# taz.de -- Antisemitismus auf documenta 15: Das Sagbare verschoben > Dass die documenta 15 ein Problem mit Antisemitismus hatte, ist klar. Die > Langzeitwirkungen dieser verunglückten Ausstellung indes sind fatal. (IMG) Bild: Die Documenta 2022 war mehr als umstritten, aber es gab aber auch viele interessante Arbeiten zu entdecken Offener Antisemitismus mit Steuergeldern unterstützt: [1][Was im Lagebericht der Amadeu-Antonio-Siftung zur documenta 15] steht, ist wirklich nichts Neues mehr. Dass Werke wie „People’s Justice“ oder „Tokyo Reels“ offensichtlich voller Hass auf Jüd*innen stecken und niemals in Kassel (oder sonst wo) hätten gezeigt werden dürfen, ist inzwischen hoffentlich bei jedem angekommen. Aber der Bericht, der am Donnerstag vorgestellt wurde, weist auf etwas hin, dem bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde: Die absehbaren Langzeitfolgen dieser völlig verunglückten Ausstellung. Denn natürlich hat es Konsequenzen, wenn in einer deutschen Innenstadt ein riesiges Plakat zu sehen ist, das einen offensichtlich jüdischen Mann mit SS-Runen am Hut zeigt. Zum einen hat die documenta wohl dauerhaft verschoben, was sagbar ist. Klar, verschwunden war der Antisemitismus in Deutschland auch nach dem Ende des Nationalsozialismus nie. Aber es gab ein paar Regeln, an denen niemand vorbeikam, der sich nicht völlig aus dem Diskurs ausschließen wollte. Antisemitismus der Marke Stürmer war tabu. Diese Gewissheit wackelt seit diesem Sommer, also sogar dann noch abgewiegelt und beschwichtigt wurde, als es um ein Plakat ging, das einen jüdischen Soldaten mit Schweinenase zeigt. Die documenta 15 hat auch gezeigt, dass man als Entscheidungsträger*in in Deutschland offenbar einfach ignorieren kann, was Jüd*innen sagen und wovor sie warnen. Die einzige Verantwortliche, die bisher wegen der documenta zurückgetreten ist, ist [2][Generaldirektorin Sabine Schormann]. Der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle, Aufsichtsratsvorsitzender der documenta, ist weiterhin im Amt, genauso Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Sie wurden laut gewarnt, dass diese documenta entgleisen könnte, etwa vom Zentralrat der Juden. Sie haben nicht zugehört. So fragt man sich mit Blick auf die documenta: Was soll das sein, wenn nicht ein ermunterndes Zeichen an alle, die Hass auf Jüd*innen in sich tragen? Diese Ausstellung wird nachwirken – weit über die Sphäre der Hochkultur hinaus. 6 Oct 2022 ## LINKS (DIR) [1] /Bericht-zu-Antisemitismus-in-Deutschland/!5886327 (DIR) [2] /Antisemitische-Hetze-auf-der-documenta/!5877969 ## AUTOREN (DIR) Frederik Eikmanns ## TAGS (DIR) Antisemitismus (DIR) Documenta (DIR) Lesestück Recherche und Reportage (DIR) Antisemitismus (DIR) Demokratie (DIR) Antisemitismus ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Naziverbrecher in der Familie: Mörder oder Mitläufer? Was hat der eigene Vater während der Nazizeit gemacht? Zwei Brüder haben darauf eine Antwort gefunden – jeder seine eigene. (DIR) Bericht zu Antisemitismus in Deutschland: Dammbruch Documenta Mit der Kunstausstellung in Kassel erhielt Antisemitismus eine riesige Bühne. Auch sonst frisst sich Judenhass wieder in die deutsche Gesellschaft. (DIR) Ampel legt Gesetzentwurf vor: Demokratiefördergesetz wird konkret Es ist ein wichtiges Projekt der Ampel: Faeser und Paus legen einen Gesetzentwurf fürs Demokratiefördergesetz vor. Verbände aber üben Kritik. (DIR) Rücktritt von Sabine Schormann: Documenta in der Schuld Der Rücktritt von documenta-Chefin Schormann ist zu begrüßen. Dabei darf es jedoch nicht bleiben. Nötig ist eine Aufarbeitung der misslichen Affäre.