# taz.de -- Soloalbum von Punk-Ikone Gina Birch: Selbstbestimmtes Bassen
       
       > Gina Birch zählt zu den Vorreiterinnen des Punk. Mit „I Play My Bass
       > Loud“ gibt die Künstlerin aus der Golden-Punk-Girl nun ihr spätes Debüt.
       
 (IMG) Bild: Debüt-Album mit 67: Gina Birch
       
       Es war Ende der Siebziger, kurz nach der Hochphase des Punk, als die
       britische Sängerin und Bassistin Gina Birch bekannt wurde. Damals traten in
       London ermutigt durch Punk selbstbestimmte Musikerinnen vermehrt auf den
       Plan:
       
       Die Girl-Band The Slits posierte 1979 halbnackt im Dschungelsetting auf dem
       Cover ihres Debütalbums „Cut“ (das kürzlich als „Rough
       Mix“-Versioning-Album im Stile von Reggae erneut erschienen ist),
       X-Ray-Spex mit [1][Poly Styrene] am Gesang und der Saxofonistin Lora Logic
       reüssierten mit Songs wie „Oh Bondage! Up Yours!“, und Gina Birch nahm eben
       mit ihrer Frauenband The Raincoats ihr Debütalbum auf, das bis heute wie
       aus einem (Regen-)Guss klingt.
       
       Birch wirkte in den frühen Achtzigern an weiteren wegweisenden Projekten
       mit, so arbeitete sie etwa [2][mit dem US-Musiker und Kunsttheoretiker Mayo
       Thompson] in dessen Band The Red Krayola zusammen und gründete mit Dorothy
       und The Hangovers zwei eigene Bands.
       
       Erst kürzlich, im zarten Alter von 67, hat die britische Künstlerin ihr
       Soloalbumdebüt „I Play My Bass Loud“ veröffentlicht. Wie zuletzt einige
       Künstlerinnen aus der Golden-Punkgirl-Generation – [3][Viv Albertine],
       Vivien Goldman – zeigt auch Gina Birch, dass Geist, Sound und Attitude des
       Punk bis heute prägend sind. Gleich in den ersten Versen des Titeltracks
       wird dies deutlich. Da singt Birch zu dubbig-wippenden Klängen: „Sometimes
       I wake up /And I wonder / What is my job? / I play my bass loud / I turn it
       louder“.
       
       ## Prominente Gastmusiker
       
       Ihr Job, den Bass laut und immer noch lauter aufzudrehen, erledigt sie
       formidabel. Musikalisch streben die elf Stücke in unterschiedliche
       Richtungen. In einigen („Pussy Riot“, „Digging Down“) dominieren Dub und
       Reggae, die typischen Offbeat-Gitarren sind zu hören, von Synthesizern und
       hüpfenden Drums begleitet. Birch hat das Album mit dem Londoner Postpunk-
       und Dancefloorveteranen Youth (ehedem bei Killing Joke) produziert. Dessen
       Affinität zur jamaikanischen Musik kommt auf „I Play My Bass Loud“ hörbar
       zum Tragen.
       
       Auch die Beiträge eines zweiten prominenten Gastmusikers, Thurston Moore,
       sind sofort erkennbar. Für den Indie-Pop-Smasher „Wish I was You“ hat der
       US-Künstler ebenso die Gitarre eingespielt wie für das
       experimentell-mäandernde Finale „Let’s Go Crazy“. In anderen Songs, etwa
       „And Then It Happened“ und „Feminist Song“, verbindet Birch
       Spoken-Word-Gesang mit schrägen, noisigen Klangflächen.
       
       Gina Birch zeigt hier erneut, wie zentral Feminismus für die erste
       britische Punkwelle war und wie die Musik zur Selbstermächtigung der
       Künstlerin beigetragen hat. Das kommt in lustigen Texten rüber („I will
       never wear stilettos / Why should I? /Give me brothel creepers / Give me
       Doc Martens / Give me shiny red lace up shoes“). Es ist aber vor allem
       jenen Songs anzuhören, in denen Birch die Feministinnen der Gegenwart
       würdigt:
       
       In [4][„Pussy Riot“] bezieht sie sich nicht nur auf die Kampfeslust und
       -kraft des oppositionellen russischen Frauenkollektivs, sondern spricht das
       Engagement für Frauenrechte in aller Welt an. So zitiert sie
       Pussy-Riot-Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa: „We have to remember that
       freedom is not a given / It’s something we have to fight for everyday /
       It’s our duty to fight for those who are still in chains“.
       
       ## Einsatz für Frauenrechte
       
       In „Feminist Song“ klingt an, wie wichtig der Einsatz für Frauenrechte
       gerade dieser Tage ist, wo diese auch in westlichen Demokratien
       zurückgedreht werden. Noch immer würden Frauen „geschunden gequält
       geschwächt abgewertet vergewaltigt missbraucht“, singt Birch („drudged
       tortured undermined undervalued raped abused“), wie zur Hölle könne sie da
       keine Feministin sein? („So when you ask me / If I’m a feminist / I say why
       the hell would I not be?“).
       
       Die Chuzpe, den Aufruhr und die Wut des Punk hat Birch sich erhalten, diese
       Qualitäten kommen auf ihrem Debüt zusammen mit universaler und
       vielschichtiger Musik. Und natürlich mit Bass satt.
       
       7 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Romandebuet-von-Mayo-Thompson/!5549257
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 (DIR) [4] /Pussy-Riot-fuer-Ukraine/!5901683
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Uthoff
       
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