# taz.de -- Israelhass des iranischen Mullah-Regimes: Von Rohani zu Raisi
       
       > Der Iran wird von korrupten Islamisten-Gangs regiert. Das Kabinett Raisi
       > gleicht nun einer Ansammlung von Schwerverbrechern. Wie reagiert die EU?
       
 (IMG) Bild: Anhängerinnen des Mullah-Regimes mit Foto von Chef-Mullah Chamenei und Ebrahim Raisi, Teheran 2021
       
       [1][Ebrahim Rais]i, der seit Anfang August als Präsident des Regimes in
       Teheran fungiert, steht einerseits für ideologische Kontinuität, was die
       inhaltlichen Zielsetzungen der „Islamischen Republik“ angeht, und
       andererseits für eine Radikalisierung der Herrschaftsausübung im Iran.
       
       Seine „Wahl“ glich eher einer Bestellung durch den obersten geistlichen
       Führer Ali Chamenei, der im Vorfeld des Urnengangs dafür gesorgt hatte,
       dass alle aussichtsreichen Gegenkandidaten nicht zugelassen wurden –
       einschließlich von altgedienten Funktionären des Regimes wie beispielsweise
       der langjährige Parlamentspräsident Ali Laridschani.
       
       Die iranische Bevölkerung quittierte das mit der niedrigsten
       Wahlbeteiligung seit der Islamischen Revolution von 1979. Selbst offizielle
       Stellen des Regimes räumten ein, dass die Beteiligung erstmals unter 50
       Prozent gesunken ist. Oppositionelle Beobachter schätzen sie auf nur 10 bis
       20 Prozent, womit der Wahlzirkus endgültig als jene Legitimierungsfarce
       erkennbar wurde, die sie aufgrund der Herrschaftsstruktur des iranischen
       Regimes mit der zentralen Rolle des obersten Führers und des Wächterrats
       ohnehin schon immer war.
       
       Raisi, der durch die offene Unterstützung von Chamenei nun einer der
       aussichtsreichsten Kandidaten für dessen Nachfolge ist, hat sich den Titel
       „Schlächter von Teheran“ aufgrund seiner seit Jahrzehnten etablierten
       Stellung im iranischen Repressionsapparat und seiner Verantwortung für die
       Ermordung Tausender Oppositioneller redlich verdient. [2][Seine „Wahl“ im
       Juni] signalisierte der Bevölkerung, dass die Ajatollahs in Zukunft noch
       stärker auf unmittelbare Gewalt zur Herrschaftssicherung setzen werden,
       während die Versuche zur Erlangung einer partiellen, zumindest von Teilen
       der Bevölkerung akzeptierten Legitimität in den Hintergrund treten.
       
       ## Verfeindete Gangs
       
       Das iranische Regime ist seit Anbeginn von einem permanenten
       Konkurrenzkampf verfeindeter Gangs charakterisiert, die aber nicht einfach
       wie Verbrechersyndikate um das größere Stück vom Kuchen konkurrieren,
       sondern stets auch darum, wer das Programm des eliminatorischen
       Antizionismus am effektivsten voranbringen kann. In der ursprünglichen und
       lange Jahre gültigen Konzeption der „Islamischen Republik“ thront über
       ihnen allen der oberste geistliche Führer, der als vermittelnde und
       integrierende Instanz agiert.
       
       Der „Fürst der Gläubigen“, wie einer der zahlreichen Titel des Führers
       lautet, verkörpert das Bewusstsein, dass, wie Revolutionsführer Ajatollah
       Ruhollah Chomeini es einmal formulierte, das Regime zwei Flügel benötigt,
       um seine Ziele zu erreichen, und abzustürzen droht, wenn es einen von ihnen
       einfach abhackt.
       
       Diese Konzeption war bereits seit der allzu offensichtlichen Wahlfälschung
       2009 sowie durch die eindeutige und frühzeitige Parteinahme von Chamenei
       für den damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Frage gestellt. Seit
       der Wahl von Hassan Rohani 2013 wurde sie partiell restauriert, wodurch das
       Regime wieder etwas von jener Stabilität zurückzugewinnen hoffte, die es
       durch die überraschend starken Proteste 2009 und durch die Aufkündigung des
       Herrschaftskompromisses verloren hatte.
       
