# taz.de -- Skandal um rechte Chats in Hessen: Polizist warnte vor Ermittlungen
       
       > Die Sondersitzung im hessischen Landtag deckt auf, dass Vorgesetzte der
       > Polizei zum Löschen problematischer Chats rieten. Die Opposition ist
       > entsetzt.
       
 (IMG) Bild: Schickte am Dienstag lieber seinen Staatssekretär vor: Hessens Innenminister Peter Beuth
       
       WIESBADEN taz | Bei der Sondersitzung des Innenausschusses im hessischen
       Landtag am Dienstag ließ sich Innenminister Peter Beuth (CDU) am Dienstag
       durch seinen Staatssekretär vertreten. Nach Meinung der
       Oppositionsabgeordneten ist das ein Zeichen dafür, dass er den Ernst der
       Lage nicht erkannt habe.
       
       Immerhin zieht der Skandal um [1][neue rechte Chats bei der Frankfurter
       Polizei] weite Kreise. Drei Vorgesetzte sind suspendiert, weil sie zur
       Vertuschung und Strafvereitelung im Amt beigetragen haben sollen. Insgesamt
       sind mittlerweile fünf Polizeibeamte suspendiert worden. Staatsanwaltschaft
       und Landeskriminalamt ermitteln. Er vertrete den Minister, weil der „mit
       einem privaten Thema beschäftigt“ sei, sagte Innenstaatssekretär Stefan
       Sauer, ebenfalls CDU, und arbeitete vor dem Ausschuss die zahlreichen
       Fragen der Abgeordneten ab. Danach stellen sich die Fakten wie folgt dar.
       
       In diesem neuerlichen Verfahren wegen rechter Chatinhalte bei der
       hessischen Polizei wurden bereits am 22. Mai dieses Jahres erste verdeckte
       Ermittlungen [2][gegen einen Polizeibeamten des Frankfurter
       Polizeipräsidiums] aufgenommen. Anlass war eine Anzeige beim
       Ansprechpartner der Polizei im Ministerium: Ein Vollzugsbeamter hatte den
       Hinweis gegeben, dass ein Kollege in einer Chatgruppe in den Jahren 2017
       und 2018 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen geteilt habe, also
       Hakenkreuze und andere NS-Symbole.
       
       ## Alle Brandmauern haben nicht gehalten
       
       Zwei Monate später, im Juli dieses Jahres, erfuhren der Leiter einer
       Fahndungsgruppe und ein Dienststellenleiter im Frankfurter Polizeipräsidium
       von dem Vorgang. Statt die verdeckten Ermittlungen geheim zu halten und
       gegebenenfalls zu unterstützen, warnten die beiden Vorgesetzten ihre
       Untergebenen vor den Ermittlungen mit der Aufforderung, ihre Handys zu
       säubern und problematische alte Chats umgehend zu löschen. Wie viele
       KollegInnen sie gewarnt haben, ist nicht bekannt.
       
       Tippgeber der beiden Vorgesetzten war ausgerechnet der für Amtsdelikte
       zuständige Amtsleiter, der eigentlich Verantwortung für korrekte interne
       Ermittlungen trägt. Wie der von dem Vorgang erfahren hatte, ist bislang
       nicht bekannt. Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller sprach vor dem
       Innenausschuss denn auch von einem „sehr ernsten Vorgang“, der ihn
       betroffen mache. Bei den beschuldigten Vorgesetzten habe es offensichtlich
       eine Schieflage gegeben, zwischen der professionellen Distanz und der
       persönlichen Nähe und Verbundenheit zwischen KollegInnen. Müller
       versicherte, dass die erneuten Vorgänge ernst genommen würden und bereits
       zu Konsequenzen in dem von ihm geleiteten Präsidium geführt hätten.
       
       Der Abgeordnete der Linkspartei im Landtag, Torsten Felstehausen, stellte
       fest, quer durch das Frankfurter Polizeipräsidium hätten offenbar alle
       Brandmauern, die gezielt gesetzt worden seien, nicht gehalten. Er erneuerte
       seine Forderung nach einem unabhängigen Ansprechpartner für
       Polizeibedienstete und ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern. Der
       FDP-Abgeordnete Stefan Müller sprach von einer neuen Dimension der Probleme
       in der hessischen Polizei. Er regte eine komplette Überprüfung der
       Strukturen für interne Ermittlungen in der Polizei an; möglicherweise müsse
       externe Unterstützung hinzugezogen werden, so der Liberale.
       
       Die Landtagsopposition beklagt, dass die Forderung nach einer vom Apparat
       unabhängigen Anlaufstelle für Polizeibeamte seit Jahren nicht realisiert
       werde. Die schwarz-grüne Regierungskoalition hatte beschlossen, für diese
       Aufgabe ein neues Amt zu schaffen. Ein Bürger- und Polizeibeauftragter soll
       künftig in Hessen kritischen Hinweisen aus Amtsstuben und aus der
       Bevölkerung nachgehen, doch die Regierungsparteien tun sich schwer mit der
       Besetzung der Stelle.
       
       Im Sommer nominierten sie den Hamburger Polizeiwissenschaftler Rafael Behr
       für die neue Position. Im Oktober sagte er wegen gesundheitlicher Probleme
       ab. Das Amt ist nach wie vor unbesetzt.
       
       Korrigiert am 10.08.2022 um 9:25 Uhr. Der beschuldigte Vollzugsbeamte soll
       Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in den Jahren 2017 und 2018
       geteilt haben, nicht 2007 und 2008 wie es im Text zuletzt fälschlich hieß.
       Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. d. R.
       
       9 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
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