# taz.de -- Aktion #allesdichtmachen im Netz: Nicht ganz dicht
       
       > Mit der Aktion #allesdichtmachen polemisieren Schauspieler gegen die
       > Coronapolitik der Bundesregierung. Applaus kommt vom rechten Rand.
       
 (IMG) Bild: Auch Professor Boerne sieht den Alarm „ganz, ganz oben“
       
       Wenn man sich zu einer aufgeregten Debatte mit einem Verweis aufs
       Altgriechische zu Wort meldet, stehen die Chancen nicht schlecht, als nicht
       mehr zeitgemäß oder überheblich wahrgenommen zu werden. Andererseits gibt
       es manchmal gute Gründe, das zu tun. Dazu gleich mehr.
       
       Aktuell haben sich rund 50 prominente Schauspieler gegen die Coronapolitik
       der Bundesrepublik gewandt. In den sozialen Medien gaben bekannte Mimen wie
       Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller,
       Heike Makatsch oder Jan Josef Liefers unter dem Hashtag #allesdichtmachen
       in Videos Statements ab, die man sehr wohlwollend als „Satire“ bezeichnen
       könnte.
       
       „Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden
       Handelsplatz“, sagt [1][Ulrich Tukur in seinem Beitrag an die Adresse der
       Bundesregierung]. „Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken,
       Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte
       und vor allem all die Supermärkte.“ Tukurs Fazit: „Sind wir erst am Leibe
       und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir
       auch dem Virus samt seiner hinterhältigen Mutantenbagage die
       Lebensgrundlage.“
       
       Sein Kollege [2][Jan Josef Liefers höhnt]: „Danke an alle Medien unseres
       Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit
       klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er
       hingehört, nämlich ganz, ganz oben.“ Womit Liefers eine bei
       Rechtspopulisten, die selbst selten „unten“ in der Gesellschaft stehen,
       beliebte Strategie wählt, Ressentiments gegen „die Eliten“ zu schüren und
       zugleich so zu tun, als gehöre man nicht dazu.
       
       ## Kritik auch von prominenten Kollegen
       
       Vergleichsweise unbedarft [3][appelliert der „Babylon Berlin“-Star Volker
       Bruch an die Regierung]: „Macht uns mehr Angst! Die Menschen im Land
       brauchen diese Angst jetzt.“ Derweil gibt Heike Makatsch zu Protokoll,
       während es aus dem Off klingelt: „Ich mach nicht auf.“ Und [4][Nina Gummich
       erteilt den Rat]: „Befreit euch von eurer eigenen Meinung!“
       
       Wenn man die Beiträge als Kritik verstehen will, kann es helfen, an die
       etymologische Herkunft aus dem Griechischen zu erinnern. Krínein heißt
       „unterscheiden“ oder „trennen“. Das Geschäft von Kritikern im Feuilleton
       besteht zu großen Teilen darin, Dinge voneinander zu unterscheiden,
       gedanklich zu sortieren, um einen klareren Blick auf die Sache zu gewinnen.
       Und sie dann zu beurteilen.
       
       In den Videos der Schauspielprominenz hingegen scheint all das zu fehlen.
       Die Beispiele zeugen vielmehr von undifferenzierter Polemik, die mit
       unbelegten pauschalen Unterstellungen arbeitet: Die Regierung will uns
       wahlweise umbringen, Angst machen oder das Recht auf Meinungsfreiheit
       verbieten, und die Medien sind regierungshörig.
       
       Andere Prominente protestierten gegen die Aktion. So mahnte der
       [5][Schauspieler Elyas M’Barek]: „Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.“
       Der [6][Pianist Igor Levit] kritisierte, die Aktion sei „schlechter,
       bornierter Schrumpfsarkasmus, der letztendlich bloß fader Zynismus ist, der
       niemandem hilft. Nur spaltet.“ Schauspieler Christian Ulmen verglich
       Liefers’ Äußerung gar mit den Einlassungen des Verschwörungstheoretikers
       Ken Jebsen.
       
       Als Initiator der Aktion hat sich gegenüber dem Spiegel der Filmproduzent
       Bernd K. Wunder bekannt. Wunder will das Projekt als „Kunstaktion“
       verstanden wissen. Was seinerseits eine zynische Aussage ist. Immerhin hat
       er damit große Teile der hiesigen Schauspielerelite dazu gebracht, in der
       stark polarisierten öffentlichen Debatte über den Regierungskurs in der
       Pandemie die ohnehin heikle Stimmung noch weiter anzuheizen. Wie Wunder das
       gelungen ist, ist eine noch zu klärende Frage.
       
       Wenig überraschend, ist der rechte Rand des Meinungsspektrums von
       #allesdichtmachen hellauf begeistert. Applaus kam etwa von dem ehemaligen
       Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, auf
       Twitter. Der fand’s „großartig“. Heike Makatsch zog ihr Video inzwischen
       zurück. Auch Meret Becker und Ken Duken distanzierten sich nachträglich.
       
       23 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=nLIdcd5AYls
 (DIR) [2] http://xn--Jan%20Josef%20Liefers%20hhnt-dic
 (DIR) [3] https://www.youtube.com/watch?v=sOCi3B9wJ5U
 (DIR) [4] https://www.youtube.com/watch?v=ABXd1wWgERY
 (DIR) [5] /Netflix-Spielfilm-Was-wir-wollten/!5727396
 (DIR) [6] /Start-des-Musikfests-2020-in-Berlin/!5704381
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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