# taz.de -- Neues Album von Maria Muldaur: Singen und Schmettern
       
       > Folksängerin Maria Muldaur spannt mit der Brassband Tuba Skinny ein Album
       > zusammen. Dabei heraus kommt zeitgemäßer und vitalisierender Jazz.
       
 (IMG) Bild: Maria Muldaur bei einem Konzert im Jahr 2019
       
       Ein Jazz-Frühschoppen mit Musikveteranen, die durch Blech- und
       Holzblasinstrumente ein- und ausatmen oder an Banjo und Waschbrett
       hantieren, galt früher als Inbegriff von sonntäglicher Biederkeit. Es
       mussten dann schon [1][Dr. John], Dirty Dozen und andere Brassbands oder
       auch der kalifornische [2][Gitarrist Phil Alvin] um die Ecke kommen, um mir
       die Arroganz vor Dixieland und Oldtimejazz allmählich auszutreiben.
       
       Und heute? Zu einem Konzert der umtriebigen [3][Blaskapelle] Tuba Skinny
       aus New Orleans würde ich zu jeder Tages- und Nachtzeit pilgern. Mit ihrem
       neuen Album „Let’s Get Happy Together“ ist der Band ein Coup gelungen, sie
       haben sich mit US-Folksängerin Maria Muldaur zusammengetan – halt,
       andersherum: Das Album läuft unter dem Namen der Sängerin!
       
       Muldaur konnte nach eigenem Bekunden zunächst nicht glauben, dass hinter
       Tuba Skinny ein Haufen junger Leute steckt, so glaubwürdig und unakademisch
       interpretieren sie ihr Repertoire. Selbst im musikalischen Hochofen New
       Orleans hat das inzwischen Seltenheitswert. Ihre Interpretationen von
       Blues- und Ragtime-Standards, teils 100 Jahre alt und älter, kommen frisch
       wie am ersten Tag daher, klingen oft schmissig, aber auch mal tieftraurig
       und spätestens dann: zum Sterben schön.
       
       ## Musik für beschädigte Seelen
       
       Auf den Fotos im Booklet posieren Sängerin und Band einmal ohne und einmal
       mit Mund-Nase-Bedeckungen. Corona geht an niemand spurlos vorbei! Im
       Begleittext verschreibt Muldaur diese zeitlose Musik so explizit wie
       treffend als Medizin für beschädigte Seelen.
       
       Angestachelt vom lässigen Können der gestandenen Straßenmusiker:innen
       kniete sich Maria Muldaur in die Recherche nach passendem Material aus
       Lieblingsliedern und Neuentdeckungen. Im Billie-Holiday-Paradestück „He
       ain’t got Rhythm“ holt sie mit instinktsicherer Phrasierung aber auch jede
       Nuance aus Irving Berlins bitterbösem Text heraus. Und singt mit ihren 78
       Jahren überhaupt noch immer beeindruckend majestätisch.
       
       Bei Tuba Skinny will niemand die anderen überbieten, und [4][brillieren
       dürfen sie ja alle mal] – die Kornettistin Shaye Cohn, Enkelin von
       Saxofonist Al Cohn, etwa in „Swing You Sinners“ (dazumal im Repertoire
       einer gewissen Valaida Snow, von Louis Armstrong seinerzeit als „zweitbeste
       Trompeterin der Welt“ gepriesen).
       
       ## Grundentspannte Harmonien
       
       Das Oktett schwelgt in den Klangfarben von vier Bläsern, lässt Banjo,
       Waschbrett sowie zwei Rhythmusgitarren um die Wette schrubben und
       harmoniert grundentspannt mit Muldaurs Koloraturen. Zum Finale „Road of
       Stone“, in den 1920ern von Pea Spivey gesungen, schließt sich auch ein
       Kreis zu deren Schwester, der Blues-Queen Victoria Spivey.
       
       Die hatte die junge italienischstämmige Maria Grazia Rosa Domenica D’Amato
       in New Yorks Greenwich Village einst entdeckt und als Mentorin unter ihre
       Fittiche genommen. Maria, die dann in [5][Jim Kweskins Jug Band] das
       Folkrevival der 1960er mitinitiierte, sich deren Gitarristen und Sänger
       Geoff Muldaur als Ehemann angelte und eine Weile auch solo die Charts
       eroberte, ist im Lauf der Jahrzehnte zu einer versierten und immer
       kompletteren Künstlerin gereift.
       
       Schon auf ihren letzten drei Alben hat sie Songs aus der ersten Hipster-Ära
       des Jazz revitalisiert, etwa mit den Gästen Taj Mahal, Bonnie Raitt und dem
       zum Zeitpunkt der Aufnahmen über 90-jährigen, inzwischen verstorbenen
       Bluespianisten Pinetop Perkins. Vor Kurzem hat ihr Ex-Mann [6][Geoff
       Muldaur das epochale Roots-Music-Album „His Last Letter“] veröffentlicht.
       Mit „Let’s Get Happy Together“ zieht Maria jetzt gleich. Und nach dem
       Gesetz der Serie müsste nun eigentlich bald etwas Neues von ihrer Tochter
       Jenni folgen. Wir halten die Ohren steif!
       
       2 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Schäfler
       
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