# taz.de -- Zentrale Einbürgerungsbehörde für Berlin: Schon jetzt völlig überlastet
       
       > Die Idee von Rot-Grün-Rot, Einbürgerungen zu erleichtern, ist an sich
       > gut. Der Haken an der Sache: das Landeseinwanderungsamt. Ein
       > Wochenkommentar.
       
 (IMG) Bild: Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) vor dem Landeseinwanderungsamt in Berlin
       
       Keine Frage: Die Einbürgerung von dauerhaft in Berlin lebenden Ausländern
       ist im Interesse nicht nur der Eingebürgerten (die dadurch mehr Rechte
       bekommen), sondern auch der Gesellschaft (die dadurch Menschen an sich
       bindet, neue Wähler*innen und Staatsbürger*innen bekommt).
       Unzweifelhaft ist auch: In Berlin läuft bei dem Thema vieles schief.
       
       Es fängt damit an, dass der Prozess in den zwölf Bezirken verschieden
       gehandhabt wird und entsprechend unterschiedlich dauert: Wer in Mitte lebt,
       kann Glück haben und schon vier Monate nach der Antragstellung den
       deutschen Pass in Händen halten, [1][in Pankow dauert es bis zu 2 Jahre].
       Mancherorts gibt es seit einiger Zeit gar keine Termine beim
       Einbürgerungsamt (meist mit der Corona-Entschuldigung); gleichzeitig
       verlangen manche Ämter eine persönliche Vorsprache, nur um die
       Antragsformulare abzuholen – was völlig unnötig ist und vermutlich sogar
       rechtswidrig.
       
       Manche legen die Kriterien zur Einbürgerung auch falsch aus, behaupten
       etwa, wer Hartz IV bekommt, kann nicht eingebürgert werden – [2][obwohl in
       den Richtlinien etwas anderes steht] (nämlich: Einbürgerung mit Hartz IV
       ist möglich für diejenigen, die „den Bezug von Sozialhilfe oder
       Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nicht selbst zu vertreten“ haben, etwa
       bei einer betriebsbedingten Kündigung).
       
       Die bisherige Bilanz: Das Einbürgern wird den Menschen in der Hauptstadt
       unnötig schwer gemacht, es ist ein langwieriger Prozess voller Hinder- und
       Ärgernisse, den sich manche*r deswegen lieber gleich erspart. Kein Wunder
       also, dass Berlin im [3][bundesweiten Vergleich der Einbürgerungsquoten
       fast Schlusslicht] ist; nur das Saarland ist noch schlechter.
       
       ## Vorbild Hamburg
       
       Das [4][Potent][5][ial des Themas] hatte die Berliner SPD schon im
       Wahlkampf erkannt und sich für eine Reform stark gemacht. Nach dem Vorbild
       Hamburg brachte man die Idee eines zentralen Einbürgerungsamtes ins Spiel,
       was dort offenbar zu einer bemerkenswerten Erhöhung der Zahlen in den
       letzten Jahren geführt hat.
       
       So kam die zentrale Einbürgerungsbehörde in den Koalitionsvertrag,
       vergangene Woche hat der Senat das Projekt nun auf den Weg gebracht. Die
       neue Behörde soll dem Landeseinwanderungsamt (LEA), der früheren
       Ausländerbehörde, angegliedert werden und würde damit der Innenverwaltung
       unterstehen.
       
       Thematisch ist das durchaus sinnvoll: Das LEA ist ja ohnehin die
       Kontaktstelle für viele Ausländer, stellt Aufenthaltstitel aus und kennt
       die potenziellen Einbürgerungskandidaten. Es könnte daher sogar proaktiv
       auf die Menschen zugehen und sie ermuntern, sich einbürgern zu lassen.
       