       Ein Ausdruck dieser Restaurierungsbemühungen war die Zusammensetzung der
       Regierungskabinette von Rohani, der bei seiner Ministerauswahl mit Ausnahme
       der Gruppe um Ahmadinedschad und jener „Reformislamisten“, die ihm
       überhaupt erst zum Sieg verholfen hatten, die Bedürfnisse fast aller
       Fraktionen berücksichtigte und eine Art großer Koalition zustande brachte,
       um das Fundament des Regimes wieder zu verbreitern.
       
       ## Wie zu Zeiten Ahmadinedschads
       
       In diesem Sinne bedeutet die Zusammensetzung des Kabinetts von Ebrahim
       Raisi eine erneute Aufkündigung des breit angelegten
       Herrschaftskompromisses. Im Sicherheitsbereich können die Revolutionsgarden
       wie zu Zeiten Ahmadinedschads ihren ohnehin schon massiven Einfluss noch
       weiter ausbauen.
       
       Rohani hatte im Gegensatz zu Ahmadinedschad und Raisi versucht, sie
       zugunsten des traditionellen Geheimdienstes MOIS ein wenig in die Schranken
       zu weisen – was nichts mit einer im Westen geradezu herbeibeschworenen
       „Mäßigung“ zu tun hatte, sondern lediglich die Verschiebung von einem
       Machtzentrum zum anderen innerhalb des Regimes bedeutete.
       
       Auch hinsichtlich der zentralen Elemente des Antisemitismus des iranischen
       Regimes steht die Raisi-Regierung einerseits für ideologische Kontinuität
       und andererseits für eine Radikalisierung, die in personeller Hinsicht
       teilweise an die Amtszeit von Ahmadinedschad anknüpft. Raisis
       Innenminister, Ahmad Vahidi, der unter Ahmadinedschad bis 2013
       Verteidigungsminister war, verkörpert wie kaum ein anderer iranischer
       Spitzenpolitiker den antisemitischen Charakter des Regimes.
       
       Vahidi wird bis zum heutigen Tag von Interpol mit internationalem
       Haftbefehl gesucht, da er von Argentinien als einer der Hauptschuldigen für
       den Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA 1994 in Buenos Aires
       angesehen wird, bei dem 85 Menschen ermordet wurden.
       
       ## „Zionistische Schweine“
       
       Das Gleiche gilt für Mohsen Rezai, ein hoher General der Revolutionsgarden
       und mehrfach gescheiterter Präsidentschaftskandidat, der von Raisi nun zu
       einem seiner Vizepräsidenten ernannt wurde. Zahlreiche weitere
       Kabinettsmitglieder finden sich wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen
       auf Sanktionslisten der USA, der EU oder Kanadas.
       
       Raisis Außenminister, Hossein Amir-Abdollahian, der unter Rohani als
       stellvertretender Außenminister für die arabischen Länder und Afrika
       zuständig war, tituliert Israelis als „zionistische Schweine“. Von ihm und
       Raisi ist eine Intensivierung der ohnehin schon [3][massiven Unterstützung
       für die zahlreichen proiranischen Milizen in den Nachbarländern des Iran]
       und an den Grenzen Israels zu erwarten.
       
       2018 war Amir-Abollahian als Generalsekretär der „Internationalen Konferenz
       zur Unterstützung der palästinensischen Intifada“ einer der Organisatoren
       des „Ersten Internationalen Sanduhr-Festivals“, das auf seiner Website
       israelhourglass.com das „fake regime“ namens Israel attackierte. Das Symbol
       des Festivals war ein Davidstern, der sich beim Durchlaufen einer Sanduhr
       auflöst.
       
       Mehrere Monate wurden Einreichungen entgegengenommen, die das erhoffte Ende
       Israels in spätestens 25 Jahren illustrieren und den bösartigen,
       „bestialischen“ und „unmenschlichen“ Charakter des Zionismus sowie seiner
       Unterstützer dokumentieren sollten.
       
