# taz.de -- Thriller „Blood Red Sky“ bei Netflix: Vampirin gegen Terroristen
       
       > Im Vampirfilm „Blood Red Sky“ lässt Regisseur Peter Thorwarth auf Netflix
       > eine Blutsaugerin im Flugzeug zubeißen – mit moralischem Kompass.
       
 (IMG) Bild: Hier noch ziemlich normal: Nadja (Peri Baumeister) und Elias (Carl Anton Koch)
       
       Nadja fühlt sich unwohl in ihrer Haut. Das ist unschwer zu erkennen, wenn
       sie zum ersten Mal im Bild erscheint. Sie hat krampfartige Zuckungen,
       braucht Medikamente. Und sie hat, wie bei einer Chemotherapie, eine Glatze,
       die sie unter einer Perücke verbirgt. Nadja hat allerdings keinen Krebs,
       sondern kämpft gegen eine andere Veränderung ihres Körpers, die zugleich
       ihren Charakter zu beeinflussen droht. Sie ist werdende Vampirin.
       
       Dagegen nimmt sie Medikamente, um den Prozess aufzuhalten. Sie hat einen
       Flug in die USA gebucht, um in einer Spezialklinik behandelt zu werden.
       Beim Telefonat mit dem Arzt zeigt sich dieser optimistisch. Ob er weiß, was
       genau das Problem seiner Patientin ist?
       
       Doch zunächst muss Nadja mit ihrem Sohn Elias die Reise antreten. Am
       Flughafen setzt sie sich auf der Toilette noch schnell eine Spritze, um
       dann, nervös, die Augen hinter einer großen Sonnenbrille verborgen, an Bord
       zu gehen. Die [1][deutsche Schauspielerin Peri Baumeister] spielt Nadja mit
       verstörter Entschlossenheit.
       
       „Blood Red Sky“, vom deutschen Regisseur Peter Thorwarth gedreht, beginnt
       aber erst einmal mit dem Ende, genauer, knapp davor. Auf einer schottischen
       Militärbasis ist die Belegschaft in Alarmbereitschaft versetzt, man
       erwartet eine Linienmaschine, die von Terroristen gekapert wurde.
       
       ## Statt zu sterben wird die Mutter zur Vampirin
       
       Nach der Notlandung nimmt der Tower Funkkontakt zum Notpiloten auf, dieser
       beteuert, kein Terrorist zu sein. Auf die Aufforderung, das Flugzeug zu
       verlassen, gibt er zur Antwort, das sei nicht so einfach. Der Kommandant
       befiehlt ihm, die Hände zu heben. Als er dies tut, ist durch das
       Cockpitfenster zu erkennen, dass der Mann lediglich eine Hand hat, die er
       heben kann. Aus der Ladeluke springt währenddessen ein anderer Passagier in
       die Obhut des Militärs. Es ist ein Junge. Elias.
       
       Der Großteil des Films ist als Rückblende aus der Sicht von Elias erzählt.
       Wie er mit seiner Mutter Nadja an Bord geht. Wie die Maschine unversehens
       von Terroristen entführt wird. Wie er sich mit Nadja verstecken will, diese
       dabei angeschossen wird und leblos am Boden liegt. Nur dass sie nicht
       stirbt, sondern, nach einigem Zögern, beschließt, ihren Kampf gegen die
       unnatürliche Kraft in sich aufzugeben, um sich in Gestalt einer ziemlich
       angriffslustigen Vampirin gegen die Terroristen zur Wehr zu setzen.
       
       „Blood Red Sky“ ist in erster Linie ein Actionfilm, der nicht vor
       Horroreffekten zurückschreckt. Viele Szenen zeigen die sehr körperlichen
       Kämpfe zwischen Nadja und den brutal vorgehenden Terroristen. Einer
       insbesondere fällt durch sadistisches Verhalten auf. Er war als Steward an
       Bord gegangen. Den blonden Fiesling gibt, überzeugend psychotisch und mit
       Lust an der Überzeichnung, [2][Alexander Scheer].
       
       Die Action an sich ist dabei nicht das, was den Film in erster Linie am
       Leben hält. Vielmehr sind es die vielen, oft unerwarteten Wendungen, die
       der Film nimmt. Er spielt die meiste Zeit im Innenraum des Flugzeugs, die
       Kamera dicht an den Protagonisten. Wechselt von den Passagierreihen ins
       Cockpit und, auch das reizvoll als Motiv, über die dem Personal
       vorbehaltenen Korridore in den Frachtraum.
       
       Dort wird viel und unerbittlich gekämpft. Nicht zuletzt variiert der Film
       die Wir-gegen-sie-Konstellation mehrfach, bringt neue Gefahren aus den
       unterschiedlichsten Richtungen und Motiven ins Spiel.
       
       ## Moralischer Kompass nach Verwandlung noch vorhanden
       
       Am interessantesten ist gleichwohl die Figur Nadja, die ihren inneren Kampf
       gegen ihr „böses Blut“ austrägt und ihren Sohn sogar in äußerlich eher zum
       Unvorteilhaften veränderter Gestalt davon überzeugen muss, dass sie weiter
       seine Mutter ist. Ihren moralischen Kompass hat sie ebenso noch. Denn Nadja
       will auch als Vampirin in erster Linie die Entführer von ihrem Vorhaben
       abbringen.
       
       Wie gefährdet ihre moralischen Koordinaten sind, erzählt der Film in
       weiteren Rückblenden innerhalb der Rückblende, wenn sich Nadja erinnert,
       wie sie zur Vampirin wurde. Ein Vampir, dem sie damals begegnete, ermahnt
       sie: „Du kannst das Böse in dir nicht besiegen.“ Das glaubt man gern, wenn
       man Nadja im Einsatz als Vampirin zuschaut. Ihr bissiges Fauchen ist
       allemal ungemütlich.
       
       Andererseits gehört haarsträubende Komik ebenso dazu, etwa wenn Elias, der
       sich im Verlauf des Flugs mit der veränderten Gestalt seiner Mutter
       abgefunden hat, mit ihr scheinbar alltägliche Gespräche führt, in denen
       Nadja notgedrungen mit verzerrter Stimme antwortet. Peter Thorwarth hat
       nicht umsonst Erfahrung auf dem Gebiet der Gangsterkomödie („Bang Boom
       Bang“, „Nicht mein Tag“) vorzuweisen.
       
       Ob man „Blood Red Sky“ daher als missratenen Versuch ansieht, den
       Katastrophenfilm „Snakes on a Plane“ mit Vampirkonventionen zu kreuzen,
       oder darin eine humorvoll überdrehte Aneignung von bewährten Kinoroutinen
       erkennt, liegt vielleicht ein wenig an der eigenen Tagesform. Selbst das
       hochsymbolische Ende passt irgendwie.
       
       22 Jul 2021
       
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