# taz.de -- Körperbilder und Rassismus: Body Positivity reicht nicht aus
       
       > Der radikale Ansatz des Fat Liberation Movements ist zur Wish-Version
       > verwässert worden. Damit alle Körper frei sind, braucht es eine andere
       > Welt.
       
 (IMG) Bild: Guerrilla-Fashion-Show in London: Selbstliebe ist ein Anfang, aber sie verändert noch nicht die Welt
       
       Body Positivity interessiert mich nicht. Im Januar, dem Motto-Monat für
       Diäten (oder synonym Detox bzw. Entgiftungskur), mag das nach einer
       gewagten Aussage klingen, schließlich werden wir zum Jahresbeginn
       [1][traditionell mit Werbung für Fitnessstudios, Apps, Diäten und
       Nahrungsersatz bombardiert]. Trotzdem: Nicht alle Feminist_innen feiern
       „BodyPosi“. Und zwar nicht, weil sie den Diskurs als eine „Verherrlichung
       von Adipositas“ betrachten, sondern weil der radikale Ansatz des Fat
       Liberation Movements zur Wish-Version verwässert ist.
       
       Nicht anders als eine Fake-Prada-Tasche bringt dies Vor- und Nachteile mit
       sich: Dank Mainstreaming können mehr Leute erreicht werden, aber die
       Qualität ist wesentlich schlechter als beim Original. So schrieb die
       Autorin Magda Albrecht 2018 im Missy Magazine über [2][die Doppelmoral] und
       den Dickenhass in der Szene.
       
       In der Tat wirkt es schräg, wenn irgendwelche cis Frauen original wie
       Models aussehen und ihr Œuvre trotzdem um die Akzeptanz von und Liebe zu
       ihrem Körper kreist. Die meisten Menschen empfinden ihrem Körper gegenüber
       Unbehagen, doch nicht alle, die sich hässlich oder dick fühlen, werden so
       wahrgenommen und behandelt. Die Abgründe, über die [3][Da’Shaun L.
       Harrison] in deren Buch „Belly of the Beast. The Politics of Anti-Fatness
       as Anti-Blackness“ schreibt, finden jenseits der liberalen
       Feel-Good-Mentalität statt.
       
       Selbstliebe, schreibt Harrison, kann höchstens der Anfang der
       Körperrevolution sein, das Ziel sei es jedoch, die ganze Welt zu
       zerschmettern, denn Kapitalismus, Anti-Blackness und das Patriarchat seien
       nicht reformierbar. Als ich das Buch auf die Empfehlung von Übersetzer_in
       und politische_r Bildungsreferent_in Yezenia León Mezu in die Hand nahm,
       war ich geflasht. Dass 2021 ein Buch erschienen ist, das die
       ausgelutschten, mehrheitsfähigen Thesen über Empowerment und Akzeptanz
       gegen die Wand klatscht und stattdessen radikale (im Sinne von schmerzhaft,
       nicht frech) Analyse liefert, macht Hoffnung auf einen Paradigmenwechsel.
       
       ## Stigma, Diätindustrie, Polizeigewalt
       
       Häufig bleibt die Debatte bei Körpern stehen, die dick und weiblich sind.
       Harrison schaut sich hingegen jene an, die dick und Schwarz und männlich
       sind – und somit nicht als eklig, sondern gefährlich gelten.
       
       Was es heißt, als „Monster“ betrachtet und durch staatliche Gewalt
       „gebändigt“ zu werden, konnte die Welt beispielhaft während der
       anti-Schwarzen Morde an George Floyd, Eric Garner oder Tamir Rice
       beobachten – besonders vor Gericht, wo die Opfer aufgrund ihrer Körper für
       das verantwortlich gemacht wurden, was ihnen und ihren Angehörigen angetan
       wurde. Wenn dicke Menschen früh sterben, liegt es meistens nur in zweiter
       Linie an ihrem Gewicht. In erster ist es das damit einhergehende Stigma,
       die Diätindustrie oder eben Polizeigewalt. Deshalb reicht eine bloße Kritik
       an Body-Shaming nicht aus. Damit alle Körper frei sind, braucht es eine
       andere Welt.
       
       13 Jan 2022
       
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