       ## Minister Amir-Abdollahian
       
       Das Motto des Festivals bezog sich auf Reden Chameneis, der 2015 und 2016
       angekündigt hatte, das „zionistische Regime“ werde bis zum Jahr 2040
       endgültig ausgelöscht sein, woraufhin die herrschenden Ajatollahs in
       Teheran 2017 eine Installation aufstellen ließen, welche die Tage bis zum
       Endsieg über den jüdischen Staat zählt. Als neu ernannter Außenminister
       erklärte Amir-Abdollahian im September laut der iranischen
       Nachrichtenagentur Fars News, das iranische Regime strebe weiterhin „die
       totale Eliminierung […] des Zionismus“ an, den er als Form „rassistischer
       Diskriminierung“ attackierte.
       
       Bereits im Februar dieses Jahres hat die Anti Defamation League (ADL) eine
       umfassende Studie vorgelegt, die akribisch aufzeigt, wie iranische
       Schulbücher weiterhin sowohl von klassisch antisemitischen Motiven (etwa
       der schon von Chomeini aufgestellten Behauptung, Juden hätten sich von
       Beginn an gegen den Islam verschworen und islamische Schriften verfälscht)
       als [4][auch von einem eliminatorischen Antizionismus geprägt sind].
       
       Im Juni 2021 hat der Direktor der ADL, Jonathan Greenblatt, darauf
       verwiesen, dass Ebrahim Raisi bereits vor seiner Wahl zum Präsidenten in
       die Verbreitung antisemitischer Propaganda involviert war: 2016 wurde Raisi
       von Ali Chamenei zum Direktor der Astan-Quds-Razavi-Stiftung ernannt. Die
       religiösen Stiftungen sind in der „Islamischen Republik“ von enormer
       Bedeutung und verfügen aufgrund ihrer Milliarden-Budgets über immensen
       Einfluss.
       
       Die Razavi-Stiftung betreibt mehrere Zeitungen, Druckereien und Verlage und
       unterhält Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie zahlreiche
       Wirtschaftsunternehmen.
       
       ## „Des Teufels Plan“
       
       Raisi beaufsichtigte in seiner Zeit als Direktor von 2016 bis 2019 laut ADL
       die Produktion eines 50-teiligen Dokumentarfilms unter dem Titel „Des
       Teufels Plan“, der eine Art aktualisierte Illustration des antisemitischen
       Klassikers „Die Protokolle der Weisen von Zion“ darstellt, die von der
       Razavi-Stiftung früher in Druckfassungen verbreitet wurden.
       
       Präsentiert wurde der unter der Aufsicht Raisis entstandene
       Propagandastreifen 2018 von der Razavi-Stiftung unmittelbar vor dem
       Al-Quds-Tag, an dem seit 1979 auf Geheiß von Chomeini weltweit am Ende des
       Fastenmonats Ramadan für die Vernichtung Israels demonstriert wird und an
       dem in den letzten acht Jahren auch regelmäßig der im Westen systematisch
       verharmloste Rohani teilgenommen hatte.
       
       Dass sich an der fatalen, das antisemitische Terrorregime in Teheran
       hofierenden europäischen Iranpolitik der letzten Jahre auch durch die Wahl
       Raisis nichts Substanzielles geändert hat, wurde bereits bei dessen
       Angelobung deutlich: In der ersten Reihe saßen dort Vertreter der
       palästinensischen Terrortruppen Hamas, Islamischer Dschihad und PFLP sowie
       von der libanesischen Hisbollah – und eine Reihe dahinter Enrique Mora, der
       zweithöchste Außenpolitiker jener EU, in der Hamas, Islamischer Dschihad
       und PFLP als Terrororganisationen verboten sind.
       
       Allein damit wurde der Führung in Teheran signalisiert, dass sie von der
       europäischen Politik auch weiterhin keine ernsthaften Konsequenzen für
       ihren Antisemitismus und die Unterstützung des antiisraelischen Terrors zu
       erwarten hat.
       
       28 Nov 2021
       
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