# taz.de -- Debütalbum von 24/7 Diva Heaven: Punk ist mein Gemüse
       
       > Das Berliner Trio 24/7 Diva Heaven ist den Idealen der feministischen
       > Riotgrrrl-Bewegung verpflichtet. Nun veröffentlicht es sein Debütalbum
       > „Stress“.
       
 (IMG) Bild: Eher entspannt als gestresst: 24/7 Diva Heaven
       
       Beim Gedanken an Punk fällt mir als Erstes Pak Choi ein: das asiatische
       Gemüse, das ich mir als Teenager mit Ei und Instantnudeln oft zubereitet
       habe. Nicht durch Punk, sondern mit Pak Choi habe ich mich emanzipiert und
       autark gefühlt. Während sich meine Kumpel trafen, um Musik zu machen, fiel
       es ihnen nicht ein, Mädchen zu involvieren. Das schlechte Gewissen der
       alleinerziehenden berufstätigen Mutter ließ mich früh selbstständig werden
       und bescherte mir erfreulicherweise MTV: Meine Popsozialisation fand im
       Fernsehen statt. Wenn meine Freunde heute davon schwärmen, wie toll es war,
       Bands zu gründen, erinnert mich ihr Privileg an Gemüse.
       
       „Sich an ein Instrument oder Mikrofon zu wagen, stellt ein Hemmnis für
       viele Frauen* dar“, erzählt Kat Ott-Alavi, Sängerin und Gitarristin der
       Band 24/7 Diva Heaven im Interview. Als Berliner Projekt gestartet, bewegt
       sich die Band inzwischen über die Stadtgrenzen hinaus: „Uns ist bewusst,
       dass wir in einer Bubble sind. Da zwei von uns vom Dorf kommen, wissen wir,
       wie wichtig es ist, auch außerhalb davon Anknüpfungspunkte zu haben.“
       
       Mit ihren Kolleginnen Karo Paschedag (Bass) und Mary Westphal (Schlagzeug)
       veröffentlicht Ott-Alavi das Debütalbum „Stress“ beim Label Noisolution.
       Das Cover in Rosa mit Glitzer und Herzen wirkt zunächst abschreckend.
       Ott-Alavi erklärt: „Wir lieben Doppeldeutigkeiten, haben Spaß an
       Verwirrspielen und freuen uns immer auf den Moment, wenn verdutzte Leute
       zum ersten Mal einen Song von uns aufdrehen.“
       
       ## Feministisches Netzwerk
       
       24/7 Diva Heaven sind zusammen mit anderen Bands in einem feministischen
       Netzwerk aktiv: Es heißt GrrrlNoisy – angelehnt an die US-Subkulturbewegung
       der [1][RiotGrrrls] – und beschäftigt sich mit der Frage des männlichen
       Selbstverständnisses auf kultureller Ebene. Die [2][Musikerinnen] haben
       eigene Kriterien aufgestellt, um jenen interessierten, „in der Musikwelt
       unterrepräsentierten Identitäten“ einen geschützten Raum zu geben, um sich
       auszuprobieren und auszutauschen und sichtbar zu werden. Beteiligt an dem
       2019 gegründeten Kollektiv sind neben 24/7 Diva Heaven die Bands
       RiotSpears, Aptera und Isoscope.
       
       Sie machen deutlich, dass es ihnen nicht um praktizierenden Männerhass
       geht, „sondern um eine Maßnahme im Kampf gegen Sexismus mit der Aufgabe,
       bestehende Strukturen aufzubrechen und Platz für eine moderne, offene
       Gesellschaft zu schaffen. Trotz vieler inspirierender Künstlerinnen gibt es
       immer noch zu wenig weibliche* Vorbilder.“ All die Punkmusikerinnen der
       ersten Welle wie Vivien Goldman und The Slits – da musste man selbst schon
       ein Trüffelschwein sein, um die Pionierinnen in den 1990ern als Grünohr zu
       entdecken. Ohne Internet war es schwierig, die [3][emanzipatorischen
       Errungenschaften] von Punk anzuerkennen.
       
       ## Simpel und rotzig
       
       24/7 Diva Heaven schätzen zum Beispiel die US-Frauenband L7. Während ihre
       2018 veröffentlichte EP „Superslide“ vor allem simpel und rotzig klang –
       betont durch die Aufnahme mit einer analogen Bandmaschine –, hört sich
       „Stress“ nun vor allem gut produziert an. Bei genauem Hinhören offenbart
       sich die schneidende Härte: Die Schlagzeugbeats prasseln, die Gitarre
       brettert tosend, der Bass pulsiert lüstern, und Ott-Alavi erweckt mit ihrem
       Schreigesang alte Geister zu neuem Leben. Fernab von Bubblepop klingen 24/7
       Diva Heaven laut, erhaben und draufgängerisch.
       
       Punkklischees gibt es keine, stattdessen finden sich Anklänge an Britney
       Spears, Slayer und Wu Tang Clan. Früher musste man ziemlich lange wach
       bleiben, um solche Kostbarkeiten auf MTV zu entdecken. Selbst Nirvana
       liefen anfangs nur im Spätprogramm. „Fette Gitarren, ein wummernder Bass,
       Grunge und Noise, vor allem eine ordentlichen Prise Popappeal. Alles
       Klangelemente, die wir am Sound von Nirvana lieben.“ Auf dem Album
       „Stress“ von 24/7 Diva Heaven findet sich ziemlich viel „Bleach“ von
       Nirvana. Die Referenz an deren Debütalbum sehen die Berlinerinnen nicht als
       Widerspruch zu ihrem feministischen Netzwerk.
       
       Denn stärker als Nirvana arbeiten 24/7 Diva Heaven mit Kontrasten. In ihren
       Texten, die mal ironisch, mal ernsthaft sind, nehmen sie etwa Bezug auf die
       Black-Lives-Matter-Bewegung („White Swamp“), aber auch persönliche
       Konflikte werden verhandelt: Stress eben, der „uns im Nacken sitzt. Er
       treibt uns an, lässt uns nicht still sitzen. Ein paar Achtsamkeitsübungen –
       weiter geht’s!“ Das Album „Stress“ von 24/7 Diva Heaven ist durchzogen von
       schmerzhaften Erinnerungen an die Pubertät, konterkariert diese aber mit
       positiven Erfahrungen aus der Gegenwart. Ott-Alavi mag Pak Choi übrigens
       auch, am liebsten „mit viel Knoblauch, Ingwer und mit Sojasauce
       abgelöscht“.
       
       16 Apr 2021
       
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