Der Umbau dauert bis 2025
       
       Und es kostet Zeit und Geduld. „Mit den eigentlichen Baumaßnahmen haben wir
       2018 angefangen. Sie sind geplant bis 2025“, erläutert Herrmann das
       Vorgehen. Insgesamt sollen 44.000 Heister und Sträucher gepflanzt werden.
       „Wir machen das abschnittsweise, abgestimmt auf die Jahreszeiten und nicht
       alles auf einmal, so dass zum Beispiel die Tiere Ausweichmöglichkeiten
       finden. Und wir achten darauf, heimische Pflanzen auszusuchen.“ Das sei
       wichtig, damit die Insekten und Vögel ausreichend Nahrung finden. Zudem
       würden Bäume gepflanzt, die möglichst klimatolerant sind. „Wir gestalten
       die Bunkerberge zu einem naturnahen Wald um“, fasst Clara Herrmann die
       Strategie des Bezirks zusammen, der auch „Kommune für biologische Vielfalt“
       ist.
       
       Wir sind nun fast oben und kommen am einem massiven Überbleibsel des
       Flakbunkers vorbei, dick mit Moos bewachsen. „Es konnte eben nicht alles
       gesprengt werden“, sagt Voge. Auf einem Baum hämmert im Hintergrund ein
       Specht, was das Zeug hält.
       
       Den Aufgang zum Plateau des Großen Bunkerbergs, Ziel vieler Jogger und Ort
       so mancher Party, lassen wir links liegen. Er wird in Kürze saniert und
       „wahrscheinlich den ganzen Sommer über abgesperrt sein“, sagt Voge
       entschuldigend. Ohne Absperrungen für den Umbau geht es nicht.
       
       Wer Genaueres darüber nachlesen will, kann das [4][in dem 70 Seiten
       umfassenden Konzept] auf den Webseiten des Bezirksamts tun. Darin finden
       sich neben den Zeitrahmen Details wie die, dass der heimische Holunder
       Bestandsschutz genießt, was den Autor dieses Textes freut, der seit Jahren
       Holunder im Park erntet, um daraus erst Saft und dann wunderbarstes Gelee
       herzustellen.
       
       Doch heißt das im Umkehrschluss, dass nichtheimische Arten weichen müssen?
       „Das ist schon passiert“, sagt Herrmann. „Der Götterbaum zum Beispiel, eine
       invasive Art, die sich sehr stark ausbreitet und andere Pflanzen verdrängt,
       wurde hier und da herausgenommen.“
       
       Und wie ist das eigentlich: Würde das Bezirksamt nicht auch einmal in den
       Bunker hineinschauen, wo sich derzeit so intensiv mit dessen Hülle befasst
       wird? Clare Herrmann sagt sofort: „Oh ja!“, und dass daran Interesse
       besteht. Aus einem unerwarteten Grund. „Wir haben hier im Park ja auch
       Fledermäuse.“
       
       Es handle sich um vier bis fünf Arten, ergänzt Voge. Es gibt welche, die
       direkt im Park in Baumhöhlen leben, Zwerg- und Rauhautfledermaus zum
       Beispiel, oder andere, wie der Kleine und der Große Abendsegler, „die hier
       eher nur jagen, und sonst in den Außenbezirken in Wäldern leben“.
       
       ## Rein in den Bunker?
       
       Doch einen Blick ins Innere der Bunkerreste zu werfen, ist nur mit großem
       Aufwand möglich. Die Überlegung war, berichtet Clara Herrmann, mal
       nachzuschauen, „inwiefern sich der Turm perspektivisch als
       Fledermausquartier eignet“.
       
       Letztes Ziel unserer Tour ist der Kleine Bunkerberg. Kurz vor dem
       „Aufstieg“ – es geht auf 67,5 Meter hinauf – stehen alte Nadelgehölze, oft
       Kiefern, einige tragen vertrocknete Zweige, man sieht ihnen die Dürrejahre
       an.
       
       Aber selbst wenn sie eines Tages gefällt werden müssten: Es werden an
       dieser (und anderen entsprechend kartierten) Stelle rund um den Kleinen
       Bunkerberg immer wieder Nadelgehölze gepflanzt werden, um dem
       Erstbepflanzungskonzept treu zu bleiben – auch das sieht das SPE-Konzept
       vor. Dem sind auch die neuen asphaltierten Wege hier zu verdanken, an denen
       derzeit noch gearbeitet wird. Wir nehmen die Treppe, „das ist der
       schnellste Weg nach oben“, sagt Clara Herrmann.
       
       Dort ist noch nicht viel passiert mit den Bäumen und dem Gehölz. Doch auf
       dem Plateau des Kleinen Bunkerbergs steht ein Zaun, wo früher ein wilder
       Grillplatz war. Hier soll etwas ganz Wunderbares entstehen: eine neue,
       ökologisch aufgewertete, relativ große Fläche, die ganz allein Wildbienen
       und anderen Bestäuberinsekten wie zum Beispiel Schmetterlinge vorbehalten
       ist.
       
       Es gibt Stapel Totholz und offene Sandflächen. „Eine Wildsamenmischung mit
       lauter gebietsheimischen ein- und zweijährigen Blumen und Stauden wird noch
       ausgebracht“, erklärt Voge. „Die Samen stammen aus in Brandenburg
       heimischen Arten, die haben also ihren genetischen Pool aus unserer
       Region.“
       
       ## Ein Platz für Wildbienen
       
       „Hier kann man in Zukunft viel über Wildbienen und Schmetterlinge lernen“,
       sagt Clara Herrmann über diesen begehbaren Lernort: Es soll zum Beispiel
       Informationsveranstaltungen vor Ort geben. „Eine wunderbare Verbindung von
       Stadtnatur und Mensch.“ Es handelt sich bereits um das dritte
       Wildbienenprojekt des Bezirks. „Wir haben noch viele Arten von Wildbienen
       in Berlin. Die Stadt bietet mehr ökologische Nischen als das von Pestiziden
       verseuchte Land“, sagt Herrmann. Aber: „Viele Wildbienenarten bauen ihre
       Nester im Sand, das macht ihnen das Leben auch in der Stadt zunehmend
       schwerer, weil viele Brachflächen verschwinden.“
       
       Wildbienen fliegen auf blühende krautige Pflanzen. Die werden eines Tages
       entlang der Treppen wachsen, dort, wo sich der sogenannte Waldsaum
       befindet. Heimische Bodendecker werden dort wachsen, wo viel Licht
       hinfällt. „Die Wildbienen werden es lieben“, da ist sich Voge sicher. Und
       auch die Menschen dürften drauf fliegen, wenn es dann oben auf dem Kleinen
       Bunkerberg und überall entlang der Treppen nur so blüht.
       
       Wir steigen den Kleinen Bunkerberg hinab, lassen die alte Rodelbahn (wo
       einmal Naturobst wachsen wird) links liegen und wandern zurück zum
       Märchenbrunnen. Nach so einem Spaziergang ist man meist eh guter Dinge.
       Aber in diesem speziellen Falle stellt sich so etwas wie eine wohlwollende
       Gewissheit ein: Endlich wird sich mal um diese geschundene grüne Lunge
       richtig gut gekümmert.
       
       Der Frühling kann kommen.
       
       21 Mar 2021
       
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