# taz.de -- Aktivistin aus Dannenröder Forst: „Ella“ bleibt in Haft
       
       > Im Berufungsverfahren erkennt auch das Landgericht Gießen „tätliche
       > Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte“. Doch die Strafe wird etwas
       > reduziert.
       
 (IMG) Bild: Aktivistin „Ella“ im Berufungsprozess vor dem Landgericht Gießen am 17. Januar 2022
       
       FRANKFURT taz | Ein Jahr und neun Monate Gefängnis für „Ella“ – so lautet
       das Urteil des Landgerichts Gießen gegen die „uwP1“, die unbekannte
       weibliche Person, [1][die seit ihrer Festnahme im Dannenröder Forst vor 17
       Monaten in U-Haft sitzt]. Wie zuvor das Amtsgericht Alsfeld erkannte auch
       das Landgericht Gießen in ihrem Verhalten einen tätlichen Angriff gegen
       Polizeivollzugsbeamte in zwei Fällen sowie gefährliche Körperverletzung.
       
       Die Berufungsinstanz reduzierte allerdings die [2][zunächst verhängte
       Haftstrafe] um sechs Monate. Im Tumult ging die mündliche Urteilsbegründung
       des Richters unter. Im Zuschauerraum und vor dem Verhandlungsgebäude
       protestierten lautstark UmweltaktivistInnen, vor allem, weil das Gericht
       die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hatte. Auch im Saal
       skandierten rund 20 AktivistInnen „Free Ella“ und „Hört auf zu lügen“.
       ZuhörerInnen schlugen gegen die Glaswand, die sie vom Verhandlungssaal
       trennte. Die Polizei räumte schließlich das Gebäude.
       
       [3][Die Umweltaktivistin Ella, die ihre Identität nicht preisgib]t, hatte
       sich am 26. November 2020 bei der Räumung eines Baumhauses im Dannenröder
       Forst gegen Einsatzkräfte zur Wehr gesetzt. Sie und andere AktivistInnen
       wollten die Rodung des Herrenwaldes zum Weiterbau der umstrittenen Autobahn
       A 49 in Nordhessen verhindern. Gegen ihren Willen war „Ella“ bei bei dem
       umstrittenen Polizeieinsatz von Beamten aus 15 Meter Höhe geborgen worden.
       Laut Urteil hat sie dabei nach zwei Einsatzkräften getreten.
       
       Auch der letzte Verhandlungstag der Berufung vor dem Landgericht in Gießen
       war von den völlig unvereinbaren Positionen von Anklagebehörde und
       Verteidigung geprägt. Hatte die Staatsanwaltschaft zuletzt der Angeklagten
       erneut vorgeworfen, sich mit „brutaler Gewalt“ und „hoher krimineller
       Energie“ den Einsatzkräften widersetzt zu haben, stellte die Verteidigung
       am Freitag „erhebliche Verfahrensfehler“ fest und bestritt insgesamt die
       Rechtmäßigkeit des Verfahrens.
       
       Entlastenden Hinweisen sei die Justiz nicht nachgegangen: „Wie blind muss
       man gewesen sein, über all diese Hinweise hinwegzusehen“, sagte
       Rechtsanwältin Eva Dannefeldt. Der Einsatz der SEK-Polizeibeamten zur
       Räumung der Baumhäuser im Walddorf „Nirgendwo“ zur Vorbereitung der Rodung
       für den Weiterbau der A 49 sei insgesamt rechtswidrig gewesen, so die
       Verteidigung, die dafür plädierte, das Verfahren einzustellen.
       
       ## Strafmaß um sechs Monate reduziert
       
       Immerhin milderte das Landgericht die Haftstrafe um sechs Monate. Der
       Verteidigung war mithilfe von Videomaterial, das weitgehend von der Polizei
       erstellt worden war, der Nachweis gelungen, dass für die Einsatzkräfte
       keine Lebensgefahr bestanden hatte. Sie waren mit Seilen gesichert. Die
       Beamten mussten im zweiten Verfahren ihre Aussagen aus der Vorinstanz
       korrigieren. Für die Staatsanwaltschaft waren indes diese
       „Erinnerungslücken“ nachvollziehbar: Die Beamten seien selbst, „wenn nicht
       objektiv, so zumindest subjektiv in Lebensgefahr“ gewesen.
       
       „Ella“ selbst hatte im Berufungsverfahren das Wort ergriffen. Die ihr zu
       Last gelegten Tritte gegen die Beamten hatte sie ihrem „Überlebensinstinkt“
       zugeordnet. Auf den Hinweis das Vorsitzenden Richter, der Räumung des
       Dannenröder Forstes sei ein demokratischer Entscheidungsprozess
       vorausgegangen, hatte sie entgegengehalten: „Es ist kein Geheimnis, dass
       Demokratie für mich und viele nichts ist, was man feiern sollte, weil wir
       sie als einen Machtkampf erleben, bei dem die Bedürfnisse von Minderheiten
       unerfüllt bleiben.“
       
       Sich selbst sieht sie als Kämpferin gegen die Zerstörung des Planeten. Die
       Klimakrise wird in ihren Augen durch ein System von Ausbeutung und
       Zerstörung der Natur ausgelöst. Den Verantwortlichen für den Weiterbau der
       A49 warf sie einen „Ökozid“ vor, gab sich in ihrem Schlusswort gleichwohl
       versöhnlich: „Jetzt ist die Zeit gekommen zu vergeben und für mich durch
       diese Tür in Freiheit zu gehen.“ Da wusste sie noch nicht, dass das Gericht
       mit dem Urteil die Fortdauer der Haft anordnen würde.
       
       Das Strafurteil lautet auf 21 Monate Haft, siebzehn davon hat sie
       abgesessen. Bleiben noch vier, denn eine Aussetzung zur Bewährung scheitert
       wohl daran, dass die Identität von „Ella“ im Dunkeln bleibt. Ohnehin dürfte
       die Verteidigung eine Revision in Erwägung ziehen. Das Landgericht hatte
       zahlreiche Beweisanträge und einen Befangenheitsantrag gegen den Richter
       abgelehnt und ihr Prozessverschleppung vorgeworfen.
       
       1 Apr 2022
       
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