# taz.de -- Zukunft der Energiewende: Vorbei mit Versorgungssicherheit
       
       > Die Hoffnung, der Krieg werde die Energiewende vorantreiben, könnte sich
       > als Illusion erweisen. Die internationale Kooperation gerät ins Wanken.
       
 (IMG) Bild: Die Verdichterstation in Mallnow, Brandenburg, übernimmt vorwiegend russisches Erdgas
       
       Bei der Debatte über die [1][Importe von russischem Gas und Öl] und einem
       möglichen Embargo steht ein Begriff zu Recht ganz vorn: die
       Versorgungssicherheit. Sie ist lebenswichtig, damit Lieferketten und
       Kommunikationswege funktionieren und nicht im Krankenhaus die Lichter
       ausgehen. Diese Sicherheit garantierten bisher heimische Kohle und Erdgas
       aus Russland. Das war billig. Jetzt zahlen wir den hohen Preis: politische
       und wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Schurkenstaat.
       
       Damit soll es jetzt vorbei sein. Der brutale russische Überfall auf die
       Ukraine, so heißt es, treibt international die Energiewende voran. Denn
       Erneuerbare sind nicht nur ökologisch und ökonomisch die bessere
       Alternative, sondern sichern auch Frieden und Unabhängigkeit. So jedenfalls
       die Hoffnung der globalen Gemeinde für Klimaschutz, die sich auf Einladung
       der Bundesregierung in Berlin zum „[2][Energiewendedialog]“ trifft. Die
       These hat ihren Charme. Aber sie ist falsch.
       
       Denn der Krieg in der Ukraine zerstört auch ein fragiles Gerüst für
       internationale Kooperation, die für Klima- und Energiepolitik nötig ist.
       Warum sollte jemand das Pariser Klimaabkommen einhalten, wenn einer der
       größten CO2-Verschmutzer das Völkerrecht mit Füßen tritt? Was soll aus
       einem UN-Klimaprozess werden, wenn ein Mitglied des Sicherheitsrats brutal
       alle Absprachen bricht?
       
       Und es bedeutet auch nichts Gutes, dass Länder wie [3][China, Indien oder
       Brasilien, ohne die die internationale Energiewende nicht funktioniert,
       Russlands Verbrechen nicht verurteilen]. Es ist nachvollziehbar, dass die
       Engagierten in Politik, Wirtschaft und Ökoszene versuchen, aus dem
       Ukrainekrieg bei aller Verzweiflung auch etwas Hilfreiches abzuleiten. Dass
       sie nun alle Kräfte bündeln, ihre Ziele schneller und besser durchsetzen
       wollen.
       
       Dazu ist es allerhöchste Zeit, wie gerade wieder die Agentur für
       erneuerbare Energien (Irena) und der [4][Weltklimarat IPCC warnen]. Aber
       nichts lenkt mehr von den dringenden Überlebensfragen der Menschheit ab als
       die Überlebensfragen in den Kellern der Ukraine. Nichts verunsichert
       Investoren und Planer mehr als der Zusammenbruch der internationalen
       Rechtsordnung. Nichts bindet Geld und Aufmerksamkeit mehr als ein Krieg
       mitten in Europa.
       
       Und nichts ist in dieser Situation abschreckender als die Vorstellung, mal
       eben die Energieversorgung der Welt vom Kopf auf die Füße zu stellen. Nötig
       ist das, trotz und gerade wegen des Kriegs. Aber statt
       Versorgungssicherheit erwartet uns in den nächsten Jahren immer wieder
       Versorgungsunsicherheit. Besser, wir bereiten uns darauf schon mal vor – in
       der Politik, aber auch im eigenen Denken.
       
       29 Mar 2022
       
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