# taz.de -- Mindestlohn und Tarifpartner: Klage erwogen
       
       > Die Arbeitgeber drohen, die von der Ampelregierung geplante Erhöhung des
       > Mindestlohns auf 12 Euro „juristisch überprüfen“ zu lassen.
       
 (IMG) Bild: Friseur:innen in strukturschwachen Gebieten profitieren vom Mindestlohn von 12 Euro
       
       BERLIN taz | Im kommenden Jahr soll der allgemeine gesetzliche Mindestlohn
       auf 12 Euro die Stunde erhöht werden, hat Bundesarbeitsminister Hubertus
       Heil (SPD) versprochen. Die Arbeitgeber erwägen, dagegen rechtlich
       vorzugehen. Ob, wann und wie man das Vorgehen der Bundesregierung
       „qualifiziert juristisch überprüfen“ lasse, komme ganz darauf an, „wann
       dieser politische Mindestlohn durchgesetzt werden soll“, sagte
       Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Nachrichtenagentur dpa.
       
       Heil hat angekündigt, Anfang 2022 das Gesetz für die Erhöhung der
       Lohnuntergrenze auf 12 Euro vorzulegen. Ab wann die Erhöhung dann aber
       genau kommen soll, ist noch unklar. Die Arbeitgeber sind daran
       interessiert, dass der Zeitpunkt möglichst spät im kommenden Jahr liegt.
       
       Am 1. Januar steigt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn bereits von 9,60
       Euro auf 9,82 Euro und zum 1. Juli auf 10,45 Euro. Die Erhöhungsschritte
       werden von der Mindestlohnkommission vorgegeben, die paritätisch mit
       Vertreter:innen der Arbeitgeber und der Gewerkschaftsseite besetzt ist
       und einen wechselnden Vorsitzenden hat, der mal der einen, mal der anderen
       Seiten nahe steht.
       
       Die Erhöhung des 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohnes folgt dabei
       immer der durchschnittlichen Tarifentwicklung der vorangegangenen zwei
       Jahre, an der sich die [1][Mindestlohnkommission] orientiert. Eine
       sprunghafte Erhöhung auf 12 Euro die Stunde ist ein gesetzgeberischer
       Eingriff in diese Dynamik.
       
       ## Streit um Tarifautonomie
       
       „So wie es im Moment von der Bundesregierung beabsichtigt wird, halte ich
       es für eine grobe Verletzung der Tarifautonomie“ sagte Dulger. Die
       Tarifautonomie sei „verfassungsrechtlich geschützt“. Er kritisierte das
       geplante Gesetz als Bruch des Regierungsversprechens, „dass die
       Mindestlohnkommission der Wächter des Mindestlohns ist und nicht die
       Politik“.
       
       Auch bei der Einführung des Mindestlohnes wurde die Höhe von 8,50 Euro vom
       Gesetzgeber festgelegt. [2][Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP
       versprochen], dass die unabhängige Mindestlohnkommission nach der
       einmaligen Anpassung auf 12 Euro wieder über die folgenden etwaigen
       Erhöhungsschritte befinden werde.
       
       Die Arbeitgeber und die Gewerkschaften sorgen sich dabei, wenn auch aus
       unterschiedlichen Gründen, über die Auswirkungen, die ein gesetzlicher
       Mindestlohn auf die untersten Stufen in den Branchentarifverträgen haben
       könnte. Sollte der Mindestlohn von 12 Euro im Jahr 2022 kommen, dann würde
       das rund 200 Tarifverträge „obsolet“ machen, sagte Hans Peter Wollseifer,
       Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.
       
       ## Ruf nach Lohnabstand
       
       [3][Tarifverträge] etwa im Friseurhandwerk oder im Bewachungsgewerbe sehen
       untere Lohnstufen vor, die niedriger als 12 Euro liegen. In der
       Gebäudereinigung wurde eine tarifliche Erhöhung auf 12 Euro die Stunde erst
       ab Januar 2023 vereinbart.
       
       Derzeit liegt der tarifliche Mindestlohn in der Gebäudereiniger-Branche
       allerdings über dem aktuellen gesetzlichen Mindestlohn von 9,60 Euro.
       [4][Die IG BAU] fordert, dass dieser Branchen-Mindestlohn auch künftig
       höher liegen müsse als der kommende allgemeine Mindestlohn von 12 Euro,
       weil man sonst fürchtet, dass die Arbeitskräfte aus der Branche abwandern.
       
       Gebäudereiniger:innen hätten „einen harten Job“. Es müsse daher
       einen „Mindestlohn-Abstand“ geben, erklärte Ulrike Laux vom Bundesvorstand
       der IG BAU. Sie appellierte an den Innungsverband, möglichst schnell mit
       der Gewerkschaft über die vorzeitige Anhebung des Branchen-Mindestlohnes zu
       verhandeln. Dann „stimmt der Lohn wieder und es werden genügend
       Arbeitskräfte gefunden“, so die Gewerkschafterin.
       
       ## Sorge um Branchentarife
       
       Im Bauhauptgewerbe liegt das unterste Limit laut Branchentarifvertrag
       bereits bei 12,85 Euro. Die IG BAU beklagt, dass die Arbeitgeber den
       Branchenmindestlohn „generell in Frage“ stellen, hieß es in einer
       [5][Erklärung] des Gewerkschaftsvorsitzenden Robert Feiger. Gewerkschaften
       befürchten generell, dass Arbeitgeber mit Verweis auf den kommenden höheren
       gesetzlichen Mindestlohn gar keine höheren Branchentarife mehr verhandeln
       wollen.
       
       Feiger, er auch Mitglied der Mindestlohn-Kommission ist, warnte am
       Donnerstag auch davor, dass die Einhaltung eines Mindestlohnes von 12 Euro
       im kommenden Jahr möglicherweise zu wenig kontrolliert werden könnte.
       Zahlen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zeigten, dass schon in
       diesem Jahr zahlreiche Unternehmen die Mindestlöhne nicht eingehalten
       hätten. Die Gefahr, bei Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, sei für
       Arbeitgeber „nur gering“. Die bisherigen Kontrollen seien nur
       „Placebo-Kontrollen“. Das Personal der Finanzkontrolle müsse aufgestockt
       werden.
       
       Die Arbeitgeber besonders [6][im mittelständischen Handwerk] warnen, dass
       durch die Einführung des Mindestlohnes von 12 Euro auch die Löhne der
       besser Qualifizierten erhöht werden müssten, um den Lohnabstand innerhalb
       eines Betriebes zu wahren. Das gebe einen „Kaminzugeffekt“, der auch die
       Preise nach oben drücke, hieß es beim Handwerksverband.
       
       30 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mindestlohn-kommission.de/DE/Home/home_node.html
 (DIR) [2] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
 (DIR) [3] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
 (DIR) [4] https://igbau.de/Mindestlohn-der-Reinigungskraefte-muss-angehoben-werden.html
 (DIR) [5] https://igbau.de/IG-BAU-wehrt-sich-gegen-Abschaffung-des-Branchenmindestlohns.html
 (DIR) [6] https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/politisch-festgesetzter-mindestlohn-12-euro-209244/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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