# taz.de -- Weitergabe von Daten an Polizei: Klage von Ex-NSU-Helfer erfolgreich
       
       > Karlsruhe schränkt die Datenweitergabe durch den Verfassungsschutz ein.
       > Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine Gesetzesänderung.
       
 (IMG) Bild: Er erhob Verfassungsbeschwerde: Carsten S., hier im Kapuzenpullover, im Landgericht München
       
       FREIBURG taz | Die Übermittlungspflichten des Verfassungsschutzes an die
       Polizei sind unverhältnismäßig weitgehend. Das stellte jetzt das
       Bundesverfassungsgericht fest. Der Bundestag muss bis Ende 2023
       nachbessern.
       
       Konkret ging es um eine schon seit Jahrzehnten bestehende Regelung im
       Bundesverfassungsschutzgesetz. Paragraf 20 verpflichtet die
       Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern dazu, Informationen an die
       Polizei weiterzugeben, wenn dies „zur Verhinderung und Verfolgung von
       Staatsschutzdelikten erforderlich ist.“
       
       Gegen diese gesetzliche Übermittlungspflicht erhob bereits 2013 der
       Ex-NSU-Helfer Carsten S. Verfassungsbeschwerde. Er hatte dem
       [1][NSU-Terrortrio] einst die Tatwaffe überbracht. Später stieg er aus der
       rechten Szene aus, bereute seine Mordbeihilfe und sagte umfassend aus. 2018
       wurde er [2][zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt] und lebt heute in einem
       Zeugenschutzprogramm.
       
       Seine Verfassungsbeschwerde hatte damals der linksliberale Bürgerrechtler
       Fredrik Roggan geschrieben, der heute Rechtsprofessor an der Brandenburger
       Polizeihochschule ist. Carsten S. sah sich durch die gesetzliche
       Übermittlungspflicht in seiner informationellen Selbstbestimmung verletzt.
       Als betroffen sah er sich vor allem im Zusammenhang mit der 2012 – nach dem
       [3][Auffliegen des NSU-Terrors] – eingeführten Rechtsextremismusdatei
       (RED). Die Datei sollte zwar keine neuen Daten erfassen, aber die
       Übermittlung vorhandener Daten an andere Behörden erleichtern.
       
       ## „Hinreichend konkretisierte“ Gefahr muss bestehen
       
       Beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte die Klage nun Erfolg.
       Die weitgehende Übermittlungspflicht sei unverhältnismäßig, entschieden die
       Richter:innen. Grundsätzlich sei die Übermittlung von
       Verfassungsschutzdaten an die Polizei zwar legitim, um Gewalttaten und
       Hetze von Extremist:innen zu verhindern und aufzuklären. Wenn es aber
       um Daten geht, die heimlich gewonnen wurden (etwa durch V-Leute oder
       abgehörte Telefonate), dann ist die Übermittlung in der Regel nur zulässig,
       wenn auch die Polizei mit ihren Befugnissen die Daten hätte erheben dürfen.
       
       Konkret heißt das: Der Verfassungsschutz darf der Polizei heimlich
       gewonnene Daten nur übermitteln, wenn eine „hinreichend konkretisierte“
       Gefahr besteht oder wenn es einen konkreten Verdacht gibt, dass eine
       besonders schwere Straftat begangen wurde. Es geht dabei insbesondere um
       den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Freiheit sowie des Staates.
       Angriffe auf Sachen gelten nur dann als besonders schwere Tat, wenn die
       Sachen von öffentlichem Interesse sind, wie etwa ein Kraftwerk.
       
       Das Verfassungsschutzgesetz enthielt zwar ein allgemeines
       Überermittlungsverbot, wenn Belange des Betroffenen die
       Sicherheitsinteressen überwiegen. Das Gericht hielt dies für zu unbestimmt.
       (Az.: 2354/13)
       
       3 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /NSU-Terroristin-scheitert-vor-Gericht/!5887025
 (DIR) [2] /Verurteilter-Waffenlieferant-des-NSU/!5708013
 (DIR) [3] /Verfassungsschutzbericht-zum-NSU/!5891382
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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