# taz.de -- Wahlkampf in Berlin: Giffey unterm Rad
       
       > Die SPD-Spitzenkandidatin offenbart weitgehende Unkenntnis in Sachen
       > Verkehrswende. Ihre Begründung: Berlin sei halt nicht Bullerbü.
       
 (IMG) Bild: Wenn schon nur zwei Räder, dann aber mit ordentlich PS: Giffey bei einem Promotermin bei BMW
       
       Es gehört traditionell zu den feinen Pointen des Wahlkampfs in Berlin, dass
       die Kandidat*innen die Stadt ranken, wie das neudeutsch so schön heißt,
       sprich einordnen. Unvergessen ist dabei Frank Steffel, vor 20 Jahren
       Spitzenkandidat der CDU, der München mal flugs zur „schönsten Stadt
       Deutschlands“ ernannte. Das kam nicht gut an in der von Bankenskandal und
       hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Spreemetropole, und bekanntlich verloren
       Steffel und seine CDU die Wahl haushoch.
       
       Franziska Giffey, aktuell [1][Spitzenkandidatin der selbsternannten
       Autofahrer*innenpartei SPD], hat jetzt kundgetan, dass Berlin „nicht
       Bullerbü“ sei. Manchen mag das genauso wahr und offensichtlich erscheinen
       wie Steffels Bonmot. Denn natürlich ist das Astrid Lindgrensche Idealkaff
       mit seinen drei farbigen Holzhäuschen etwas ganz anderes als Berlin.
       
       Dennoch dürfte Giffey dieser Vergleich in den nächsten Monaten regelmäßig
       vorgehalten werden – und nicht zu ihren Gunsten. Denn er fiel in der
       Antwort auf eine Frage eines Reporters der ZDF-Satiresendung „Heute Show“
       vergangenen Freitag. Das Thema: die Sicherheit von Radfahrer*innen und
       [2][der Ausbau der entsprechenden Infrastruktur].
       
       Das wird in Berlin seit Jahren äußerst heikel diskutiert, nicht nur im
       Wahlkampf, was der einstigen Bundesfamilienministerin nicht entgangen sein
       dürfte. Zumal der Umbau der Stadt zu einer rad- und
       fußgänger*innenfreundlicheren Stadt [3][eine zentrale Aufgabe von
       Rot-Rot-Grün] war; eine Koalition, an der auch die Sozialdemokraten,
       zumindest offiziell, beteiligt sind.
       
       Giffey kichert das Thema lieber weg: Ob sie überrascht sei, dass er
       lebendig zum Termin mit ihr gekommen sei, obwohl er mit dem Fahrrad fuhr,
       fragt der Reporter weiter. „Sie sind jung und frisch, da schafft man es
       schon, durch Berlin zu fahren“, antwortet Giffey. Alte Menschen, so die
       Lehre daraus für die Zuschauer, sollten wohl lieber gleich den Rollstuhl
       nehmen. Der kann wenigstens nicht umkippen.
       
       Und als die SPD-Frau gefragt wird, ob die wesentlich bessere Infrastruktur
       für Radfahrer*innen in den Niederlanden nicht für Berlin kopiert werden
       könne, lehnt sie das mit der Begründung ab, Lösungen aus „einer Kleinstadt“
       könnten nicht eins zu eins übertragen werden. Gut, dass Giffey nicht mehr
       Bundesministerin ist: Solche Vergleiche kommen beim Nachbarn in Holland so
       gut an wie Werbung für München in Berlin.
       
       Immerhin, das muss zur Ehrenrettung gesagt werden, ist sich die
       Spitzenkandidatin bewusst, dass bei Radwegen in Berlin „noch Luft nach oben
       ist“. Aber es ist schon erstaunlich, dass Giffey, deren Wahlslogan „Ganz
       sicher Berlin“ ist, die Unversehrtheit von Menschen allen Alters im
       Straßenverkehr offenbar weitgehend egal ist, solange sie nicht Auto fahren.
       Oder dass eine Spitzenkandidatin die Veränderung der Stadt, die sie künftig
       regieren will, offenbar wenig interessiert.
       
       In Bullerbü wäre das egal. Da gehts nur ums Bewahren der Idylle.
       
       28 Jun 2021
       
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