       Andererseits ist die Behörde schon mit ihren jetztigen Aufgaben völlig
       überlastet. Vor allem das Terminmanagement ist eine Katastrophe, wie
       Berater*innen von Geflüchteten seit Jahren immer wieder berichten. Oft
       bekomme man Wochen oder gar Monate keinen Termin um dringend benötigte
       Papiere zu erhalten oder zu verlängern: Arbeitsplatzangebote, für die man
       eine Arbeitserlaubnis brauchte, seien dann wieder weg; Aufenthaltstitel
       inzwischen abgelaufen.
       
       ## Kein Termin in 8 Wochen
       
       Ein Selbsttest der Autorin beim online-Terminportal des LEA brachte diese
       Woche das gleiche Ergebnis: Als frühestes Datum, um einen Aufenthaltstitel
       aus humanitären Gründen zu verlängern, wurde der 14. Juli angeboten.
       Gleichzeitig hatte das System vorher dazu geraten, den Termin 6-8 Wochen
       vor Auslaufen der Aufenthalterlaubnis zu vereinbaren. Dumm nur, dass in
       dieser Frist kein Termin zu bekommen ist!
       
       Die Erwartung, beim LEA würden Einbürgerungen besser funktionieren, ist
       unter den aktuellen Bedingungen also völlig illusorisch. Das Amt müsste
       erstmal so ausgestattet werden, dass es seine bisherigen Aufgaben erledigen
       kann. Dann kann man ihm neue geben.
       
       16 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-28082.pdf
 (DIR) [2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/die-anspruchseinbuergerung-456774
 (DIR) [3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/einbuergerungen-bundeslaender-auslaendischebevoelkerung.html
 (DIR) [4] /Ohne-Staatsbuergerschaft-kein-Wahlrecht/!5803338
 (DIR) [5] /Ohne-Staatsbuergerschaft-kein-Wahlrecht/!5803338
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Einwanderung
 (DIR) Integration
 (DIR) Staatsbürgerschaft
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Migration
 (DIR) Schwerpunkt Wahlen in Berlin
 (DIR) Ampel-Koalition
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2021
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2021
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wartezeit für die Einbürgerung: Abgewimmelt und hingehalten
       
       Die Wartezeit auf Einbürgerung ist oft unerträglich lang, teils braucht die
       Bürokratie Jahre. In Aachen wurde nun die Goldene Warteschleife verliehen.
       
 (DIR) Debatte im Abgeordnetenhaus: Saleh drängt Grüne
       
       SPD-Fraktionschef will die neue zentrale Einbürgerungsbehörde im Haushalt
       festschreiben, die Grünen wollen erst mal ein Konzept haben.
       
 (DIR) Bertelsmann-Studie zu Willkommenskultur: Es geht bergauf
       
       Migration war in den vergangenen Jahren ein Reizthema. Eine neue Studie
       zeigt nun, dass immer mehr Menschen Zuwanderung als Chance sehen.
       
 (DIR) Rot-grün-rote Abschiebepolitik: Die SPD schiebt weiter ab
       
       In der Migrationspolitik ist wenig Aufbruch zu erwarten von der neuen
       Koalition: Die SPD verantwortet weiter das Landesamt für Einbürgerung.
       
 (DIR) Einigungen der Ampel-Parteien: Das steht im Koalitionsvertrag
       
       Was sieht der Koalitionsvertrag der Ampel fürs Klima vor? Was für Familien?
       Die Einschätzung unser Fachredakteurinnen im Überblick.
       
 (DIR) Ohne Staatsbürgerschaft kein Wahlrecht: Fremd im eigenen Land
       
       Millionen sind von der Wahl ausgeschlossen, weil ihnen die
       Staatsbürgerschaft fehlt. Damit stehen sie unter permanenter
       Fremdherrschaft.
       
 (DIR) Bundestagswahl 2021: Die Ausgeschlossenen
       
       Millionen Menschen dürfen am kommenden Sonntag nicht wählen – weil sie
       keinen deutschen Pass haben. Was bedeutet das für sie?