# taz.de -- Rechenzentrum in Potsdam: Für den Erhalt der DDR-Architektur
       
       > Weniger DDR, mehr Preußen: Gegen diese Umwandlung Potsdams richtet sich
       > die aktuelle Debatte um den Abriss des Rechenzentrums.
       
 (IMG) Bild: „Der Mensch bezwingt den Kosmos“: Mosaik von Fritz Eisel am Rechenzentrum Potsdam
       
       Schwere Vorwürfe erheben die Architects for Future gegen die Stadt Potsdam.
       Bei einem Pressegespräch am Dienstag stellte die Ortsgruppe Gutachten vor,
       wonach der Abriss des Rechenzentrums gar nicht notwendig sei.
       
       Es entstehe der Eindruck, dass die baurechtliche Situation rund um das
       [1][Rechenzentrum], das die Moderne der DDR repräsentiert, „bewusst und
       gezielt“ fehlerhaft dargestellt worden sei, um den politischen
       Entscheidungsprozess zu beeinflussen und den Abriss durchzusetzen, heißt
       es.
       
       Das städtische Planungsbüro befand 2020 klar: „Ein dauerhaftes
       Nebeneinander [2][von Garnisonkirche] und Rechenzentrum ist
       bauordnungsrechtlich unzulässig.“ Die vorgebrachten Gründe seien fachlich
       nicht korrekt dargestellt, sagt Frauke Röth, Architektin und Sprecherin des
       Rechenzentrums. Da auf ihre Hinweise nicht reagiert worden sei, hat Röth
       zusammen mit dem Architekten [3][Philipp Oswalt] Beschwerde eingelegt.
       
       Als wichtiges Argument für den Abriss galt der unzulängliche Brandschutz.
       Nur 1,70 Meter trennen das Rechenzentrum, Bauzeugnis der DDR-Moderne, von
       dem erst halb fertigen Turm der Garnisonkirche. Baurechtlich in
       Ausnahmefällen in Ordnung, sagt Prüfingenieur Helmuth Bachmann, sofern
       dazwischen eine Brandschutzwand stehe. Diese sei bereits realisiert.
       Überhaupt: Wäre der Brandschutz nicht gesichert gewesen, hätte man mit dem
       Bau nicht beginnen können.
       
       ## Nutzung als Kunsthaus
       
       Weiterer Streitpunkt ist die Kostenfrage. Zuletzt stand ein Teilabriss des
       Gebäudes zur Debatte. Doch dieser sei teurer als ein Erhalt und könnte so
       die Hintertür öffnen zum Komplettabriss, vermutet Oswalt. Denn bei einem
       Teilabriss entfiele der Bestandsschutz, sodass für das Rechenzentrum die
       Anforderungen an einen Neubau gelten würden. Außerdem: Sind Abriss und
       Neubau im 21. Jahrhundert noch eine angemessene Haltung, fragt die
       Ortsgruppe von Architects for Future. Zudem bleibt unklar, wo
       Mieter:innen des Rechenzentrums, das seit sechs Jahren als Kunsthaus
       genutzt wird, ähnlich günstig unterkommen.
       
       Es sind große Streitfragen, die sich an dem Bauvorhaben in der Altstadt
       entzünden. Der Vorwurf der Tilgung jüngerer Geschichte zugunsten einer
       Preußenrenaissance steht ebenso im Raum wie bei dem über 600 Millionen
       teuren Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Vielleicht wiegt er in Potsdam
       noch schwerer, war die Garnisonkirche doch Symbol der militärischen Macht
       Preußens und 1933 Ort des Handschlags zwischen Hitler und Hindenburg.
       
       Besonders umstritten ist das rekonstruierte Glockenspiel der
       Garnisonkirche, die seit 1991 wieder nahe ihrem historischen Standort
       steht. Der Grund: Die Inschriften der Glocken verbreiten rechtes
       Gedankengut. Eine der Glocken ziert etwa das lateinische „Jedem das Seine“,
       das auch über dem Tor zum KZ Buchenwald prangte.
       
       ## Einseitiger Denkmalschutz
       
       Doch weil das Glockenspiel „eigenständiges Denkmal der jüngeren
       Zeitgeschichte“ sei, steht es unter Denkmalschutz. „Das gilt doch umso mehr
       für das Rechenzentrum“, meint Oswalt. Die Potsdamer Linkspartei hat deshalb
       vor Kurzem einen entsprechenden Antrag gestellt, bislang stehen jedoch nur
       die Kosmos-Mosaike von Fritz Eisel unter Denkmalschutz.
       
       Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert weist den Vorwurf der „einseitig
       gezielten Beeinflussung der politischen Entscheidungsprozesse“ übrigens
       zurück, kommentieren will er die Kritik jedoch nicht. Man wolle sich die
       Argumente anschauen, erklärte der SPD-Politiker.
       
       19 Aug 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Hubernagel
       
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