# taz.de -- Kommunalwahl in Großbritannien: Starke Einbußen für Tories
       
       > Labour gewinnt viele Sitze. Die Hoffnungen auf einen baldigen
       > Machtwechsel auf nationaler Ebene könnten aber verfrüht sein.
       
 (IMG) Bild: Freude bei den Labour-Kandidat:innen in der Lindley Hall, Westminster, London am Freitag
       
       LONDON taz | Bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Großbritannien haben
       die Konservativen um Premierminister Boris Johnson ersten Ergebnissen am
       Freitagmorgen zufolge Verluste verzeichnet. Zunächst trafen die Ergebnisse
       aus verschiedenen Regionen Englands ein. In der an Schottland grenzenden
       nordenglischen Stadt Carlisle (Regionalwahlkreis Cumberland) hatten die
       Tories auf 20 der 46 Sitze gehofft. Stattdessen verloren sie 14
       Kommunalräte. Die bisherige Labouropposition siegte mit 30 Sitzen, ein Plus
       von 12 gegenüber 2018.
       
       „Es war eine schlimme Nacht!“, gestand John Mallinson, der in Carlisle seit
       22 Jahren konservativer Kommunalrat ist, gegenüber der BBC. Beim Wahlkampf
       wäre er auf „viel Ablehnung von Boris Johnson gestoßen“, vor allen beim
       Umgang mit der Wahrheit und den gestiegenen Lebenshaltungskosten. Er
       erwarte nun, dass durch ein parteiinternes Misstrauensverfahren das Thema
       Boris abgehakt werde.
       
       Auch im nordöstlichen englischen Wahlkreis Sunderland, wo Labour seine
       bisherige Mehrheit verteidigen konnte, verwies der dortige konservative
       Parteiführer Anthony Mullen sauer auf Johnsons „Partygate“. Auch im Süden
       Englands legte Labour zu und eroberte die Hafenstadt Southampton.
       
       Doch so mancherorts waren es die Liberaldemokrat:innen, die den Torys wie
       Labour einstige Mehrheiten kostete, so etwa im nordöstlichen Hull und
       Kingston-upon-Hull und erstaunlicherweise sogar in der Grafschaft
       West-Oxfordshire. Das war der Wahlkreis des früheren konservativen Premiers
       David Cameron.
       
       ## Tories verlieren das seit 1964 gehaltene Westminster
       
       Die größten und von vorneherein prophezeiten Niederlagen verbuchten die
       Torys in London. So holte sich Labour das von Thatcher einst geliebte
       Wandsworth im Süden Londons zum ersten Mal seit 1978. Simon Hogg, der dort
       triumphierende Labourführer, erklärte: „Es ist nun auch an der Zeit für
       einen Führungswechsel an der Spitze der Regierung.“
       
       Noch verheerender für die Torys war der Verlust des Westminster-Wahlkreises
       an Labour. Den hielten die Konservativen seit 1964. Rot wurde auch wieder
       der Londoner Bezirk Barnet mit seiner etwa zwanzigprozentigen jüdischen
       Bevölkerung. Das zeigt, dass die dortigen Wähler:innen die Maßnahmen von
       Labourführer Keir Starmers gegen den Antisemitismus in seiner Partei für
       glaubwürdig halten.
       
       Auch die Grünen konnten immer wieder Erfolge verbuchen, in Richmond wurden
       sie gar zur kleinen und dennoch offiziellen Oppositionskraft.
       
       Zwar gewannen die Konservativen noch in Hillingdon, der Gegend Londons, wo
       Boris Johnson Abgeordneter für Uxbridge ist. Doch verloren sie vier Sitze,
       die alle an Labour gingen. Im Londoner Bezirk Havering besiegte die von
       Gillian Ford geführte [1][Bürgervereinigung] die Torys mit zwei
       zusätzlichen Sitzen und einer Mehrheit von 21 Stadträten die Tories.
       
       ## Wahlanalyst: Labour hat noch viel Arbeit vor sich
       
       Viele Labourvertreter:innen behaupten, dass sie nun bei der nächsten
       Nationalwahl die Tories schlagen können. Doch der angesehenste Wahlanalyst
       des Landes, John Curtice, warnte vor Kurzschlüssen. Um eine landesweite
       Wahl zu gewinnen, reiche das Ergebnis nicht. Es sei schlecht für die
       Tories, aber Labour habe noch viel Arbeit vor sich, behauptete er.
       
       Der Parteichef der Konservativen, Oliver Dowden, wies am Freitagmorgen
       Kritik zurück und lobte stattdessen Johnsons „kühnen Stil“ im Ukrainekrieg.
       Ergebnisse aus Schottland, Wales und [2][Nordirland] lagen zunächst noch
       nicht vor. Die Wahlbeteiligung lag bei durchschnittlich 30 Prozent.
       
       6 May 2022
       
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