# taz.de -- Hilfe bei Depressionen: Was tun bei depressiven Freunden? > Wenn Freund*innen an Depressionen erkranken, ziehen sie sich oft > zurück. Dann heißt es: Hilfe anbieten, aber ohne schlaue Ratschläge zu > verteilen. (IMG) Bild: Ein bisschen Distanz ist gut, aber nicht zu viel Puh, ich hatte etwas Schiss davor, wie du reagierst.“ M. sitzt mir gegenüber und schaut sichtlich erleichtert aus. Gerade hat sie erzählt, dass sie krankgeschrieben sei – erst mal auf unbestimmte Zeit. Ich bin froh darüber, schließlich weiß ich, dass es ihr in letzter Zeit gar nicht gut ging. Dass sie glaubt, ich würde das nicht verstehen, gerade ich, die [1][über (ihre) Depression] schreibt, kränkt mich. Allerdings kann ich mir vorstellen, warum sie so denkt. Obwohl ich mich viel mit dem Thema beschäftige, heißt das nicht, dass ich als Zugehörige alles richtig mache. I wish, aber so ist es nun mal nicht. In diesem speziellen Fall weiß ich, dass ich mich zurückgezogen und den Kontakt gemieden habe. Warum? [2][Aus Angst] vermutlich. Gerade wenn eine einem nahestehende Person sich so verändert, wie es bei depressiven Episoden der Fall ist, sich also auch die gemeinsame Dynamik wandelt, ist es schwer, das zu akzeptieren. Man fremdelt, möchte zurück zu einem Zustand vermeintlicher Normalität, und ja, hat Angst davor, etwas falsch zu machen. Da M. wie ich seit Jahren in therapeutischer Behandlung ist, konnte ich an dieser Stelle nicht viel ausrichten. Ansonsten ist das natürlich einer der ersten Schritte: Betroffene fragen, ob man sie bei der Suche nach professioneller Hilfe unterstützen kann. Wenn nötig auch wiederholt und insistierend, denn die Depression macht Menschen leider oft beratungsresistent nach dem Motto „Mich versteht eh keiner, ergo kann mir auch nicht geholfen werden“. ## Sorgen offen mitteilen Ich finde, man kann als Zugehörige*r auch ruhig kommunizieren, dass man sich Sorgen macht, vorausgesetzt, man macht dem Gegenüber keine Vorwürfe. Subjektiv bleiben und konkrete Beispiele nennen, was einem Sorgen bereitet und wo man beunruhigende Veränderungen wahrgenommen hat. Mit Ratschlägen wäre ich vorsichtig. Jemandem, der gerade in einer depressiven Episode steckt, zu raten, man solle sich mal eine Auszeit nehmen, positiv denken oder einfach mal wieder rausgehen, ist zynisch. Wer nicht weiß, was er*sie sagen soll, dem empfehle ich das Mutmach-Bingo der Deutschen Depressionshilfe, das neben „Kann ich dich unterstützen?“, Basics wie „Ich bin für dich da“ und „Ich nehme deine Erkrankung ernst“ beinhaltet. Priorität sollte haben, nicht selbst zu erkranken. Damit ist niemandem geholfen. Wer lange mit einer psychisch kranken Person zu tun hat und dabei oft über seine Grenzen hinweggeht, läuft Gefahr, selbst krank zu werden. Dass man sich wie bei einem Magen-Darm-Infekt oder [3][Covid] ansteckt – so ist es natürlich nicht. Aber eine psychische Erkrankung ist einfach ein maximaler Energiefresser – für alle Beteiligten. Ein Rückzug, wie der meinige M. gegenüber, ist manchmal nötig. Fair wäre es, zu kommunizieren, warum man Abstand braucht, schon um dem Gegenüber nicht noch mehr Grund zum Grübeln zu geben. 13 Jul 2022 ## LINKS (DIR) [1] /Depressionen-im-Sommer/!5861113 (DIR) [2] /Therapeut-ueber-die-aktuellen-Ereignisse/!5836569 (DIR) [3] /Personalnotstand-in-Krankenhaeusern/!5864029 ## AUTOREN (DIR) Sophia Zessnik ## TAGS (DIR) IG (DIR) Depression (DIR) Kolumne Great Depression (DIR) Gesundheitspolitik (DIR) Jugendliche (DIR) Kolumne Great Depression (DIR) Kolumne Great Depression (DIR) Wissenschaft (DIR) Kolumne Habibitus ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Hilfe bei psychischen Erkrankungen: Viel zu lange Wartezeiten Depressionen, Angst und Essstörungen nehmen gerade unter Jugendlichen deutlich zu. Rasche Hilfe für Menschen in psychischen Krisen fehlt bisher. (DIR) Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Mehr psychische Behandlungen Der häufigste Behandlungsgrund im Krankenhaus war 2020 bei jungen Menschen eine psychische Erkrankung. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. (DIR) Neue Literatur über psychische Krankheit: Der Erkrankung den Schrecken nehmen Gute Literatur, die sich mit Depression und Co beschäftigt, macht das Thema auch für Nicht-Betroffene begreifbar. Zwei neuen Büchern gelingt genau das. (DIR) Depressionen im Sommer: Kaum erforschte Summertime Sadness Den Winterblues kennen viele, die Sommerdepression ist weniger bekannt. Gerade angesichts der Klimakatastrophe ist das Wissen darum wichtig. (DIR) Psychedelische Substanzen in der Medizin: Trip gegen die Depression Magic Mushrooms zur Behandlung psychischer Erkrankungen? Erste Studienergebnisse sind vielversprechend, Forschende skeptisch. (DIR) „Mental Health“-Diskurs: Die Welt ist zum Verrücktwerden Natürlich geht's uns schlecht! Aber wie geht es besser? Individelle Psycho-Tipps aus dem Netz helfen selten. Sie privatisieren bloß das Politische.