# taz.de -- Arbeitsbedingungen im Agrarwesen: Ackern ohne Absicherung
       
       > Keine Branche setzt stärker als die Landwirtschaft auf Personal, das
       > keine Sozialversicherung hat. Betroffen sind vor allem ErntehelferInnen.
       
 (IMG) Bild: Krank werden gibt's nicht oder es wird teuer – manche ErntehelferInnen sind unversichert
       
       BERLIN taz | Vor allem in der [1][Landwirtschaft] arbeiten Menschen ohne
       Sozialversicherung. 2019 waren im Schnitt 15 Prozent der
       Beschäftigungsverhältnisse im Agrarsektor sogenannte kurzfristige Jobs
       [2][ohne gesetzliche Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und
       Rentenversicherung]. Das betrifft vor allem FeldarbeiterInnen etwa in der
       Spargelernte, die aus ärmeren Ländern wie Rumänien kommen.
       
       Auf Platz zwei steht die Branche Werbung und Marktforschung, bei welcher
       der Anteil ohne Sozialversicherung 9 Prozent beträgt. An dritter Stelle
       steht der Bereich „Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften“ mit 3
       Prozent. Das zeigt eine statistische Auswertung, die die Bundesagentur für
       Arbeit auf taz-Anfrage erstellt hat. Auch nach den noch nicht vollständigen
       Daten für 2020 liegt die Landwirtschaft vorn.
       
       Das gilt ebenfalls für den Vergleich in absoluten Zahlen: Im Mai 2020
       bestanden in der Landwirtschaft laut Statistik 83.000 [3][kurzfristige
       Beschäftigungsverhältnisse] – so viele wie in keiner anderen Branche. 2019
       waren es im Schnitt über alle Monate 42.000. Die Arbeitsvermittlungsbranche
       kam auf 30.000, die Werbung und Marktforschung auf 22.000.
       
       Manche Bauern hatten beanstandet, dass vor allem ihre Branche wegen der
       sozialversicherungsfreien Jobs kritisiert werde. Die deutsche
       Landwirtschaft bekommt jedes Jahr etwa 6 Milliarden Euro Agrarsubventionen
       von der EU. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fordert,
       das Geld künftig nur noch an Höfe zu zahlen, die Tarifverträge einhalten.
       
       ## Prekarität im Namen des Corona-Schutzes
       
       Bei der sogenannten kurzfristigen Beschäftigung in der Landwirtschaft
       müssen ArbeiterInnen laut IG BAU beispielsweise im Fall einer
       Corona-Erkrankung die Behandlungskosten mitunter selbst zahlen. Sie
       erwerben auch keine Rentenansprüche. Dabei bekommen sie meist nur den
       gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro die Stunde – oft minus Abzüge für
       Unterkunft und Verpflegung. Zudem gehen der deutschen Sozialversicherung
       Beiträge verloren.
       
       Dennoch hat der Bundestag am 22. April mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
       AfD beschlossen, dass Saisonkräfte in diesem Jahr [4][102 statt wie
       normalerweise 70 Tage] ohne Sozialversicherung arbeiten dürfen. Bereits im
       vergangenen Jahr hatte das Parlament sogar einer vorübergehenden
       Verlängerung auf 115 Tage zugestimmt.
       
       Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) zufolge soll die Entscheidung dazu
       führen, dass das Personal in den Betrieben weniger wechselt, sodass das
       [5][Risiko von Corona-Infektionen] sinke. Eine Onlinepetition auf dem
       Portal [6][change.org] fordert hingegen, im Kampf gegen Corona erst einmal
       eine Einzelzimmer- und Krankenversicherungspflicht für ErntehelferInnen
       durchzusetzen.
       
       2 May 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Landwirtschaft/!t5007831
 (DIR) [2] https://www.minijob-zentrale.de/DE/01_minijobs/02_gewerblich/01_grundlagen/02_kurzfristige_gewerbliche_minijobs/node.html
 (DIR) [3] https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_4/__8.html
 (DIR) [4] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw16-de-seefischereigesetz-835980
 (DIR) [5] /Beschaeftigung-von-Saisonkraeften/!5758699
 (DIR) [6] https://www.change.org/p/bundestag-einzelzimmer-und-sozialversicherungspflicht-f%C3%BCr-saisonarbeiter?redirect=false
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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